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Rentable Wärmenetze: Das sind die Erfolgskriterien

Lesezeit: 6 Minuten

Von einer guten Planung hängt ab, ob Sie mit einem Wärmenetz Geld verdienen. Erfahrene Betreiber und Planer geben Tipps, worauf Sie achten sollten.


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Ganz unscheinbar steht am Rand des bayerischen Städtchens Berching (Oberpfalz) ein ansprechend mit Holz verkleidetes Gebäude. „Seit 23 Jahren ist das unsere Energiezentrale“, sagt Josef Schneider. Als damaliger Geschäftsführer des Maschinenrings Sulz-Altmühl hat er im Jahr 1996 mit 33 Landwirten und der Stadt Berching die „Heizwerk KG“ mitgegründet, die den Bau und den Betrieb des Biomasseheizwerks zur Aufgabe hatte. Das Werk selbst ist im Jahr 1997 mit 500 kW Nennleistung in Betrieb gegangen. „Zunächst haben wir nur das 300 m entfernte Schwimmbad mit Wärme versorgt. Nach und nach sind nicht nur zehn Landwirte als neue Kommanditisten, sondern auch immer mehr Wärmekunden dazu gekommen“, blickt Schneider zurück.


Absatzweg für Holz


Heute werden hier im Jahr bis zu 1300 t Hackschnitzel verfeuert. „Es gibt inzwischen so viel Sturm- und Käferholz auf dem Markt, dass wir lange Wartelisten für Holzlieferanten haben. Die Kommanditisten haben aber Vorrang, sodass wir nur etwa 10% der Holzmenge zukaufen müssen.“


Für Produktion, Trocknung und Lagerung der Hackschnitzel sind die Landwirte verantwortlich. Die Logistik übernimmt die Waldbauernvereinigung Berching-Neumarkt. Die Lieferanten erhalten 75 €/t frei Anlage auf Basis von 30% Wassergehalt. Ist der Brennstoff trockener, gibt es pro Prozentpunkt weniger ca. 1 € mehr bis zum Minimum von 18%.


Lösung für Kommunen


„Nahwärmenetze sind nicht nur für Landwirte, sondern auch für Kommunen oder Verbraucher eine einfache Lösung, um die politisch gewünschte Wärmewende voranzubringen“, erklärt auch Markus Euring vom Systemanbieter Enerpipe, der Kommunen und potenzielle Heizwerkbetreiber bei der Umsetzung von Wärmenetzen berät. Ein wichtiges Argument aus Sicht der Abnehmer: Sie brauchen sich keine Gedanken mehr um Schornsteinfeger, Brennstoffkauf oder Platz im Heizungskeller zu machen.


Die richtige Auslastung


Für die Wirtschaftlichkeit spielen auch die Anschlussquote, Tiefbaukosten, Förderbedingungen und die Kosten für Netz- und Heizhausbau eine Rolle. Ein Kennwert für eine erste Abschätzung ist die Wärmebedarfsdichte, also das Maß dafür, wie viel Megawattstunden (MWh) Wärme sich pro Meter Trassenlänge und Jahr verkaufen lassen. Je höher der Wert ist, desto besser (siehe Übersicht). Um das Netz richtig auszulegen und den richtigen Wärmebedarf zu ermitteln, sollte man den Energieverbrauch im Schnitt der letzten Jahre als Basis nehmen.


In Berching ist das Wärmenetz heute 2100 m lang. Als Wärmekunden konnten die Betreiber ein Seniorenheim, einen Kindergarten, mehrere Ein- und Mehrfamilienhäuser und ein Hotel anschließen. Demnächst soll noch die Kulturhalle dazu kommen. Insgesamt beträgt die Abnahme also 3700 MWh. Mit 1,7 MWh/m ist die Wärmebedarfsdichte ein sehr guter Wert. Ein Garant dafür ist die ganzjährige Versorgung des Schwimmbads.


Die richtige Netzgröße


Bei der Auslegung des Wärmenetzes ist die Gleichzeitigkeit entscheidend. Wenn z.B. 100 Häuser mit je 20 kW Heizlast angeschlossen werden, liegt die Heizlast bei 2000 kW. Doch nicht alle Kunden rufen gleichzeitig Wärme ab. Wenn es nur 60 % machen, wäre das ein Gleichzeitigkeitsfaktor von 0,6, das Wärmenetz müsste also auf 1200 kW (2000 kW mal 0,6) ausgelegt werden. Ist das Netz zu groß ausgelegt, kommt es zu Wärmeverlusten.


Um Lastspitzen zu vermeiden, haben sich in den Häusern dezentrale Pufferspeicher anstelle der sonst üblichen Übergabestationen bewährt. Über einen Wärmetauscher sind die Systeme von-einander getrennt. Auch der Wärmemengenzähler ist integriert, über den die Abnahme festgestellt und abgerechnet wird. „Die Speicher können nachts geladen werden, wenn ansonsten wenig Wärmeabnahme da ist“, erklärt Euring.


Wie seine Erfahrung mit mehreren Wärmenetzen zeigt, sind die Verluste in den Speichern nicht größer als bei den Übergabestationen. Wichtig ist aber, dass der Netzbetreiber den Ladezustand in den Pufferspeichern via Datenleitung ablesen und auch steuern kann. „Damit kann er die Speicher von Häusern, die an einer Wärmetrasse liegen, gleichzeitig beladen“, sagt der Experte. Kunden könnten zudem einen Heizstab nachrüsten, um bei Bedarf Stromüberschüsse z.B. von einer Photovoltaikanlage zum Heizen zu nutzen.


Auch in Berching haben die Heizwerkbetreiber in den vergangenen Jahren Pufferspeicher statt Übergabestationen verwendet. Je nach Gebäudegröße haben diese von 1000 l bei Einfamilienhäusern bis 6000 l Volumen bei einem Hotel. An der Heizzentrale selbst steht noch einmal ein zentraler Speicher mit 30000 l.


Die richtige Abrechnung


Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Wärmenetzes ist auch der Verkaufspreis. Wie Euring von verschiedenen Projekten weiß, gibt es dafür keinen einheitlichen Wert. Er kann je nach Anzahl der Wärmeabnehmer, Art der Übergabe, Wärmequelle und vielen anderen Gegebenheiten schwanken. Dazu kommen verschiedene Grundgebühren und einmalige Netzanschlusskosten.


In Berching hat die Heizwerk KG die Pufferspeicher auf eigene Kosten gebaut. Dafür zahlen die Wärmeabnehmer einen jährlichen Grundpreis von 33 €. Der Arbeitspreis pro Kilowattstunde Wärme ist zu 50% an den Holzpreis, zu 20% an den Heizölpreis, zu 15% an die Lohnkostenentwicklung und zu 15% an den Maschinenkostenindex gekoppelt.


Einsparpotenzial beim Bau


Um Investitionskosten zu sparen, sollten Heizwerkbetreiber Synergien nutzen. Wenn z.B. für das Verlegen von Glasfaserkabeln Straßen geöffnet werden, könnte man Wärmeleitungen gleich mit verlegen lassen. „Der Tiefbau ist der größte Kostenblock bei Nahwärmenetzen“, begründet Euring das. Auch beim Rohrleitungsbau gibt es Möglichkeiten, um die Wärmeverluste zu reduzieren. Werden hohe Drücke und Temperaturen über 90°C sowie große Volumen benötigt, sind Stahlleitungen un-umgänglich. Im Neubaugebiet oder im ländlichen Raum ist das aber oft nicht notwendig. Hier wären daher flexible Kunststoffleitungen prädestiniert. Sie lassen sich von einer Rolle aus schneller und damit günstiger verlegen. „Wir empfehlen so niedrige Vorlauftemperaturen wie nötig, häufig reichen 65 bis 70°C aus“, erklärt der Berater. Wärmeverluste können zudem minimiert werden, wenn Vor- und Rücklaufleitungen als Doppelrohr mit einer gemeinsamen Isolierung verlegt werden.


Ölheizung als Sicherung


Eine Heizzentrale macht das Wärmenetz und damit auch die Abnehmer unabhängig von der Energiequelle.


Der neue Hackschnitzelkessel im Heizhaus in Berching hat 950 kW Leistung. Der Ölkessel mit 900 kW, der als Reserve und zum Abdecken von Spitzenlasten dient, kann dagegen weiter betrieben werden. Er hat auch während der Umbaumaßnahmen die Wärme für das Netz geliefert. Im Jahr verbraucht die Heizwerk KG je nach Strenge und Länge des Winters 10000 bis 20000 l Öl.


Die Erweiterung und Modernisierung der Heizzentrale und der neue Kessel haben rund 700000 € gekostet. Für die neuen Netzabschnitte haben die Berchinger 400000 € ausgegeben. Bei der Umrüstung konnten Förderungen des Bundes sowie das bayerische Programm BioKlima (siehe Zusatzinfo) helfen.


Für Josef Schneider hat sich die dezentrale Wärmeversorgung im Laufe der vergangenen 23 Jahre bewährt. Sein Fazit: „Sowohl für die Waldbauern, für die Kommune als auch für die Bürger hat es Vorteile und zusätzliche Wertschöpfung gebracht. Ich würde es immer wieder so machen!“


hinrich.neumann@topagrar.com

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