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Rühren und Dosieren: Sparsame Technik gefragt

Lesezeit: 8 Minuten

Bei der Modernisierung von Rührwerken und Dosierern sollten Sie auch Ihr Fütterungskonzept prüfen, um alternative Rohstoffe wie Gras oder Mist einsetzen zu können. Wie man dabei vorgeht, zeigt unser Praxisbeispiel.


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Bernhard Siemer kann es immer noch kaum glauben: Der Betriebscomputer zeigt seit Monaten eine fast schnurgerade Linie für die Stromaufnahme eines der Paddelrührwerke im Fermenter an. Seit gut einem Jahr arbeiten drei davon störungsfrei in dem 2500 m³ großen Behälter. „Das war längst nicht immer so, wir haben einen ziemlich steinigen Weg hinter uns“, sagt der junge Landwirt, der zusammen mit Bruder Stefan und Vater Josef auf dem Schweine- und Bullenmastbetrieb in Visbek bei Vechta (Niedersachsen) seit dem Jahr 2006 eine Biogasanlage betreibt.


Die Einfermenteranlage eines norddeutschen Biogasanlagenherstellers war ursprünglich, wie fast alle Anlagen zu der Zeit, für die einfachen Einsatzstoffe Gülle und Maissilage ausgelegt. Das Substrat wurde „nass“ eingetragen, indem die Siemers Mais mit Gülle vermischten und dann als Brei in den Fermenter pumpten.


Betriebskonzept geändert:

Doch Mais wurde nicht nur teuer, sondern geriet zunehmend in die öffentliche Kritik. „Daher haben wir im Jahr 2014 das Betriebskonzept grundlegend geändert“, berichtet Siemer. Seitdem setzen die Landwirte mehr Mist von benachbarten Betrieben ein. Dazu kamen Zwischenfrüchte und neuerdings auch Maisstroh. Heute besteht die Ration aus 40 % Ganzpflanzensilage und 50 % Zwischenfrüchten sowie Flüssigkeit in Form von separierter Gülle und ein kleiner Anteil Mais. „Wir möchten nur noch Reststoffe einsetzen“, fasst Siemer zusammen. Außerdem verzichtet er auf die Güllevergärung, um einen hochkonzentrierten Gärrest zu erhalten. „Diesen können wir besser in Ackerbauregionen vermarkten, während wir die Gülle vor Ort ausbringen“, erläutert er.


Doch der Umstieg gestaltete sich nicht einfach, es gab viele Probleme:


  • Der ursprüngliche Flüssigeintrag der Ursprungsanlage verstopfte schon bei kleinen Anteilen von Mist in der Ration, obwohl Siemer diesen mit einem Miststreuer geschreddert hatte.
  • Die Pumpen fielen reihenweise aus, weil das Substrat im Fermenter mit bis zu 15 % TS viel zu dick wurde und die Viskosität extrem anstieg.
  • Selbst neue Tauchmotorrührwerke liefen heiß, weil sich Fasern um die Motoren wickelten und so die Kühlung versagte. Der Hersteller verweigerte die Gewährleistung, weil der Rohstoffmix angeblich „ungeeignet“ wäre.
  • Die Rührwerke waren so sehr überfordert, dass sich starke Schwimmschichten im Fermenter gebildet haben. Zweimal musste Siemer den Fermenter ausbaggern lassen. Eine weitere Schwimmschicht ließ sich mit Zugabe eines Fermentationshilfstoffs auflösen.


Darum haben Siemers den Eintrag erneuert. Den alten Schubbodeneintrag nutzen sie jetzt nur noch, um kleine Mengen Mais einzudosieren. Mist, Zwischenfruchtsilage und Maisstroh bringen sie dagegen über einen neuen Dosierer ein, der das Material über große Fräswalzen zu einem Anmaischsystem befördert.


Neue Flüssigfütterung:

Dieses besteht aus dem Feststoffeinbringsystem „Energyjet“ und dem Zerkleinerer „Rotacut“. Im Energyjet werden die Energiepflanzen mit abseparierter Gülle zu einem Brei vermischt. „Der Rotacut ist wichtig, weil er Fremdstoffe abscheidet wie Steine, Schraubenschlüssel und viele andere Störstoffe im Mist“, lautet Siemers Erfahrung. Alle zwei Monate fällt rund 1 m³ an Störstoffen an.


Zum neuen Einbringsystem gehören auch neue Rohrleitungen aus VA-Stahl. „Eine Flüssigfütterung ist eine zukunftsfähige Beschickung“, bestätigt Jens Rückert vom Institut für Anlageneffizienz aus Zerbst (Sachsen-Anhalt), der Familie Siemer bei der Modernisierung mit Tipps unterstützt hat. Denn aus seiner Sicht wird das Material dabei schon vor dem Eintrag gut zerkleinert und vermischt. „Außerdem vermindern sich die Stromkosten nicht selten um 10 %. Zudem gibt es weniger Verschleiß“, erklärt er.


Auch haben viele Betreiber nach der Umrsütung häufig weniger Mais füttern müssen, weil sich die Vergärung und damit die Gasausbeute verbesserten. Auch er hält er eine Störstoffabscheidung für sehr wichtig. Denn Betreiber, die zur Flüssigfütterung nur Rachentrichter-Exzenterschneckenpumpen mit kleinem Störstofffach einsetzen, haben seiner Erfahrung nach erhebliche Probleme mit Störstoffen – vor allem bei der Verarbeitung von Mist und anderen Nebenprodukten.


Stromverbrauch schwankt:

Übersicht 1 fasst drei Einbringsysteme zusammen, bei denen das Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) den Stromverbrauch bis zum Materialaustrag gemessen hat.


Bisher eingesetzte Modelle auf Basis von stationären Futtermischwagen mit Vertikalschnecken durchmischen das Material zwar auch sehr gut. Weil die Behälter heute oft aus Edelstahl sind, verschleißen nur noch die Mischschnecken. Während bei den ersten Modellen nach wenigen Jahren die Behälterwände verschlissen waren, sind die Fabrikate heute aus Edelstahl. „Aber sie haben mit ca. 4,5 kWh/t Substrat einen relativ hohen Stromverbrauch. Auch ist das Vorratsvolumen beschränkt, es sei denn, sie werden mit Schubbodensystemen kombiniert“, ergänzt Rückert.


Bei den Eintragssystemen mit höherem Volumen und ohne Vermischung kommen häufig Schubbodensysteme zum Einsatz. „Allerdings sind diese Systeme sehr verschleißanfällig. Auch kann es zu Brüchen beim Schubboden kommen“, weiß der Berater. Verschleiß und Deformation der Schubelemente erhöhen auch den Strombedarf.


Auch bei Abschiebesystemen, die das Material mittels Schild zu den Fräswalzen pressen, kann es vereinzelt zu Schubstangenbrüchen kommen. Der Pressvorgang „entsaftet“ zudem das Inputmaterial, sodass der Betreiber das Presswasser separat erfassen muss.


Weniger Strom verbraucht dagegen das Kratzkettensystem. Es fördert das eingefüllte Material als Block zu den Fräswalzen. „Damit werden eingetragene Schichten gleichmäßig abgefräst und als Mischung in Fermenter oder Vorgrube eingetragen“, hat der Berater im Laufe der letzten zehn Jahre festgestellt. Seiner Erfahrung nach hat sich das System bei schwierigen Rohstoffen wie Mist, Gras und Rüben bewährt. Das veränderte Eintragssystem hat im Betrieb Siemer schon eine Verbesserung gegenüber früher gebracht, ist für ihn aber noch nicht das Optimum. „Nach zwei Jahren haben wir einen relativ hohen Stromverbrauch festgestellt“, erklärt Siemer.


Dies ist sehr stark von den Inputstoffen abhängig. „Trockene, faserige Rohstoffe brauchen einfach mehr Energie für die Zerkleinerung, dafür sind die Rohstoffpreise in der Regel günstiger“, erklärt Rückert.


Auch hat das Eintragssystem die Rührfähigkeit im Behälter nicht verbessert. Besser wird es, wenn Lieferanten das Stroh kurz schneiden. „Mist ist ein günstiges Substrat, aber wenn man die Anlage erst für rund 500000 € technisch anpassen muss, wird es teuer“, fasst Siemer zusammen.


Drei Paddelrührwerke:

Als zweite Maßnahme erneuerte Siemer daher auch die Rührwerke im Fermenter. „So wie Familie Siemer merken viele Betreiber nach etwa sieben bis zehn Jahren, dass eine Erneuerung der Rührwerke ansteht“, sagt Rückert. Der Landwirt entschied sich für drei langachsige Paddelrührwerke mit je zwei 2,65 m großen Propellern, die schräg in den Fermenter eingebaut wurden. Sie haben einschließlich der drei Kernbohrungen durch die Behälterwand und Einbau rund 60000 € gekostet.


Eine Messung hat ergeben, dass die neuen Rührwerke nur 20 Ampere (A) aufnehmen. Die Tauchmotorrührwerken hatten eine Stromaufnahme von 40 A. Wegen des geringeren Stromverbrauchs und der Verkürzung der Rührzeiten spart er mit den drei Paddelrührwerken rund 80 % der Stromkosten für die Fermenterrührwerke ein.


„In der Vergangenheit haben viele Hersteller schnell laufende Tauchmotorrührwerke (TMR) mit einer Drehzahl von über 200 Umdrehungen pro Minute (U/min) eingesetzt. Bei diesen entstehen aber die mit Abstand größten Betriebskosten und Ausfälle, hat sich gezeigt. Typische Schäden, die nach seiner Erfahrung für 70 % der Rührwerksausfälle verantwortlich waren, sind:


  • Seilrisse an TMR,
  • Kabelschäden im Fermenter zur Versorgung der Rührwerke,
  • Verschleiß der Propeller.


Genau wie der Maschinenbruch-versicherer R + V hält Rückert bei der Erneuerung folgendes für sinnvoll:


  • Ein außenliegender Rührwerksantrieb ermöglicht die Wartung oder einen Antriebstausch, ohne den Fermenter zu öffnen. Das reduziert die Kosten, weil der Fermenterbetrieb nicht mehr unterbrochen wird.
  • Wichtig ist die Wahl von Rührwerken mit Standzeiten von sechs bis acht Jahren. Auch sollten gasumspülte Teile im Fermenter aus Edelstahl (V4A) bestehen.
  • Leistung, Wellendurchmesser und Anzahl der Rührwerke sollten in Abhängigkeit der Fementergröße und Substratviskosität richtig dimensioniert sein. Rückert rät dabei zu einem Fermenterrührwerk mit hoher Umwälzleistung und wenig Strombedarf. „Der Antrieb sollte mindestens 10 kW aufweisen“, lautet seine Erfahrung. Auch sollte er Leistungsreserven beim Wellendurchmesser haben, um auch mit schwankenden Viskositäten bis zu einem TS-Gehalt von 14 % zurechtzukommen. Die Welle sollte zudem über eine Scherbolzenkupplung geschützt sein.


Langsamläufer sparen:

„Langsam laufende Rührwerke wie bei der Anlage von Familie Siemer sind klare Kostensparer“, erklärt der Berater. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Umrüstung auf sichere und sparsame Beschickungs- und Rührwerkstechnik wie im Fall der Anlage Siemer hohe Einsparungen bringen kann. Allein die Umstellung von schnell laufenden Tauchmotorrührwerken auf die Paddelrührwerke kann bei einem Substrat-mix wie in der Biogasanlage Siemer jährlich bis zu 70000 € an Stromkosten einsparen.


Rückert fasst zusammen: „Unseren Auswertungen nach hat sich in vielen Anlagen die Kombination aus Kratzkettenförderer, Flüssigfütterung und langsam laufendem Paddelrührwerk als sehr sparsam und sicher erwiesen.“


Hinrich Neumann

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