Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Sieben auf einen Streich

Lesezeit: 8 Minuten

Wenn sich mehrere Biogasanlagen zusammenschließen, können sie sehr günstig gemeinsam Biomethan herstellen. In Bitburg zeigen sieben Anlagen, wie das funktionieren kann.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Noch vier Jahre lang produziert die Biogasanlage „BOSZ Bioenergie“ aus Freilingen bei Bitburg Strom im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Doch wie geht es dann weiter? Lohnt es sich heute noch, in Ersatz zu investieren? „Wir haben jetzt eine Antwort gefunden: Wir verkaufen künftig Rohgas statt Strom“, sagt Geschäftsführer Reinhard Schmalen, der die Anlage mit vier anderen Partnern betreibt.


Das Gas speist er in eine 45 km lange Rohgasleitung ein, die eigens zu diesem Zweck gebaut wurde. Daran angeschlossen sind sechs weitere Biogasanlagen.


Die Planungen zu dem deutschlandweit einzigartigen Projekt liefen sieben Jahre lang. Im Jahr 2013 gab es noch keine Anschlussregelung für Biogasanlagen. Nach damaligem Stand hätte es nach Auslaufen der EEG-Vergütung nur den Börsenstrompreis von 2 bis 3 ct/kWh gegeben. „Das wäre nicht wirtschaftlich gewesen. Wir wollten aber einen Weg finden, damit die Anlagen nicht wieder stillgelegt werden“, sagt Wolfgang François, Geschäftsführer des Entsorgungsbetriebes Luzia François aus Rittersdorf bei Bitburg und selbst Betreiber eine Biogasanlage.


Das Konzept


Darum regten die Stadtwerke Trier an, das Gas zu sammeln, es gemeinsam an einer zentralen Stelle aufzubereiten und ins Gasnetz einzuspeisen. Die Umsetzung war ein mehrjähriger Kraftakt. Heute sieht das Konzept so aus:


  • Zentrale Gesellschaft ist die neu gegründete Biogaspartner Bitburg GmbH mit Wolfgang François und Andreas Balsam als Geschäftsführer.
  • Daran beteiligt sind mit 51% die Stadtwerke Trier Versorgungs-GmbH, mit 34% der Entsorgungsbetrieb Luzia François und mit 15% der Wasserversorger Kommunale Netze Eifel (KNE).
  • Die Biogaspartner GmbH hat die Genehmigung für die 45 km Rohgasleitung beantragt und die Ausschreibung für die Komponenten übernommen.
  • An die Leitung sind sieben Biogasanlagen angeschlossen.
  • Auf jeder Anlage gibt es eine Übergabestation mit Entschwefelung und Entfeuchtung des Rohbiogases. Diese Investition hat die Biogaspartner-Gesellschaft übernommen. Die Kosten für die Leitung vom Fermenter zur Übergabestation tragen die Landwirte.
  • Die Aufbereitungsanlage steht heute auf dem ehemaligen Militärflugplatz in Bitburg.
  • Das Rohbiogas wird zunächst in einem 5300 m3 großen Gasspeicher gesammelt. Er dient nicht nur als Puffer für die schwankende Produktion der sieben Anlagen, sondern homogenisiert das Gas aus den unterschiedlichen Anlagen. Anschließend wird es per Druckwechselabsorption zu Biomethan aufbereitet und ins Gasnetz der Stadtwerke Trier eingespeist.
  • Die Biogaspartner Bitburg kaufen das Rohgas von den Landwirten, bereiten es auf und vermarkten es zu einem höheren Preis an die Stadtwerke Trier.


Die Aufbereitungstechnik


Beim Aufbereitungsverfahren haben sich die Biogaspartner an den Betriebskosten orientiert, die in 15 Jahren anfallen, weniger an den reinen Investitionskosten. „Wir haben uns dann für die Druckwechseladsorption entschieden, weil wir damit bei uns die günstigsten Wartungs- und Energiekosten erwarten“, sagt François. Das Gas wird mit 3 bar Druck eingespeist, daher ist es von Vorteil, dass die Aufbereitung bereits mit ca. 4 bar arbeitet.


Bei diesem Verfahren wird das Gasgemisch physikalisch getrennt. Unter dem Druck bindet sich CO2 schneller als Methan an einen Festkörper, z.B. an ein Molekularsieb.


Im Februar 2020 ist die Aufbereitungsanlage in den Probebetrieb gegangen, im Juni 2020 war die letzte Biogasanlage angeschlossen.


Die Kosten


Die gesamten Baukosten von rund 15 Mio. € teilen sich so auf:


  • 5,3 Mio. € hat die 45 km lange Rohgasleitung gekostet. Sie wurde zu 30% von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert. Die Partner haben für mehr Reserve einen größeren Durchmesser gewählt. Außerdem wurden in die Gräben Glasfaserkabel und Wasserleitungen verlegt.
  • Weitere 1,8 Mio. € verursachten die sieben Übergabestationen mit Verdichter, Gaskühlung, Aktivkohlefilter, Gasmengen- und Qualitätsmessung.
  • Die Biogasaufbereitungsanlage mit Druckwechseladsorption und einer Kapazität von 1800 m3/h hat einschließlich Rohgasspeicher mit 5300 m3 weitere 4,0 Mio. € gekostet.
  • Für die Einspeiseanlage mit Propangastank und anderen Komponenten hat die SWT Versorgungs-GmbH noch einmal 2,1 Mio. € investiert. Dazu kamen 1,3 Mio. € für eine Verbindungsleitung zwischen den Bitburger Gasnetzen.


Die Rohgasproduktion


Die Anlagenbetreiber haben sich verpflichtet, mindestens 15 Jahre lang Rohbiogas zu liefern. Der Preis dafür, der nicht öffentlich genannt werden soll, orientiert sich u.a. an der EEG-Vergütung und steigt ab 2023 an. Wer mehr liefert als vereinbart, bekommt einen Bonus.


Aktuell speisen die Anlagen pro Stunde gemeinsam 1000 m3 Rohbiogas in die Sammelleitung ein. Damit ist die Aufbereitungsanlage mit ihrer Kapazität von 1800 m3 Rohbiogas pro Stunde nicht ganz ausgelastet. „Die Betreiber erhalten aber alle noch die EEG-Vergütung. Darum geben sie momentan nur die Gasmenge ab, die sie nicht für die Stromproduktion benötigen“, sagt François.


Ab dem Jahr 2021 fällt die erste Anlage aus dem EEG, die letzte im Jahr 2027. Dann können die Betreiber die gleiche Gasmenge wie bisher produzieren, sie aber komplett an die Biogaspartner Bitburg abgeben. Gleichzeitig sind sie flexibel: Denn die BHKW bleiben auf allen Anlagen erhalten. „Die Betreiber können dann bei Bedarf auch Strom außerhalb des EEG zu Hochpreiszeiten vermarkten. Wir wissen ja nicht, wie sich der Strommarkt in Zukunft entwickeln wird“, sagt François. Die BHKW sind zudem nötig, um die Behälter zu beheizen.


Die Betreiber können außerdem entscheiden, ob sie z.B. im Sommer mehr Rohgas abgeben wollen. Dann könnten sie im Winter mit den BHKW neben dem Strom auch mehr Wärme produzieren. Ein weiterer Vorteil: Sie können weiter Gas produzieren und abgeben, auch wenn das BHKW bei einer Störung oder während der Wartung stillsteht. „Die Schwankungen auf der Rohgasseite puffern wir mit dem großen Speicher in Bitburg ab“, sagt François. Damit kann die Aufbereitungsanlage konstant mit Gas beliefert werden – ein wichtiges Kriterium für eine effiziente und damit wirtschaftliche Betriebsweise.


Auch die BOSZ Bioenergie hat diese Überlegungen angestellt. „Wir wollen uns nicht auf die Gasproduktion beschränken, sondern haben vor zwei Jahren ein zweites BHKW für die flexible Stromproduktion dazu gebaut“, erklärt Schmalen. Die Anlage hat jetzt eine installierte Leistung von 1260 kW, ist also doppelt überbaut. Schmalen will nach Auslaufen der EEG-Vergütung im Jahr 2024 am Ausschreibungsverfahren teilnehmen, um die zehnjährige Anschlussvergütung zu erhalten. „Wir werden dann auch weiter Strom produzieren, das Hauptaugenmerk aber auf die Gasproduktion legen“, sagt er. Heute gibt die BOSZ täglich 125 m3 Rohgas an die Biogaspartner Bitburg ab. Hierfür setzt er mehr energiereiche Substrate ein, um die Gasproduktion zu erhöhen. Dazu gehören neben Mais auch Hähnchenmist.


Gute Arbeitsteilung


Auf diese Weise kann jeder der sieben Betreiber für sich die lukrativste Variante wählen. „Diese Freiheit haben wir den Betreibern im Liefervertrag gelassen“, erklärt François.


Unterm Strich bedeutet das Modell für die Anlagenbetreiber viele Vorteile:


  • Die Arbeitsteilung sorgt dafür, dass jeder das tut, was er am besten kann: Die Landwirte produzieren Energiepflanzen und das Biogas, die Gesellschaft „Biogaspartner Bitburg“ kümmert sich um die Gasaufbereitung, die Stadtwerke Trier um die Vermarktung. Alle sind Partner „auf Augenhöhe“.
  • Den Anlagenbetreibern stehen wegen der Partnerschaft mit den Stadtwerken verschiedene Märkte offen wie der Strom-, Wärme- oder Kraftstoffverkauf.
  • Sie haben schon vor Ablauf der ersten EEG-Förderperiode eine Anschlusslösung und sind flexibel bei der Wahl des Zukunftskonzepts.
  • Mit der Gemeinschaft können sie viele Synergieeffekte heben wie z.B. den gemeinsamen Einkauf von Strom zum Betrieb der Anlagen oder von Aktivkohle. Ein zusätzlicher Vorteil ist der Austausch über gesetzliche Änderungen oder neue Vermarktungswege.


Die Gasvermarktung


Das eingespeiste Biomethan reicht rechnerisch aus, um rund 40% des Erdgasbedarfs der benachbarten Stadt Bitburg abzudecken. Das Gas nutzen die Stadtwerke vor allem in ihren BHKW. Das funktioniert so: De facto werden die BHKW mit Erdgas betrieben. Die Stadtwerke weisen aber per Zertifikat nach, dass sie die für die Stromproduktion benötigte Biomethanmenge gekauft haben, die in diesem Fall von den Biogaspartnern Bitburg eingespeist wurde. Darum erhalten die Stadtwerke für den Strom eine Vergütung nach dem EEG. Diese läuft noch bis zum Jahr 2032. Das bedeutet für die Biogaspartner Bitburg für die nächsten zwölf Jahre eine gesicherte Abnahme.


Eine neue Vermarktungsschiene ist seit Mitte 2020 der Verkauf von Ökogas. Hierzu bietet die Vertriebstochter „Landwerke Eifel“ das „Landgas Eifel“ für private und gewerbliche Erdgasabnehmer an. Die Kunden können dabei freiwillig festlegen, wie hoch der Biomethananteil im Gasmix sein soll und zahlen einen entsprechenden Mehrpreis. „Dieses Regio-Gas ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für uns. Wir wollen es im nächsten Jahr auch unseren Kunden in der Stadt Trier anbieten“, sagt Carsten Grasmück, Sprecher der Stadtwerke Trier.


Eine dritte Option ist die Vermarktung als Kraftstoff für den Schwerlastverkehr, z.B. für Busse oder für Lkw bei Speditionen. (Weitere Infos lesen Sie im Interview ab Seite 10).


Inwieweit die Landwirte künftig angeregt werden, verstärkt auf Güllevergärung umzustellen, weil sich damit mehr THG-Quoten erzeugen und verkaufen lassen, ist noch offen.


Eine weitere Zukunftsoption könnte die Power-to-Gas-Technologie sein. Denn damit ließe sich Wasserstoff erzeugen, der mit dem Kohlendioxid aus der Gasaufbereitung zu Methan verbunden werden könnte. „Die Aufbereitungsanlage ist aber erst seit Juni 2020 im Regelbetrieb. Wir wollen jetzt zunächst Erfahrungen mit dem System sammeln, bevor wir den nächsten Schritt tun“, sagt François. ▶


hinrich.neumann@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.