Der Energiepark Hahnennest aus Baden-Württemberg verspricht sich vom Einsatz der Silphie-Faser in der Papierherstellung ein neues Geschäftsfeld. Bundesweit werden Partnerbetriebe gesucht.
In Kürze dürfte es endlich soweit sein: Die Lebensmittelkette Kaufland wird erstmals Gemüse in einer neuartigen Kartonage aus Silphie-Fasern anbieten. Damit geht am Energiepark Hahnennest in Ostrach (Lkr. Sigmaringen) eine rund einjährige Pilotphase zur Herstellung von Fasern der Durchwachsenen Silphie für die Papierproduktion zu Ende. „Jetzt starten wir damit in den Vollbetrieb“, sagt Geschäftsführer Thomas Metzler.
So funktioniert die Technik
Vollbetrieb heißt, dass das Unternehmen mittels seinen zwei neu installierten Dampfdruckkochtöpfen aus etwa 40000 t Silphie-Frischmasse im Jahr rund 7500 t Faser erzeugt. Die Papierindustrie verarbeitet diese anschließend zu Lebensmittelverpackungen oder zu Faltschachteln für Kosmetik. „Silphie liefert im Gegensatz zu Gras sehr homogene, reißfeste Fasern, die sich von der Industrie gut verarbeiten lassen. Zusätzlich können wir bei Silphie mit dem Humusaufbau und der regionalen Erzeugung punkten“, so Metzler. Erst vor kurzem habe das Unternehmen CarboCert, das Humuszertifikate ausgibt, dem Silphie-Anbau eine CO2-Kompensation von durchschnittlich 6,12 t pro Hektar und Jahr bestätigt.
Für die Fasergewinnung gelangt Silphie gehäckselt oder als Silage in einen Dosierbehälter und von dort in ein Fördersystem mit Schnecke, in dem sie vorgewärmt wird (siehe Übersicht). Im Dampfdrucktopf selbst erfolgt mittels Thermoöl eine Erhitzung auf 150 bis 180°C bei einem Druck von 8 bar. Als Energiequellen können Erdgas oder Abgas aus dem Blockheizkraftwerk dienen. Ein schneller Druckabfall führt dann zum Zerreißen der Pflanzenzellen, sodass die Fasern separiert werden können. Übrig bleibt ein Filtrat aus Zucker, Lignin und anderem organischen Material, das in die Biogasanlage wandert. Um wieviel die Methanausbeute nach dem Entzug der Faser im Schnitt sinkt, wird an der Universität Hohenheim aktuell untersucht.
Schlagkräftige Partner
Für das neue Geschäftsfeld hat der Energiepark Hahnennest die OutNature GmbH an seiner Seite, die wie die Ketten Kaufland und Lidl, zur Schwarz Gruppe gehört. „Wir wollen insbesondere bei Lebensmittelverpackungen eine nachhaltige Alternative zu den derzeit am Markt befindlichen Verpackungen schaffen“, erklärt Julian Pflieger von OutNature. Die gesamte Branche zeige ernsthaftes Interesse am Thema, man sei mit einigen großen Firmen im Gespräch. Mit im Boot ist auch die Papierfabrik Silphie Paper in Lenningen, die sich im Auftrag von OutNature um die Papierentwicklung kümmert. In einem eigens gegründeten Joint Venture sorgt künftig die „Agrar Innovation Hahnennest“ für die nötigen Flächen und den Anbau der Silphie, OutNature für den Absatz der Faser. Für die Planung und Betreuung der Faseranlagen sind beide gemeinsam zuständig.
Weitere Betriebe gesucht
Die Initiatoren rechnen mittelfristig mit einem deutlichen Anstieg des Faserbedarfs. Daher suchen sie bundesweit weitere Biogasbetriebe, die Silphie für die Fasergewinnung anbauen oder sich sogar eine eigene Anlage vorstellen können. Dafür infrage kämen vor allem Höfe, deren EEG-Förderung ausläuft. Zu den Kosten und den Möglichkeiten der Finanzierung halten sich die Pioniere bedeckt: „Wir planen ein Modell, an dem sich der Landwirt finanziell beteiligen kann. Fest steht aber schon heute, dass sich die Faserproduktion für den Betrieb rechnet“, sagt Metzler.
Man plane Lieferverträge mit zehnjähriger Laufzeit und Festpreisen. Die Abnahme sei garantiert. Außerdem sei ein Mehrerlös über den Erwerb von CarboCert-Humuszertifikaten in Höhe von 30 € pro t CO2 möglich. In Baden-Württemberg können Faseranlagen seit kurzem zudem über das Förderprogramm BIPL BW Invest mit maximal 1 Mio. € oder 45% gefördert werden.
Voraussetzung für die Auslastung einer Anlage mit einem Dampfdrucktopf sind – je nach Ertragsniveau – etwa 400 ha Silphie. Die Entfernung zu einer Papierfabrik sollte allerdings nicht zu groß sein. Besondere Fachkenntnisse seien für den Betrieb nicht erforderlich, eine AK reiche aus. Thomas Metzler ist sich sicher: „Wir stehen am Anfang einer Erfolgsgeschichte. Die Ökobilanz, die wir gerade erstellen, wird weitere schlagende Argumente für die Silphie-Faser liefern.“
silvia.lehnert@topagrar.com