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So rechnet die Politik Biokraftstoffe schlecht

Lesezeit: 7 Minuten

Biokraftstoffe wie Biodiesel oder Rapsöl haben eine schlechtere Klimabilanz als Diesel, kritisiert das BMU. Analysen zeigen aber, dass die Politiker dabei die Futtermittelproduktion außer Acht lassen.


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Nach Ansicht des Bundesumweltministeriums verursachen Biokraftstoffe dreifachen Schaden: Für die Ernährung, da wertvolle Ackerflächen verloren gingen, für die Natur, die durch Regenwaldrodung und Monokulturen zerstört werde und sogar für das Klima. „Denn herkömmlicher Biosprit stößt in der Summe oft deutlich mehr Treibhausgase aus als Benzin und Diesel“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze und bezieht sich auf das Gutachten zur „Landwende im Anthropozän“. Dieses hatte der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) erstellt. Schulze setzt statt auf Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse auf Abfall- und Reststoffe wie Gülle und Altspeiseöle sowie auf Kraftstoffe auf Basis von Wind- und Solarstrom, zu denen „es keine effizienteren Alternativen gibt“.


Laut Gutachten hätten der verbreitete Einsatz von billigem Palmöl in verschiedenen Industriezweigen in der EU bzw. in Deutschland sowie die Förderung der Bioenergie inklusive der Biokraftstoffe zu Entwaldung, Wasserverknappung und steigenden Lebensmittelpreisen in Entwicklungs- und Schwellenländern beigetragen. Doch die Wissenschaftler schränken ein: Es gäbe unvermeidbare CO2-Emissionen, die bei der energetischen Verwendung fossiler Rohstoffe, bei der Zementherstellung und in Verarbeitungsprozessen entstehen, bei denen fossile Ausgangsstoffe z.B. zur Produktion von Kunststoffen oder Stickstoffdünger eingesetzt werden. Darum sei der Einsatz von Biomasse zur Reduktion der CO2-Emissionen und zur Kohlenstoffbindung unumgänglich.


Die inzwischen vorgeschriebenen Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe heben die Autoren ausdrücklich als positiv hervor und betonen, dass sie auch auf andere Biomasseproduktionen ausgeweitet werden sollten.


Pauschalurteil in der Kritik


Schulz Äußerungen zur schlechten Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen stoßen in der Branche auf Widerstand. „Das geht an der Realität komplett vorbei. Biodiesel aus Rapsöl stößt knapp 70% weniger Treibhausgase aus als fossile Kraftstoffe“, erklärt Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB).


Zudem entstünde bei der Produktion eiweißreiches Tierfuttermittel, das sonst aus anderen Weltteilen importiert werden müsste. „Der WBGU zeigt auf, dass Landwirte auf 60% der Weltagrarflächen Futtermittel anbauen, während sie 2% für Biokraftstoffe nutzen“, sagt Baumann. Entsprechend hält er die immer wieder vorgebrachten Vorwürfe, Biokraftstoffe würden Hunger auf der Welt verursachen, für nicht haltbar. „Hunger hat ganz andere Ursachen, über die sich das BMU ausschweigt: Bürgerkrieg, Korruption, Armut und Naturkatastrophen.“


Die Tatsache, dass sowohl bei der Rapsöl- als auch bei der Bioethanolproduktion Futtermittel entstehen, blendet nicht nur das BMU aus. Auch auf EU-Ebene spielt es anscheinend keine Rolle. Darum wird z.B. die Treibhausgas (THG)-Bilanz von Rapsölkraftstoff deutlich schlechter bewertet, als sie tatsächlich ist. Das zeigt eine Analyse des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) aus dem bayerischen Straubing.


Falsches Rechenmodell


Die Bewertung der THG-Emissionen von Biokraftstoffen nach den Vorgaben der EU beruht auf der sogenannten Allokationsmethode. „Bei dieser werden zwar auch Koppelprodukte der Kraftstoffproduktion wie Rapspresskuchen berücksichtig – allerdings nur über deren Heizwert“, erklärt die Wissenschaftlerin Dr. Daniela Dressler vom TFZ.


Die Alternative, die die EU in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED) für die Bewertung von politischen Maßnahmen empfiehlt, ist die Substitutionsmethode. „Bei dieser wird das Koppelprodukt Rapspresskuchen oder Rapsextraktionsschrot auch als das bewertet was es ist – als Futtermittel“, sagt Dressler.


Die Auswirkungen der unterschiedlichen Berechnung wird beim Entwurf zu dem Gesetz deutlich, mit dem die Bundesregierung die RED II in nationales Recht umsetzen will. Danach könnten Biokraftstoffe bis zum Jahr 2030 aus dem Markt gedrängt werden, was auch einen deutlichen Rückgang des Rapsanbaus in Deutschland zur Folge hätte. „Mir fehlt eine Bewertung, woher die Futtermittel stammen sollen, wenn in der EU kein Rapsöl mehr produziert wird“, betont Dressler.


In diesem Fall würde kaum noch gentechnikfreier Rapspresskuchen anfallen. Um dies auszugleichen, könnte beispielsweise vermehrt Sojaschrot als Ersatz importiert werden – sofern dieser gentechnikfrei produziert wird.


Emissionen von Sojaimporten


Da Sojaschrot aus Nord- und Südamerika, den Hauptimportländern der EU, durchschnittlich 13,5 kg CO2-Äquivalente pro kg verdauliches Eiweiß verursacht, Rapspresskuchen dagegen nur 4,5 kg, würde der vollständige Ersatz allein in Deutschland zu mehr Emissionen von 15,3 Mio. t CO2 führen. „Doch bisher werden die THG-Emissionen von importierten Futtermitteln auf das nationale THG-Inventar, auf die sich die nationalen Minderungsziele beziehen, überhaupt nicht angerechnet“, kritisiert die Wissenschaftlerin.


Ähnlich wie der WBGU bemängelt auch die EU bei Biokraftstoffen indirekte Landnutzungsänderungen. Diese liegen vor, wenn z.B. wegen des Anbaus von Raps in der EU Flächen für die Produktion von Nahrungsmitteln fehlen und diese stattdessen in Südamerika auf Regenwaldflächen angebaut werden. Das würde zu mehr Emissionen führen. Ob es diesen Effekt tatsächlich gibt, ist seit Jahren unter Wissenschaftlern umstritten. Trotzdem werden die Emissionen aus indirekten Landnutzungsänderungen in der öffentlichen Diskussion oft pauschal heimischen Biokraftstoffen angelastet.


Dressler hat die THG-Emissionen der dezentralen Rapsölkraftstoffproduktion in Bayern berechnet. Nach der Allokationsmethode, also bei Berücksichtigung der Futtermittel über deren Heizwert, kommt der Kraftstoff auf eine Reduktion von 64,5% im Vergleich zum fossilen Referenzwert, den die EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien definiert hat (siehe Übersicht). Berücksichtigt man dagegen die Produktion von Futtermitteln, die Sojaimporte aus Südamerika ersetzen, liegt die THG-Bilanz bei minus 59%.


Rechnet man die Landnutzungsänderung beim Rapsanbau hinzu, wäre die THG-Bilanz (brutto) in der Tat schlechter als die von fossilem Diesel.


Ganz anders sieht es aus, wenn man diesen Effekt auch bei den Sojaimporten ansetzt. „Die Gutschrift für vermiedene Landnutzungsänderungen sind so immens, dass sich insgesamt eine um 120% geringere THG-Bilanz ergibt“, rechnet Dressler vor. Diese lässt sich auf 127% verbessern, wenn man noch den Vorfruchtwert von Raps berücksichtigt, der zu weniger Mineraldüngereinsatz führen kann. „Genau diese Berechnungsgrundlage findet man nicht einmal ansatzweise in der RED zur Bewertung von heimischer Anbaubiomasse“, kritisiert Dressler.


Darum plädiert sie dafür, die Substitutionsmethode anzuwenden, um die THG-Minderungsleistung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse zu bewerten: „Ansonsten erhöhen wir die Eiweißlücke in der EU, anstatt sie zu verkleinern.“


Steuerermäßigung bleibt


Für die deutschen Landwirte dagegen wurde in letzter Minute ein Damoklesschwert abgewendet: Die EU hat die Steuerermäßigung für Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft für 2021 verlängert. Würde die Energiesteuer auf Rapsöl erhoben, hätte sich der Liter um 45 ct verteuert, was den Kraftstoff gegenüber Diesel wirtschaftlich noch weiter verschlechtert hätte.


Ein Rückschlag aus Sicht der Erzeuger ist, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium im Förderprogramm ‚Erneuerbare Energien in der Landwirtschaft‘ die Verwendung von Rapsölkraftstoff an die Bedingung knüpft, dass diese Menge auf den betrieblichen Kraftstoffbedarf beschränkt ist und zudem auf dem Betrieb hergestellt wird. „Das ist so nicht umsetzbar“, kritisiert Dieter Bockey von der UFOP. Hier seien flexiblere Lösungen gefragt, die die noch bestehenden regionalen Kleinpressanlagen einschließt – auch im Hinblick auf eine regionale Verwendung des Rapskuchens.


Da der Biokraftstoffmarkt der mit Abstand wichtigste Absatzweg für Raps in Deutschland ist, fasst VDB-Geschäftsführer Baumann die möglichen Folgen einer Abkehr von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse so zusammen: „Weniger Raps auf dem Acker bedeutet weniger Vielfalt, weniger Nahrung für Bienen, engere Fruchtfolgen, weniger heimisches Futtermittel und weniger gesundes Rapsöl für die menschliche Ernährung.“


Zudem haben Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse im Jahr 2020 nach VDB-Berechnung rund 12 Mio. t CO2 eingespart, die Deutschland beim Erreichen der Klimaziele für das Jahr 2030 fehlen würden.


hinrich.neumann@topagrar.com

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