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Solarparks im Einklang mit der Natur – geht das?

Lesezeit: 7 Minuten

Der Boom bei Freiflächen-Solaranlagen könnte zu den gleichen Akzeptanzproblemen führen wie bei der Windkraft. Projektierer und Verbände suchen daher den Schulterschluss mit Landwirten und Naturschützern.


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Da braut sich ein mächtiger Sturm zusammen“, beschreibt der unabhängige Solar- und Windparkplaner Sönke Klüver aus Kronprinzenkoog (Schleswig-Holstein) die aktuelle Stimmung auf dem Solarmarkt. Gemeint ist der boomende Bau von Solarparks. Die Technik ist beliebt, weil sich damit Strom für unter 4 ct/kWh produzieren lässt. Das ist konkurrenzfähig zu Kohle- und Atomkraftstrom. „Zugleich suchen viele Industriebetriebe grünen Strom, um sich ökologischer auszurichten“, erklärt Klüver.


Mehr förderfreie Anlagen


Bislang schreibt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor, dass nur die Anlagen eine Einspeisevergütung erhalten, die auf einem 110 m breiten Streifen beidseits von Autobahnen und Bahndämmen oder aber auf Militär- oder Industrie-Brachen gebaut werden.


Wenn Betreiber von Freiflächenanlagen den Strom aber jetzt ohne staatliche Unterstützung direkt an BMW, Aldi, RWE & Co. verkaufen, sind sie nicht mehr an diese Auflagen gebunden. Darum entstehen immer mehr Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen außerhalb der EEG-Kulisse.


Mit einem derartigen Boom hat die Branche bereits schlechte Erfahrung gemacht: Im Jahr 2009 hatte sich die Zahl von Parks auf Ackerflächen so erhöht, dass der Gesetzgeber kurzfristig das EEG änderte, die Vergütung kürzte und den Bau massiv einschränkte.


Momentan ist das nicht zu befürchten. Denn der Gesetzgeber selbst will mit der EEG-Novelle 2021 den Streifen entlang von Autobahnen und Schienen sogar auf 220 m verdoppeln, um Freiflächenanlagen mehr Raum zu geben.


Trotzdem fürchtet die Branche einen Imageschaden bei Bürgern, aber auch in der Landwirtschaft. Denn während viele Betriebe von Pachteinnahmen profitieren, kritisieren Verbandsvertreter die Versiegelung wertvoller Flächen, die für die Nahrungs- und Futtermittelerzeugung verloren gehen würden. So sieht der Deutsche Bauernverband die Ausweitung auf 220 m als „große Fehlsteuerung zu Lasten von Landwirtschaft und Landschaftsschutz.“


Checkliste für gute Planung


Um der Kritik rechtzeitig zu begegnen, hat der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) eine Checkliste „Gute Planung“ erarbeitet. Sie soll sicherstellen, dass PV-Freiflächenanlagen einen „positiven Beitrag zu Klimaschutz, Biodiversität, Natur- und Umweltschutz sowie der ländlichen Entwicklung leisten“. Die freiwillige Selbstverpflichtung bezieht sich auf folgende Punkte:


  • Umgang mit Gemeinden, Bürgern sowie Landwirten als Flächenbesitzer,
  • Integration einer Photovoltaik-Anlage in die Landschaft,
  • Steigerung der Artenvielfalt,
  • weitere Verpflichtungen zu Planung, Umsetzung und Technik.


Der bne strebt damit beispielsweise an, dass für Solarparks keine Ausgleichsflächen mehr geschaffen werden müssen, sondern der Ausgleich auf der Solarparkfläche selbst geschaffen wird. Hierzu sollen die Flächen, auf denen die Modulreihen stehen, extensiv bewirtschaftet werden.


Solarparks als Inselbiotope


Damit es zu einer „naturschutzfachlichen Aufwertung“ der Flächen kommt, strebt der bne den Bau auf „intensiv genutzten Ackerflächen oder Niedrigertragsstandorten“ an. Landwirte sollen in das Bewirtschaftungskonzept eingebunden werden. „Uns ist wichtig zu betonen, dass es sich bei dem Bau nicht um eine Versiegelung von Flächen handelt“, sagte Bernhard Strohmayer Leiter erneuerbare Energien beim bne.


Das präzisiert Dr. Elke Bruns vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) aus Berlin: „Solarparks versiegeln die Fläche zwar kaum, aber es ist eine dauerhafte Überstellung, die es zu optimieren gilt.“ Aus ihrer Sicht sollten die Modultische so hoch sein, dass es wenig Beeinträchtigung beim Bewuchs darunter gibt. Die Modulreihen sollten zudem mindestens 5 m Abstand haben. Die Kehrseite der Medaille: Weite Modulabstände können den Ertrag eines Solarparks um bis zu 20% gegenüber einer konventionellen Aufständerung senken.


Das KNE fordert, dass der Solarausbau in erster Linie auf Gebäuden stattfinden soll. Gleichwohl geht Bruns davon aus, dass die Nachfrage von Parks zunehmen wird. Denn die im EEG-Entwurf vorgesehene Anhebung der Leistung auf 20 MW und die geplante Erweiterung der vergütungsfähigen Flächen an Autobahnen und Bahntrassen könnten die Entwicklung weiter beflügeln. Zudem werden die Anlagen außerhalb des EEG immer größer. „Erste Projekte nutzen mehr als 100 ha. Das passt nicht in jede Region, weshalb eine gute Planung sehr wichtig ist“, sagt sie. Das KNE begrüßt konkrete Maßnahmen, die dafür sorgen, Solarparkflächen als Inseln für mehr Biodiversität zu entwickeln. Dabei käme es vor allem auf das richtige Pflegekonzept an. „Es darf aber nicht nur eine optische Wirkung mit ein paar Blühpflanzen sein. Wichtig für die Glaubwürdigkeit ist ein Monitoring und damit ein Nachweis der positiven Arten- und Lebensraumentwicklung der Maßnahmen. Das würden auch die Naturschutzverbände begrüßen“, betont sie.


Ideen für mehr Artenvielfalt


In der Tat könnten neu entstehende Solarparks von Beginn an auch Naturschutzaspekte berücksichtigen, unterstreicht auch Biologin Christina Grätz, Geschäftsführerin des naturschutzfachlichen Planungsbüros Nagola Re. Grätz hat in Brandenburg Solarparks bei der fachkundigen Begrünung beraten und begleitet. Anfangs war sie selbst noch skeptisch. „Mittlerweile bin ich überzeugt, dass in Solarparks prinzipiell ein Potenzial zur Aufwertung durch Extensivierung besteht“, sagte sie in einem Fachgespräch des KNE.


Es gebe allerdings vieles zu bedenken: Für Flora und Fauna seien große Modulabstände wichtig, und die Einsaat müsse an jeden Solarpark individuell angepasst werden. Strukturen müssten geschaffen, Nistplätze für Insekten bereitgestellt und offene Bodenstellen zugelassen werden, damit der gesamte Solarpark besiedelt wird. Auch kleine Gewässer, Gehölzstreifen für Fledermäuse oder spezielle Konstruktionen an Trafohäuschen für Vögel oder Fledermäuse könnten angeboten werden. Grätz rät dazu, sich jeweils mit den Naturschützern vor Ort zu beraten, welche Arten in der betreffenden Region bei der Planung berücksichtigt werden sollten, und was das für die individuelle naturverträgliche Gestaltung der Solarparks bedeutet.


Diskussion um Ökopunkte


Aufwind könnten naturverträgliche Solarparks bekommen, wenn sie sogar als Ausgleichsfläche für andere Baumaßnahmen anerkannt werden. „Die Idee ist, dass sich Solarpark-Betreiber eine zusätzliche Aufwertung im Rahmen von Ökokonten anerkennen lassen können“, erklärt Natalie Arnold, Referentin für naturverträgliche Solarenergie am KNE. Diese Maßnahmen sollten nicht nur den eigenen Eingriff ausgleichen, sondern darüber hinaus einen nennenswerten Beitrag zum Naturschutz leisten. Das könnte in einigen Regionen den Flächendruck senken.


Damit Solarparks aber „ökokontofähig“ sind, müsste die Ausgleichsmaßnahme für die Dauer des Eingriffes zur Verfügung stehen, wodurch Nutzung und Gestaltung eines Solarparks aus Sicht der Energieerzeugung eingeschränkt wird.


Unterstützung für Kommunen


Neben der Naturverträglichkeit könnte auch eine finanzielle Beteiligung der Kommunen für mehr Akzeptanz sorgen. In einem offenen Brief an die Bundesregierung haben sich dazu im September 17 Unternehmen aus der Solarbranche dafür ausgesprochen, die Regelungen zur Gewerbesteuer zu ändern. Damit sollen Kommunen stärker von Freiflächenanlagen profitieren.


Aus Sicht der Unternehmen bieten Solarparks neben den ökologischen Vorteilen für Kommunen und ländliche Regionen auch große ökonomische Chancen. Diese müssten auch genutzt werden. Wenn Standortgemeinden – wie im Koalitionsvertrag beschlossen – stärker an der Wertschöpfung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen beteiligt werden, bekämen Kommunen mehr Spielräume für wichtige Investitionen in Kindergärten, Schulen oder bei der Feuerwehr bzw. eine Kompensation für pandemiebedingte Ausfälle.


Die aktuelle Ausgestaltung der Gewerbesteuer führe aber zu oft dazu, dass Standortkommunen leer ausgehen oder erst sehr spät Zahlungen erhalten. Freiwillige Zahlungen an Kommunen wiederum stoßen dagegen auf rechtliche Probleme.


Die Unternehmen appellieren daher an die Politik, den Rechtsrahmen so zu gestalten, dass Zahlungen aus Freiflächenanlagen künftig transparent und rechtssicher an Kommunen geleistet werden dürfen bzw. müssen. Dies könnte über eine novellierte Gewerbesteuer bzw. über weitere Instrumente wie z.B. einer Außenbereichsabgabe oder einer angepassten Konzessionsabgabe geschehen. Auch ein Modell, wie es im Wirtschaftsministerium für die Windenergie geplant ist, wäre zumindest für EEG geförderte Anlagen denkbar, reiche allerdings allein nicht aus. Für förderfreie Anlagen seien andere Instrumentarien nötig.


Die Auflistung der Vorschläge zeigt: Es gibt viele Ansätze, um das Image von Solarparks zu erhalten. Wie sich dieses entwickelt, wird jetzt nicht zuletzt davon abhängen, wie die EEG-Novellierung ausfällt und inwieweit Naturschutzleistungen innerhalb der Parks anerkannt werden.


hinrich.neumann@topagrar.com

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