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Solarwärme heizt ganzem Dorf ein

Lesezeit: 6 Minuten

In Büsingen (Baden-Württemberg) ist das erste Nahwärmenetz in Betrieb gegangen, das im Sommer von einer Solarwärme-Freiflächenanlage versorgt wird. Das Beispiel könnte deutschlandweit Schule machen.


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Büsingen im Landkreis Konstanz (Baden-Württemberg) ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig: Die 1 300-Seelen-Gemeinde ist die einzige deutsche Enklave in der Schweiz. Seit Mai 2013 ist Büsingen zudem das erste Bioenergiedorf Deutschlands mit einer Solarwärme-Freiflächenanlage mit 1 090 m2 Kollektorfläche.


Die Solarwärme soll vor allem im Sommer und in der Übergangszeit genutzt werden. Im Winter heizen dagegen zwei Hackschnitzelkessel. Und wenn zusätzlich Bedarf besteht oder die Holzkessel ausfallen sollten, gibt es als Notlösung noch einen Heizölkessel mit 1 000 Kilowatt (kW).


Die Solar-Holz-Kombination ist bei Bioenergiedörfern ein Novum. „Mit Solarthermie wollen wir uns ein Stück unabhängiger von der knapper werdenden Biomasse machen. Und Holz ist eigentlich zu wertvoll, um damit im Sommer Warmwasser mit niedrigen Temperaturen zu erzeugen“, erklärt Bene Müller, Vorstand der Solarcomplex AG, die die Nahwärmeversorgung in Büsingen geplant und umgesetzt hat.


Da Solarcomplex eine Vollversorgung mit Wärme garantiert, muss ständig warmes Wasser im Netz zur Verfügung stehen. Das verursacht jedoch im Sommer hohe Verluste, weil die Abnahme zu gering ist. In Büsingen schätzt Müller die Wärmeverluste im Netz bezogen auf das ganze Jahr auf rund 15 %.


Vorbild Dänemark:

In anderen Projekten hat Solarcomplex immer die Abwärme aus benachbarten Biogasanlagen eingesetzt (siehe Kasten auf S. 24). In Büsingen war das nicht möglich. Denn in der Enklave gilt das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht, der erzeugte Biogasstrom wäre nicht ausreichend vergütet worden.


So ist die Idee entstanden, Solarwärme zu nutzen. Vorbild dafür war Dänemark. Hier sind laut Müller mehrere 100 000 m2 Kollektorfläche im Freiland errichtet worden.


Gerammte Unterkonstruktion:

An das fünf Kilometer lange Nahwärmenetz in Büsingen sind rund 100 Häuser bzw. 75 % der Wärmeabnehmer angeschlossen, darunter alle kommunalen Gebäude wie Rathaus, Kindergarten und Schulen. Der größte Verbraucher ist eine große Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern, die allein im Jahr 20 000 Liter Heizöl benötigt hat.


Die Kollektoranlage besteht aus Vakuum-Röhrenkollektoren, die auf einer 3 000 m2 großen Fläche rund um die Heizzentrale errichtet sind. Bei der Unterkonstruktion hat sich Solarcomplex auf die Technik gestützt, die sich bei der Photovoltaik in vielen Solarparks bewährt hat: Die Profile sind einen Meter tief in die Erde gerammt. „Wir arbeiten ohne Fundament, damit man die Konstruktion nach einigen Jahren bei Bedarf einfach wieder herausziehen kann“, begründet Müller dieses. Ein Teil der Kollektoren ist zudem auch an der leicht schräg gestellten Südwand der Heizzentrale angebracht.


In den Röhrenkollektoren zirkuliert reines Wasser. Der Vorteil: Das Wasser als Wärmeträger kann direkt in dem Nahwärmenetz und im Heizungskreislauf der angeschlossenen Häuser genutzt werden. Bei dem sonst üblichen Wasser-Glykol-Gemisch ist das nicht möglich, es zirkuliert ausschließlich in den Kollektoren. Die Wärme muss über Wärmetauscher an den Heizungskreislauf übertragen werden, was zu Verlusten führt.


Da es bei der Verwendung von reinem Wasser allerdings keinen Frostschutz gibt, müssen die Kollektoren im Winter mit ca. 5 Grad warmem Wasser durchströmt werden. Das kostet zwar zusätzlich Energie. Aber unterm Strich soll die Energieausbeute aus diesen Kollektoren höher sein als bei anderen Systemen. „Ob das stimmt, werden wir erst nach einigen Betriebsjahren wissen. Aber wir werden zum Vergleich in einem anderen Bioenergiedorf ein Kollektorfeld mit herkömmlichen Flachkollektoren testen“, plant Müller.


Solarwärme hat Vorrang:

Das warme Wasser aus den Kollektoren fließt in zwei parallel geschaltete Pufferspeicher mit jeweils 50 m3 Volumen. Diese werden vorrangig von der Solarwärme erwärmt. Erst wenn die Temperatur in den Speichern unter ein bestimmtes Niveau fällt, werden die Hackschnitzelkessel nacheinander dazugeschaltet – zuerst der kleine, dann der große. „Wir haben bewusst zwei Kessel mit 450 und 900 kW gewählt, damit sie mit einem guten Wirkungsgrad laufen“, begründet Müller diese Konstellation.


Die Holzkessel decken im Jahresschnitt 89 % der benötigten Wärme, die restlichen 11 % übernehmen die Solarkollektoren. In den Monaten Juni, Juli und August soll ausschließlich die Sonne die Wärmeversorgung übernehmen, die Holzkessel stehen still.


Kostenlose Übergabestation:

Die Wärmeversorgung hat insgesamt rund 3,5 Mio. € gekostet. Darin enthalten sind das im Frühjahr 2012 verlegte Nahwärmenetz, die Heizzentrale mit Hackschnitzel- und Ölkesseln sowie das jetzt fertig gestellte Kollektorfeld.


Auf dem Dach der Heizzentrale ist zusätzlich eine Photovoltaikanlage mit 22 kW installiert. Die damit erzeugten rund 20 000 Kilowattstunden (kWh) versorgen Komponenten der Heizzentrale wie Pumpen, Zuführschnecken, Stellmotoren, Steuerung und anderes.


Etwa 50 % der Kosten entfallen auf das Nahwärmenetz und ca. 25 % auf die Heizzentrale. Das letzte Viertel dagegen machen die rund 100 Wärmeübergabestationen und Hausanschlüsse aus.


Die Übernahme dieser Kosten ist sonst nicht üblich, weil das die Investitionssumme weiter erhöht. Allerdings garantiert das einen wesentlich höheren Anschlussgrad, wie die Erfahrung von Solarcomplex zeigt: Bei den bisherigen Bioenergiedörfern haben immer zwischen 75 und 90 % der Wärmeabnehmer einem Anschluss zugestimmt.


Die Wärmeabnehmer zahlen einen Preis von 11 ct/kWh, wobei Solarcomplex garantiert, dass die Wärme immer günstiger als die aus fossiler Energie ist. In dem Wärmeliefervertrag ist eine Preisgleitklausel enthalten, die jeweils zu 50 % an die allgemeine Inflationsrate und an den Hackschnitzelpreis gekoppelt ist. Wenn die Inflation also um 2 % und der Hackschnitzelpreis um 8 % steigen würden, wäre der Durchschnitt eine Preissteigerung von 5 %. Um diesen Betrag kann Solarcomplex den Wärmepreis anheben. „Beide Preissteigerungen lassen sich im Internet nachlesen, sodass sie für die Wärmeabnehmer sehr transparent sind“, erklärt Müller.


Günstige Solarwärme:

Das Kollektorfeld hat inklusive Unterkonstruktion 350 000 € gekostet. „Mit 350 Euro je m2 haben wir die Solarwärmeanlage zu einem sehr günstigen Preis bekommen“, rechnet Müller vor. Begünstigt wurde das dadurch, dass der Hersteller aus Baden-Württemberg aus Prestigegründen im Bodenseeraum eine Großanlage installieren wollte. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich die Sonnenwärme für 5 bis 6 ct/kWh herstellen.


Dazu kommt die Wärme aus den Hackschnitzeln, die (bezogen auf den Brennstoff) 3 bis 3,5 Cent kostet. Müller hofft, dass weitere Großprojekte die Solarwärmeanlagen insgesamt günstiger machen – so, wie es auch bei der Photovoltaik gelaufen ist.


Kein exotisches Einzelprojekt:

Das neue Nahwärmenetz ersetzt in Büsingen rund 400 000 Liter Heizöl. Beim derzeitigen Ölpreis flossen damit bislang rund 330 000 € aus dem Dorf ab, die jetzt in der Region bleiben.


Das Konzept in der Enklave soll für Solarcomplex kein exotischer Einzelfall bleiben, wie Müller betont: „Wir wollen bei künftigen Nahwärmenetzen immer Solarwärme und Holz kombinieren, wenn keine günstige Biogasabwärme zur Verfügung steht. Diese neue Strategie soll für uns der Standardfall werden.“

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