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„Speicherkraftwerke sind Chance für Altanlagen“

Lesezeit: 6 Minuten

Das Ingenieurbüro Energethik aus Osnabrück hat zusammen mit dem Agrarservice Lass aus Schleswig-Holstein ein neues Konzept zur Energieversorgung entwickelt. Wind- und Sonnenstrom werden hierbei über die Bioenergie mit dem Wärmemarkt verbunden.


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Sie setzen gerade in mehreren Projekten die Idee eines „regenerativen Speicherkraftwerks“ um. Was ist das?


Robert Wasser: Wir haben das Konzept zusammen mit der Agrarservice Lass aus Schleswig-Holstein entwickelt. Bei einer flexiblen Biogasanlage kann der Betreiber nicht gleichzeitig Wärme liefern und flexibel auf Strommarktanforderungen reagieren. Mit einem Speicherkraftwerk ist das anders. Es besteht aus einem oder mehreren flexiblen BHKW und einem großen Wärmespeicher. Die BHKW können wir mit Gas aus der Biogasanlage oder mit Biomethan aus dem Gasnetz versorgen. Der Wärmespeicher hat, je nach vorhandenem Platz, Anzahl der Wärmekunden, Wärmemengenbedarf usw. zwischen 1000 und 5000 m3 Volumen.


Welche Vorteile bietet das?


Wasser: Wir können mit dem Speicherkraftwerk günstige Wärme aus industriellen Prozessen oder Wärme aus großen Solarthermieanlagen einbinden. Genauso gibt es Regionen mit viel Wald, in denen dauerhaft günstiges Restholz für Heizwerke anfällt. Mit dem großen Speicher kann man diese Quellen zusammenführen.


Flexible Biogasanlagen sollen mit großen Gasspeichern und BHKW auf die schwankende Produktion von Wind- und Solarstromanlagen reagieren. Wie erreichen Sie das mit Ihrem Konzept?


Wasser: Auch unser Speicherkraftwerk produziert Strom, wenn der Bedarf hoch ist. Wir setzen meistens BHKW mit einer Leistung von 2 MW pro Aggregat ein. Sie sind innerhalb weniger Minuten am Netz. Neben Biogas können wir auch Klär- oder Deponiegas einsetzen. Mit großen Power-to-Heat-Anlagen können wir zudem überschüssigen Strom aus dem Netz nutzen, um über eine Art Tauchsieder Wärme zu produzieren.


Ist das denn wirtschaftlich? Kritiker behaupten, dass Strom zu wertvoll sei, um daraus Wärme zu produzieren.


Wasser: Das ist auch richtig. Aber es gibt beim steigenden Anteil von Wind- und Solarstrom im Netz immer mehr Stunden, in denen es ein Überangebot im Netz gibt. Da Strom im Netz nicht speicherbar ist und aus physikalischen Gründen sofort verbraucht werden muss, müssen die Netzbetreiber für diese Fälle eine schnelle Lösung finden und zahlen den Stromabnehmern sogar Geld. Dann wird Überschussstrom zu negativen Preisen abgegeben. Gleichzeitig werden Windräder bei viel Wind abgeschaltet, um eine Überversorgung zu vermeiden. Das ist aber eine Verschwendung von Ressourcen. Anstatt Windräder abzuschalten und Strom gegen Geld teuer zu ‚entsorgen‘, könnte er besser in Form von Wärme gespeichert werden – zumal die Hälfte der Energie, die wir in Deutschland benötigen, Wärme ist. In der Praxis sähe das so aus: Wenn Strom z.B. unter 1 ct/kWh kostet, würden wir Elektrodenkessel mit einer Leistung von 20 bis 40 MW einschalten. Sie könnten den Wärmespeicher in zwei bis drei Stunden laden, die Wärme würde für eine Woche ausreichen.


Es gibt viele Ansätze, um Überschussstrom aufzunehmen, wie die Wasserstoffproduktion oder Großbatterien. Wäre das eine Konkurrenz zu Ihrem Konzept?


Wasser: Nein, im Gegenteil: Ich würde sie mit in das Konzept integrieren. Eine größenmäßig angepasste Batterie könnte bei Bedarf den Strom solange liefern, bis das BHKW auf Volllast ist. Damit könnte unser Kraftwerk als Einheit in Sekunden reagieren und sogar Notstromfunktion für ganze Städte übernehmen. Elektrolyseure produzieren auch Wärme: Eine typische Anlage mit 1 MW Leistung und 70% Wirkungsgrad liefert z.B. 300 kW Abwärme. Diese könnte man über unseren Wärmespeicher im Wärmenetz nutzen. Den Wasserstoff könnten wir je nach Bedarf in den Gasspeicher der Biogasanlage einspeisen, um damit Substrat zu reduzieren und Strom herzustellen. Wir könnten ihn aber auch als hochwertigen Rohstoff an die Industrie liefern. Wenn der Elektrolyseur dagegen, wie häufiger schon vorgeschlagen, an einem Windpark steht, bleibt die Wärme ungenutzt. Zudem müsste eine Logistik für den Wasserstoff aufgebaut werden. Diese Probleme hätten wir nicht.


Wie wollen Sie das Speicherkraftwerk finanzieren?


Wasser: Im Moment wollen wir dazu das EEG-Ausschreibungsverfahren für Biomasseanlagen nutzen. Wir würden uns mit dem Konzept um eine 20-jährige Vergütung bewerben. Da wir relativ groß bauen können, können wir mit dem niedrigen Höchstgebotspreis von etwa 14 ct/kWh zurechtkommen. Dazu erhalten wir den Flexzuschlag von 40 € pro installiertes Kilowatt. Dieser dient dazu, die Investition von Wärmespeicher und BHKW zu finanzieren. Das nötige Biomethan oder Biogas kann mit der Einspeisevergütung für den Strom sowie den Zusatzerlösen am Strommarkt finanziert werden. Diese ergeben sich durch den Stromverkauf an der Börse, durch das Anbieten von Regelenergie und den anderen heute schon möglichen Vermarktungsoptionen. Eine weitere wichtige Einnahmequelle ist dann der Wärmeverkauf. Ein Speicherkraftwerk sollte die erzeugte Wärme über ein vorhandenes oder neues Wärmenetz möglichst vollständig sinnvoll nutzen.


Es handelt sich also immer um neue Anlagen. Gäbe es auch die Möglichkeit, bestehende Biogasanlagen einzubinden?


Wasser: Ja, auch das wäre sehr interessant. Studien zufolge können nur 20 bis 30% der heutigen Biogasanlagen Gas ins Erdgasnetz einspeisen, weil sie entweder zu klein für einen wirtschaftlichen Betrieb sind oder zu weit weg vom Gasnetz liegen. Das Speicherkraftwerk kann zunächst unabhängig von umliegenden Biogasanlagen errichtet werden und bietet trotzdem eine Perspektive für diese Anlagen Sie können nach Ablauf der EEG-Förderung ihr BHKW abschaffen und das Rohgas direkt an das Speicherkraftwerk verkaufen. Das hätte für die Betreiber den Vorteil, dass sie sich nur auf die Gasproduktion konzentrieren brauchen und nicht mehr um die rechtlichen Vorgaben des EEG oder den BHKW-Betrieb kümmern müssten. Unser Speicherkraftwerk würde dann wie ein Satelliten-BHKW funktionieren, das Rohgas würde über eine eigene Leitung zum Standort gelangen.


Wer würde so ein Speicherkraftwerk betreiben?


Wasser: In Frage kommen Stadtwerke, die eine regenerative Lösung für ein Wärmenetz suchen, das bislang z.B. mit Abwärme aus Kohlekraftwerken oder über Erdgaskessel versorgt wird. Wir könnten uns aber auch Gesellschaften vorstellen, die bislang nur Wind- oder Solarparks errichtet und betrieben haben. Denkbar sind auch Kooperationen von Gesellschaften, in denen auch die Landwirte als Flächenbesitzer, Biogasanlagenbetreiber usw. eingebunden sind.


Warum gibt es diese Kraftwerke nicht schon? Wo ist der Haken?


Wasser: Das Konzept ist noch relativ neu. Wir sind darauf gekommen, weil die konventionelle Flexibilisierung von Biogasanlagen mit dem Erreichen des Flexdeckels im Jahr 2019 an ihre Grenzen gestoßen ist. Aber wir haben auch noch einige Hürden vor uns: So brauchen wir für den Strom, den wir zur Wärmeproduktion nutzen wollen, eine Befreiung von Abgaben und Umlagen. Damit haben alle Speicherkonzepte, ob Batterie oder Power-to-Gas- Anlagen, zu kämpfen.


hinrich.neumann@topagrar.com

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