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Sprit statt Strom – noch viele Hürden

Lesezeit: 9 Minuten

Der Biokraftstoffmarkt könnte eine Option für Biogasanlagen werden, die keine EEG-Förderung mehr erhalten.


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Auch für die Biogasbranche bricht im Jahr 2020 eine neue Ära an: Die ersten 1000 Anlagen sind Ende des Jahres 20 Jahre und älter und erhalten keine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mehr. Wer nicht am Ausschreibungsverfahren für eine Anschlussvergütung teilgenommen hat, muss neue Märkte suchen. Eine viel diskutierte Alternative könnte der Biokraftstoffmarkt sein. Hierzu gibt es mehrere positive Signale:


  • Die Treibhausgasminderungsquote für den Kraftstoffsektor ist im Jahr 2020 von 4 auf 6% gestiegen. Die Mineralölkonzerne benötigen also mehr Biokraftstoffe, um ihrer Klimaschutzverpflichtung nachzukommen.
  • Das regt den Quotenhandel an, von dem Biomethanerzeuger heute schon profitieren können.
  • Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) bevorzugt u.a. die Biomethanerzeugung aus Gülle oder Reststoffen wie Stroh. Das könnte einen Kraftstoff aus diesen Rohstoffen sehr attraktiv machen.
  • Mit dem neuen Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG) hat die Bundesregierung einen Preis auf CO2 eingeführt, der fossile Kraftstoffe künftig teurer macht.


Im Folgenden erklären wir, was das für Biomethanerzeuger bedeutet und welche Chancen, aber auch welche Risiken in dem Markt stecken.


Höhere Treibhausgasquote


Jeder, der Kraftstoffe verkauft, muss seit dem Jahr 2015 eine Treibhausgasminderungsquote erfüllen. Diese lag bis 2019 bei 4% und ist in diesem Jahr auf 6% angestiegen. Das bedeutet: Mineralölkonzerne müssen nachweisen, dass sie beim Verkauf von Kraftstoffen 6% Treibhausgase im Vergleich zu dem Referenzwert für fossilen Sprit einsparen. Das kontrolliert die Hauptzollamt-Außenstelle in Cottbus. Hält ein Inverkehrbringer die Quote nicht ein, muss er eine Strafe von 470 €/t CO2 zahlen.


Die Quote können die Mineralölkonzerne u.a. mit der Beimischung erreichen: Aktuell werden 7% Biodiesel, Altspeisefett oder hydriertes Pflanzenöl zu fossilem Diesel bzw. 5% Ethanol standardmäßig in Benzin beigemischt. Dazu gibt es den Sonderkraftstoff E10 mit 10% Ethanol. „Manchmal sind aber andere Optionen interessanter, um die THG-Quote zu erfüllen“, sagt Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer beim Fachverband Biogas.


Hohe Einsparung mit Gülle


Da kommt Biomethan ins Spiel: Wenn Tankstellenbetreiber Biomethan als Kraftstoff verkaufen, müssen auch sie die THG-Quote einhalten. Da Biomethan mehr als 6% THG gegenüber fossilem Kraftstoff einspart, kann die restliche CO2-Einsparung als Quote verkauft werden. „Wenn Mineralölkonzerne die THG-Quote mit der Bei-mischung von Biokraftstoffen nicht erfüllen können, müssen sie Quoten dazukaufen. Mit der Erhöhung auf 6% THG-Minderungsquote ist der Bedarf an zusätzlichen Quoten gestiegen“, erklärt Rauh. Das macht sich finanziell so bemerkbar: Lag der Preis für eine THG-Quote in zurückliegenden Jahren noch bei durchschnittlich 150 €/t, stieg er im Jahr 2020 auf 250 €/t an.


Voraussetzung für den Quotenhandel ist, dass die Betreiber die Biokraftstoffnachhaltigkeitsverordnung einhalten und sich von einer anerkannten Institution zertifizieren lassen. „Die Höhe der THG-Minderung hängt dann vom eingesetzten Rohstoff ab“, erklärt Rauh. Besonders hoch ist sie z.B. beim Einsatz von Gülle: In der RED II sind die Emissionen bei Biomethan aus Gülle auf -100 g CO2 pro Megajoule (MJ) festgelegt, bei einer Mischung aus 80% Gülle und 20% Mais sind es dagegen nur -12 g CO2/MJ. Der fossile Vergleichswert liegt bei +94 g CO2/MJ. Bei einem Preis für die Kraftstoffquote von 15 €/t käme Biomethan aus Gülle umgerechnet auf einen Erlös von 10,5 ct/kWh (Brennwert, Hs), eine Mischung aus Gülle und Mais auf 5,45 ct/kwh.


Was das für die Praxis bedeutet, erläutert Rauh an einem Beispiel: Wenn eine Biogasanlage Biomethan aus Reststoffen wie Stroh oder Abfällen erzeugt, kommt sie auf Produktionskosten von 5 bis 7 ct/kWh. „Der Preis für Gas an der Tankstelle liegt aber aktuell bei nur 2 ct/kWh, der Verkauf wäre also unwirtschaftlich.“ Kann der Betreiber dagegen zusätzlich zum Gaspreis eine Quote von 4 bis 5 ct/kWh verkaufen, kommt er damit in den Bereich der Wirtschaftlichkeit.


Künftig könnte sich der Klimaschutzbeitrag noch erhöhen, wenn die Anlagenbetreiber das bei der Gasaufbereitung anfallende CO2 nutzen – z.B. über die mikrobiologische Methanisierung. Hierbei wird in einem speziellen Verfahren das CO2 zusammen mit Wasserstoff zu Methan synthetisiert. Erste Pilotanlagen dazu gibt es bereits.


Viel Potenzial für Biomethan


Der Markt für Biomethan hat jedenfalls noch viel Potenzial. Aktuell gibt es rund 200 Biogasanlagen in Deutschland, die das Gas u.a. mit der Abtrennung von CO2 und anderen Maßnahmen zu Biomethan aufbereiten und ins Erdgasnetz einspeisen.


Die größte Menge des Biomethans wird in BHKW genutzt, um Strom und Wärme zu erzeugen. „Nur 10% der Biogasmenge in Deutschland wird überhaupt als Biomethan eingespeist, davon etwa die Hälfte als Kraftstoff. Biomethan macht etwa 1% der in Deutschland genutzten Biokraftstoffmenge aus“, sagt Jaqueline Daniel-Gromke vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ).


Nicht nur für große Anlagen


Zudem war der Absatz in den letzten zwei Jahren rückläufig, weil die Mineralölkonzerne wegen der THG-Quote von 4% keinen Anreiz hatten, mehr Biomethan einzusetzen. Auch war Erdgas als Kraftstoff bei den Verbrauchern trotz des attraktiven Preises wenig gefragt.


Das DBFZ hat untersucht, inwiefern sich bestehende Anlagen für die Biomethanproduktion nutzen lassen. „Interessant sind vor allem Anlagen mit einer Größe von mehr als 400 kW elektrisch und geringer Wärmenutzung“, sagt Daniel-Gromke. Sie könnten zwischen 10 und 21 Mio. kWh (Brennwert) Biomethan bereitstellen – etwa eine Verdopplung der heute genutzten Menge. Dazu kommen neue Anlagen, die Rest- und Abfallstoffe nutzen könnten. Insgesamt hält das DBFZ rund 118 Mio. kWh Biomethan für realistisch – das würde für 12 Mio. Pkw oder 185000 Lkw ausreichen.


Allerdings ist das kein Selbstläufer. Je nach Druckstufe des vorhandenen Gasnetzes und Aufbereitungsverfahren liegen die Kosten, um aus Biogas Biomethan zu machen und ins Erdgasnetz einzuspeisen, für eine kleine Anlage mit 125 m3 Biogasaufbereitung pro Stunde bei rund 13,5 ct/kWh. Hierbei hat das DBFZ einen Rohstoffmix von 70 % Gülle und 30% Nawaro angenommen. Eine Anlage dieser Größe entspricht einer elektrischen Leistung von 250 kW. Größere Anlagen mit 250 m3 Rohgasaufbereitung pro Stunde kommen bei gleichem Substratmix auf 10,7 ct, bei 800 m3 Rohgas pro Stunde und Bioabfallvergärung entstehen Kosten von nur 9,2 ct/kWh (Brennwert). Daher haben größere Anlagen erhebliche Wettbewerbsvorteile.


Eigene Tankstelle


Um bestehenden Anlagen eine Perspektive zu bieten, schlägt das DBFZ vor, die Regeln für die Biomethaneinspeisung zu erleichtern. „Es wäre denkbar, einen Anteil von 10% Biomethan mit geringeren Methangehalten im Gasnetz zuzulassen“, sagt Daniel-Gromke. Denn es wäre erheblich günstiger, Biomethan mit beispielsweise 70 oder 80% Methan einzuspeisen als mit 99%, wie gegenwärtig üblich. Auch andere Auflagen zur Gaskonditionierung könnten entfallen.


Eine andere Option wäre der Verkauf von Biomethan als Kraftstoff an einer eigenen Tankstelle, ohne das Gas ins Netz einzuspeisen. Das ist möglich, wenn der Betreiber einen Teil des Gases, das sonst im BHKW verwertet wird, als Kraftstoff nutzt. Damit könnten nicht nur Pkw und Lkw betankt werden, sondern auch Landmaschinen. Denn beispielsweise produziert der Hersteller New Holland einen Traktor mit 180 PS ab diesem Jahr in Serie.


Denkbar wäre also, dass mehrere Landwirte in einer Gegend eine gemeinsame Gastankstelle betreiben. „Die Tankstelle ist bei heutigen Rahmenbedingungen aber nur an einem günstigen Standort mit hoher Auslastung und bei einem Quotenpreis von über 4 ct/kWh wirtschaftlich“, resümiert Dr. Frank Scholwin vom Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie aus Weimar, das hierzu eine Machbarkeitsstudie erstellt hat.


Das Problem, das er sieht: Der Quotenpreis ist nicht in Stein gemeißelt. Damit besteht für den Anlagenbetreiber ein wirtschaftliches Risiko. Denn Kosten für Aufbereitungstechnik und Tankstelle liegen zwischen 800000 und 1 Mio. €. Zudem gibt es kaum Beispiele in der Praxis. Bei diesem Modell kann der Betrieber überschüssige Gasmengen auch nicht einspeisen, sondern muss sie flexibel z.B. zur Verstromung nutzen.


Bio-LNG als Option


Eine gute Auslastung ist möglich, wenn der Anlagenbetreiber Spediteure und Busunternehmer für sich gewinnt. Neben CNG (komprimiertes Erdgas) könnte künftig auch Flüssiggas (LNG) eine Rolle spielen. Das Gas wird bei etwa -160 °C verflüssigt und hat eine dreimal so hohe Reichweite wie CNG. Während ein Lkw mit CNG auf eine Reichweite von 500 km kommt, reicht eine Tankfüllung LNG für 1500 km und kommt damit dem Wunsch der Speditionen nach, ohne Tankstopp quer durch Deutschland fahren zu können.


LNG reduziert schon aus Erdgas hergestellt den Ausstoß von Feinstaub um 95% gegenüber Diesel, auch der Ausstoß von Stickoxiden ist erheblich geringer, teilt die Deutsche Energie-Agentur (dena) mit. Zudem spare fossiles LNG gegenüber Diesel 22% an CO2 ein, bei LNG auf Basis von Biomethan (Bio-LNG) seien es sogar 77%. Neben dem Schwerlastverkehr auf der Straße setzt daher auch die maritime Wirtschaft große Hoffnung auf den Kraftstoff. Er könne den Klimaschutz bei See- und Binnenschiffen verbessern. Eine Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) zweifelte zwar im Januar 2020 die positive Wirkung von LNG an. Grund sei ein hoher Methanschlupf in den Motoren.


Kaum noch Methanschlupf


Doch die „Maritime LNG Plattform“ kritisiert die Studie: Die Annahmen entsprechen nicht dem heutigen Stand der Technik. Es gäbe heute schon 2-Takt-Dieselmotoren oder 4-Takt-Ottomotoren, bei denen der Methanschlupf erheblich reduziert worden sei und die somit eine positive Bilanz an THG-Emissionen aufwiesen. Methanschlupf könne innermotorisch oder mithilfe z.B. nachgelagerter Oxidationskatalysatoren reduziert werden.


Die Studie geht nach Ansicht der Plattform auch unzureichend darauf ein, dass LNG zukünftig klimaneutral hergestellt werden kann, zum einen auf Basis von Biomasse, zum anderen auf der Basis von erneuerbarem Strom mithilfe der Power-to-Gas-Technik.


Auch der Mineralölkonzern Shell sieht in Bio-LNG großes Potenzial: Der Konzern will das eigene LNG-Stationsnetz auf 35 bis 40 Standorte in Deutschland erweitern und mit CO2-neutralem Biokraftstoff versorgen. Das Konzept umfasst die gesamte inländische Wertschöpfungskette von der Beschaffung von Biomethan aus Gülle, landwirtschaftlichen oder kommunalen Abfällen bis zum Bau von Gasverflüssigungskapazitäten.


Trotz dieser Ankündigungen steckt die Biomethanbranche erst noch in den Startlöchern. Ob sich der Markt in den nächsten Monaten als wirkliche Perspektive für die ersten Biogasanlagen erweist, die keine EEG-Förderung mehr erhalten, hängt vor allem von den politischen Rahmenbedingungen ab.


hinrich.neumann@topagrar.com

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