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Stand: 9. April - Das Abwrackgesetz für die Biogasbranche

Lesezeit: 12 Minuten

Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nimmt Form an. Die Biogas-branche muss sich auf einen Kahlschlag einstellen.


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Auf rund 300 Seiten hat Bun­deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) beschrieben, wie er sich die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorstellt. Wer den Entwurf jedoch genau studiert, dem drängt sich der Verdacht auf: Das ist keine Novelle, das ist eine radikale Reform. Vor allem die Biogasbranche muss sich auf neue Spielregeln einstellen, sollte die Regierung aus der Vorlage ein Gesetz formen. Und davon wären nicht nur künftige Investoren betroffen, sondern auch Altanlagen-Betreiber. Böse Zungen sprechen sogar schon von einem Abwrackgesetz.


In trockenen Tüchern ist das EEG allerdings noch nicht. In den kommenden Wochen stehen weitere Abstimmungen an, bevor die Paragrafen am 1. August dieses Jahres in Kraft treten sollen: Am 8. Mai beraten die Abgeordneten im Bundestag zum ersten Mal den Entwurf. Für den 2. Juni ist eine öffentliche Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie angesetzt. Mitte Juli folgen zwei weitere Lesungen im Abgeordnetenhaus und die Abstimmung im Bundesrat. Noch bleibt also Zeit für Korrekturen. Allerdings rechnen Experten nicht damit, dass sich an der grundlegenden Ausrichtung etwas ändern wird. Dafür ist beispielsweise die Opposition im Bundestag nicht stark genug.


Wir stellen Ihnen die wesentlichen Punkte aus dem Gesetzentwurf vor und sagen Ihnen, wie sich diese auf die Biogasbranche auswirken könnten.


Stichtag sorgt für Unmut:

Wer bis zum 1.08.2014 seine Anlage in Betrieb nimmt, für den gilt nach wie vor das bislang noch gültige EEG aus dem Jahr 2012. Wer sein Kraftwerk später an das Stromnetz anschließt, muss sich nach dem neuen Gesetz (EEG 2014) richten. So steht es zumindest im Entwurf.


Vertrauensschutz genießen nur Anlagenbetreiber, die bis zum 22.01.2014 eine Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutz-Gesetz oder eine Zulassung nach Bundesrecht erhalten haben und ihre Kraftwerke bis zum 31.12.2014 in Betrieb nehmen. Die Branche hält das für einen schlechten Scherz. Denn Biogasanlagen werden oft über Monate und Jahre hinweg geplant, ehe der erste Antrag bei der Behörde gestellt wird. Viele Investoren stehen daher vor einem Scherbenhaufen, wie unsere Reportagen aus der top agrar 4/2014 (S. 146) zeigen.


Dabei verstößt die Stichtagsregelung möglicherweise sogar gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Kanzlei Paluka, Sobola, Loibl & Partner aus Regensburg erstellt hat. Das in Artikel 12 und 14 des Grundgesetzes geschützte Vertrauen im Hinblick auf das Eigentum und den Beruf werde verletzt, so die Juristen.


Der Fachverband Biogas fordert daher von Gabriel, den Vertrauensschutz großzügiger zu gestalten: Für Strom aus Anlagen, die nach dem 31.07.2014 und vor dem 01.01.2015 in Betrieb genommen werden, sollte noch das EEG 2012 gelten. Voraussetzung dafür: Bis zum 31.07.2014 muss ein Genehmigungsantrag bei der zuständigen Behörde vorliegen.


Altanlagen in der Klemme:

Wenn Bestandsanlagen künftig mehr Strom als nach der sogenannten Höchstbemessungsleistung erzeugen, sieht das Wirtschaftsministerium für den Überschuss nur noch den Börsenpreis vor. Der liegt aktuell bei drei bis vier Cent je Kilowattstunde (ct/kWh). Als Höchstbemessungsleistung definiert die Regierung im Übrigen die max. Leistung, die ein Kraftwerk jemals im Schnitt eines Jahres vor dem 1.08.2014 erzeugt hat. Beispiel: Eine Anlage mit 300 Kilowatt installierter Leistung (kW) hat im Jahr 2008 2,25 Mio. kWh erzeugt, ein Jahr später 2,40 Mio. kWh und in 2010 etwa 2,55 Mio. kWh. Die Höchstbemes­sungsleistung beträgt somit 291 kW (2,55 Mio. kWh geteilt durch 8 760 h/a).


Für Altanlagen, die nach dem 31.12.2011 in Betrieb genommen wurden, gibt es aber eine Ausnahme: Die Höchstbemessungsleistung entspricht der am 31.07.2014 installierten Leistung, von der 10 % abgezogen werden. Damit berücksichtigt die Regierung den Umstand, dass neue Anlagen ihre max. Leistung erst nach einer längeren Einfahrzeit erreichen, weil z. B. die Fütterung und damit auch der Gasertrag nur langsam gesteigert werden können. Würde man hingegen die Berechnung der Bemessungsleistung für diese Kraftwerke nach der höchsten, jemals erzeugten Jahresleistung festlegen, wäre das für deren Betreiber vermutlich mit erheblichen Einbußen verbunden. Deshalb sieht der Entwurf eine Sonderregelung vor.


Die Gesetzesvorlage hat aber dennoch an dieser Stelle eine eklatante Schwäche: Betreiber von Anlagen, die vor dem 31.12.2011 in Betrieb genommen wurden und die in den vergangenen Wochen oder Monaten die Leistung ihrer Anlage ausgebaut haben, stecken nämlich in der Klemme. Schließlich benötigen auch sie einige Zeit, bis die zusätzlich installierte Leistung abgerufen werden kann. Die neu hinzu gebaute Kraftwerkspower wird so womöglich bei der Berechnung der Höchstbemessungsleistung nicht berücksichtigt.


Für den Fachverband Biogas ist das ein nicht haltbarer Zustand. „Gerade in den vergangenen zwei Jahren wurden vermehrt Investitionen zur Effizienzsteigerung getätigt. Diese Betreiber würden durch diese Regelung in den Ruin getrieben“, erläutert Dr. Stefan Rauh vom Verband die Sorgen vieler Betreiber. Ohnehin bremse die Regierung mit der Deckelung der vergütbaren Strommenge die Altanlagen aus. Denn steigende Produktionskosten könnten die Biogaserzeuger künftig so nicht mehr durch Mehrerträge ausgleichen. Die Passage müsse die Regierung daher ersatzlos streichen.


Noch schnell entscheiden:

Altanlagenbetreiber haben nach dem Gesetzes­entwurf zwei Wahlmöglichkeiten: Entweder sie speisen wie gewohnt ihren Strom in das Netz ein und kassieren dafür die EEG-Vergütung. Oder aber sie verkaufen ihren Strom direkt am Markt. Das Prinzip ist nicht neu und bereits im noch gültigen EEG verankert. Dazu müssen die Anlagenbetreiber ihre Stromproduktion allerdings nach Angebot und Nachfrage richten. Sie speisen ihren Strom somit nicht rund um die Uhr ein, sondern nur phasenweise. Für diese Fahrweise werden daher auch größere Blockheizkraftwerke benötigt als bei einem Rund-um-die-Uhr-Betrieb. Schließlich müssen die Maschinen in kürzerer Zeit die gleiche Gasmenge verstromen. Im Gegenzug erhalten die Direktvermarkter eine Prämie für die zusätzlich installierte Leistung in Höhe von 130 €/kW für die Dauer von zehn Jahren und können außerdem Erlöse am Markt erzielen.


Die Sache hat aber einen Haken: Die Regierung will die Flexibilisierung von Altanlagen auf insgesamt 1 350 Megawatt zusätzlich installierter Leistung deckeln. Das wird vermutlich zu einem Run auf die Direktvermarktung führen, denn Experten rechnen damit, dass das Kontingent schnell aufgebraucht sein dürfte. Wer davon profitieren will, muss sich also beeilen. Ist die Grenze einmal erreicht, kann die Prämie nicht mehr in Anspruch genommen werden. Davon wären dann aber nicht diejenigen betroffen, die den Bonus bereits in Anspruch genommen haben. Sie haben Bestandsschutz.


Verwirrung um Satelliten-BHKW:

Im Entwurf ist eine Formulierung enthalten, die Betreiber von Altanlagen in Schwierigkeiten bringen könnte. So sind die Übergangsbestimmungen nicht klar formuliert. Nach der derzeitigen Lesart werden vor dem 1.01.2012 in Betrieb genommene Satelliten-BHKW nicht mehr als eigenständige Anlagen betrachtet. Das hätte Folgen: Die Kraftwerke würden für die Berechnung der Vergütung mit den übrigen Blockheizkraftwerken zusammengefasst. Und da die Vergütung für große Anlagen geringer ausfällt als für kleinere, müssten die Betreiber Einbußen einkalkulieren.


Beim Fachverband ärgert man sich darüber. „Erst vor wenigen Monaten hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Satelliten als eigenständige Anlagen betrachtet werden“, sagt Rauh. Man hoffe daher darauf, dass der Text im weiteren Verfahren noch korrigiert wird. „Sollte dies nicht geschehen, widerspräche dies dem auf dem Energiegipfel beschlossenen umfassenden Vertrauensschutz!“, so Rauh weiter.


Die gute Nachricht:

Der Luftreinhalte-Bonus für Altanlagen bleibt erhalten.


Wachstum mit Handbremse:

Bun­deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will den Neubau von Biogasan­lagen künftig auf 100 Megawatt (MW) Gesamtleistung pro Jahr begrenzen. Sollte die Branche die Zielmarke überschreiten, sinkt die Vergütung mit Zeitverzug für künftige Investoren sehr viel stärker als geplant, um so das Wachstum wieder auszubremsen.


Im Vergleich zum Wachstum der vergangenen Jahre ist das sehr wenig (Übers. 1, S. 130). Hinzu kommt: Gabriel will die installierte Leistung als Maßstab für den Zubau heranziehen. Das ist insofern nicht unproblematisch, weil die neuen Anlagen künftig vor allem flexibel Strom erzeugen sollen. Die installierte Leistung fällt bei vielen Kraftwerken daher deutlich höher aus als die tatsächliche. Beispiel: Ein Landwirt will mit einer 250-kW-Anlage flexibel Strom erzeugen. Anstatt der sonst üblichen 8 400 Stunden wird sein Kraftwerk ca. 4 200 Stunden in Betrieb sein, schätzt er. Das BHKW benötigt daher auch ca. die doppelte Leistung (500 kW). Das Problem: Der höhere Wert (500 kW) fließt in die Statistik ein. Tatsächlich nutzt die Anlage im Schnitt des Jahres aber nur 250 kW. Für den Neubau bliebe im 100-MW-Korridor kaum noch Luft.


Die Regierung indes macht keinen Hehl daraus, warum sie der Biogasproduktion künftig nur noch eine untergeordnete Rolle zukommen lassen will: Sie ist zu teuer. Gefördert werden sollen vor allem die kostengünstigeren Tech­niken wie die Solar- und Windkraft, heißt es im Gesetzentwurf.


Die Branche sieht das naturgemäß etwas anders. Biogasstrom sei zwar teuer, könne aber das schwankende Angebot aus den Solar- und Windkraftanlagen ausgleichen, so das Gegenargument. „Mit Erdgaskraftwerken ist das zwar auch möglich, jedoch ist Deutschland auf Importe angewiesen“, sagt Rauh. Den Ausbau der Biogasanlagen ohne große Not aufs Spiel zu setzen, sei daher leichtfertig. Zudem müssten möglicherweise noch mehr Unternehmen Mitarbeiter entlassen oder ihre Tore schließen, als es ohnehin derzeit schon der Fall sei, wenn der Zubau derart beschnitten werde. „Damit würde der Branche auch wertvolles Know-how verloren gehen“, fügt er hinzu. Sein Verband fordert daher einen Ausbaukorridor von mind. 300 MW. Außerdem müsse die Regierung die tatsächliche und nicht die installierte Leistung als Grundlage heranziehen.


Anlagen kaum noch rentabel:

An der Grundvergütung für Strom aus Biogasanlagen will Gabriel kaum etwas ändern (Übers. 2). In dem Entwurf sind nur leicht niedrigere Sätze vermerkt als im EEG 2012. Allerdings hat der Minister die Extra-Vergütung für den Einsatz von Nachwachsenden Rohstoffen gestrichen. Hinzu kommt: Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kW erhalten nur noch für den Strom aus der Hälfte der installierten Leistung eine Vergütung nach dem EEG, wenn es nach dem Willen der Regierung geht. Das bedeutet: Wer eine 250-kW-Anlage installiert, erhält nur für den Strom aus den ersten 125 kW eine Entlohnung. Für den restlichen Strom will die Regierung nur den Börsenpreis zahlen (aktuell 3 bis 4 ct/kWh).


Damit drängt Gabriel die Anlagenbetreiber in die Direktvermarktung, die unter diesen Umständen lukrativer ist als die Rund-um-die-Uhr-Einspeisung. Zum Verständnis: Bei dieser Fahrweise wird das Gas nur dann verstromt, wenn z. B. besonders wenig Windstrom in die Netze drängt. Allerdings benötigt man dazu dann einen größeren Gasspeicher, um das Methan zwischenspeichern zu können, wenn das BHKW nicht in Betrieb ist. Außerdem muss der Motor größer ausfallen, um in kurzer Zeit große Gasmengen verstromen zu können.


Als Ausgleich für die Mehrausgaben hat Gabriel einen Kapazitätszuschlag in Höhe von 40 Euro pro installiertemKilowatt Leistung vorgesehen (für die gesamte Vergütungsdauer). Außerdem können die Betreiber neben der regulären Vergütung noch Erlöse aus dem Verkauf an der Strombörse erzielen, über die der Ausgleich zwischen Nachfrage und Angebot stattfindet. Wie sich das auf die Rentabilität der Anlagen auswirkt, lesen Sie auf der S. 134.


Kleinanlagen-Regelung bleibt:

Für kleine Gülleanlagen gibt es positive Signale. Die Vergütung bleibt in etwa auf gleichem Niveau wie bislang. Außerdem müssen Anlagenbetreiber, die ausschließlich Mist oder Gülle vergären, nicht eine Verweildauer des Substrates von 150 Tagen einhalten. Zum Verständnis: Anlagenbetreiber, die neben Gülle auch Energiepflanzen oder andere Substrate vergären, müssen ihren Bakterien mind. 150 Tage Zeit für den Abbau geben. Bislang gab es nur eine Ausnahme für diejenigen, die zu 100 % Gülle vergären. Für Mist galt sie nicht. Das hat Konsequenzen. Denn für eine Verweildauer von mehr als fünf Monaten sind größere Fermenter notwendig, als bei einem kürzeren Intervall, was die Investitionskosten in die Höhe treibt.


Pauschale Abdeckpflicht:

Betreiber neuer Anlagen (nach dem EEG 2014) müssen ihre Gärrestlager gasdicht ab­decken. So fordert es zumindest der Entwurf. Das Ziel der Regierung ist verständlich: Die Biogasanlagen sollen möglichst wenig klimaschädliches Me­than ausstoßen. Deshalb fordert sie auch im gleichen Atemzug, dass Biogaserzeuger ihr Substrat mind. 150 Tage lang vergären sollen. Denn je länger die Bakterien Zeit für den Abbau haben, desto geringer ist die Gefahr, dass noch Gas aus dem Gärrest entweicht.


Diese Forderungen sind jedoch mit Zusatzkosten verbunden. Der Entwurf sieht daher auch eine Ausnahme vor: Lediglich die Landwirte, die ausschließlich (100 %) Gülle vergären, sind von diesen Verpflichtungen ausgenommen. Aus Sicht des Fachverbandes reiche diese Ausnahme nicht aus und sei keinesfalls sachgerecht. Es gebe neben Gülle eine Reihe von weiteren Substratmixen, die zügig von den Bakterien abgebaut würden oder spezielle Verfahren, bei denen die pauschale Regelung nicht gerechtfertigt sei. Dazu zählen z. B. Verfahren zur Vergärung von Bioabfällen. Außerdem müssten für Anlagen, die ihre Gärreste aufbereiten, ebenfalls andere Regelungen festgeschrieben werden.


Gaseinspeisung vor dem Aus:

Im Gesetzentwurf sucht man vergebens nach einem Bonus für die Aufbereitung des Biogases und dessen Einspeisung ins Erdgasnetz. Im EEG 2012 war er zumindest noch enthalten. Kritiker halten auch das für einen schweren Fehler: Viele Betreiber können die bei der Stromproduktion anfallende Wärme nicht sinnvoll nutzen. Wenn das Gas hingegen eingespeist wird, kann es dort aus den Leitungen entnommen werden, wo auch die Wärme benötigt wird. -ro-


Wie sich eine Anlage unter den neuen Bedingungen rechnet, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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