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Strom vor Ort verkaufen – eine Alternative zum EEG?

Lesezeit: 7 Minuten

In zwei Jahren müssen die ersten Anlagen ihren Strom selbst vermarkten. Wir geben einen Überblick, welche Modelle möglich sind.


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Was kommt nach dem EEG? Immer häufiger stellen sich Biogaserzeuger, Solar- und Windstromproduzenten diese Frage. Schon im Jahr 2021 erhalten die ersten von ihnen keine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mehr. Denn dann ist das Ende des 20-jährigen Förderzeitraums erreicht.


Spielraum für den Preis:

Welchen wirtschaftlichen Spielraum Sie beim Stromverkauf haben, zeigt unsere Übersicht. Darin hat die Energieagentur am Beispiel des Durchschnittspreises für Gewerbekunden im Jahr 2017 aufgeführt, wie sich der Strompreis zusammensetzt. Der Preis für Beschaffung und Vertrieb des reinen Stroms (hier der Börsenstrompreis) lag bei ca. 5 ct/kWh (siehe linke Säule). Wenn Sie den Strom über das Netz direkt vermarkten und den gleichen Preis erzielen wollen, könnten Sie diese Kosten als Erlös ansetzen. Zum Vergleich: Abgeschriebene Windenergieanlagen können laut Studien Strom für ca. 2,8 bis 3,6 ct/kWh erzeugen.


In der mittleren und rechten Säule ist der Preisspielraum dargestellt, den Sie bei einer Direktlieferung hätten. Da nur die Umlage für abschaltbare Lasten und die Umsatzsteuer anfallen, könnten Sie bis zu 15 ct/kWh verlangen. „Die dunkelgrünen Flächen zeigen die Spielräume für Stromgestehungskosten, Gewinnmarge und Kosten für Vermarkter“, erläutert Lisa Conrads von der Energie-Agentur NRW. Sie weist darauf hin, dass die Werte nur als grobe Richtung gesehen werden können. Für eine genaue Berechnung benötigt man die tatsächlichen Preise. Die Höhe der Erlöse hängen auch davon ab:


  • Inwieweit können Sie den Strombedarf des Abnehmers decken?
  • Wer übernimmt die Kosten für eine neue Stromleitung?
  • Welchen Strompreis hat der Abnehmer bislang gezahlt und zahlt er für den Ökostrom einen Aufschlag?


Ideen für den Verkauf:

Der Verkauf an der Strombörse ist bei Preisen von 2 bis 4 ct/kWh heute keine Alternative. „Die Preisentwicklung am Strommarkt ist sehr volatil und verspricht keine verlässlichen, ausreichenden Erträge für den wirtschaftlichen Weiterbetrieb“, erklärt Ove Petersen, Geschäftsführer des Unternehmens GP Joule aus Schleswig-Holstein, das u.a. alternative Vermarktungsmodelle für erneuerbare Energien entwickelt. Vielversprechender sind folgende Lösungen:


  • Den Strom direkt an einen Kunden vor Ort verkaufen (Direktlieferung),
  • Ökostrom-Zertifikate vemarkten,
  • Wasserstoff oder Wärme in „Power-to-X-Anlagen“ erzeugen.


1.Direktlieferung:

Sie unterscheidet sich von der im EEG definierten „Direktvermarktung“ vor allem dadurch, dass der Strom nicht durchs öffentliche Netz geleitet wird. Der Anlagenbetreiber beliefert einen Dritten, also z.B. eine Firma. „Dabei kann der Betreiber Strom auch an mehrere Abnehmer liefern“, erklärt Rechtsanwältin Katharina Vieweg-Puschmann aus Lippstadt. Da bei dieser Art der Stromlieferung die Netzentgelte und andere Abgaben und Umlagen wegfallen, kann der Abnehmer den Strom ohnehin günstiger einkaufen als über das öffentliche Netz. Möglicherweise ist das Unternehmen wegen des Werbeeffektes trotzdem bereit, mehr für den Strom zu zahlen. Eine Sonderform ist übrigens die Verpachtung von Anlagen, die wir im Kasten erklären.


Einige Pflichten:

Bei der Direktlieferung haben Sie einige Pflichten:


  • Sie müssen für den gelieferten Strom die volle EEG-Umlage an den Übertragungsnetzbetreiber abführen. Diese beträgt 6,79 ct/kWh für das Jahr 2018.
  • Sie werden bei der Stromlieferung laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zum Energieversorgungsunternehmen (EVU). Für diese gelten einige rechtliche Vorgaben, z.B. bei der Abrechnung oder der Stromkennzeichnung.
  • Sie müssen eine Erlaubnis beim zuständigen Hauptzollamt beantragen.
  • Sie müssen verschiedene Meldepflichten nach dem EEG, EnWG und Stromsteuergesetz beachten.


Eine Sonderform der Direktlieferung sind individuelle Stromabnahmeverträge, die in der Praxis als PPA (Power Purchase Agreement) bekannt sind. Den deutschlandweit ersten PPA-Vertrag zur direkten Belieferung von Privatkunden mit Strom aus Windkraftanlagen hat Greenpeace Energy im September 2018 mit dem Windpark Ellhöft in Schleswig-Holstein abgeschlossen. Der Vertrag über die Lieferung von Strom aus sechs Windenergieanlagen tritt zum 1. Januar 2021 in Kraft und hat eine Laufzeit von fünf Jahren.


Heute schon vorbereiten:

Eine andere Form der Direktlieferung gibt es im Landkreis Steinfurt (Nordrhein-Westfalen). Die Genossenschaft Energielandwerker will alle Erzeuger von erneuerbaren Energien im nördlichen Münsterland bündeln. „Wir wollen u.a. Industrie- und Gewerbekunden beliefern“, erklärt Geschäftsführer Thomas Voß. Er sieht es als Vorteil an, wenn neben Wind- und Solaranlagen auch Biogasanlagen im Portfolio sind: „Sie können jederzeit und bedarfsgerecht Strom erzeugen und die anderen Energieformen ergänzen.“


Eine andere Art von Verträgen bieten Energieversorger an, die den Strom als klassischen Ökostrom vermarkten wollen. Der Stromvermarkter Nordgröön aus Schleswig-Holstein beispielsweise bündelt Wind-, Solar- und Biogasanlagen und bietet den Strom Bürgern, Gewerbebetrieben und Gemeindewerken vor Ort an. Die Anlagenbetreiber kassieren dafür die EEG-Vergütung. Da es im EEG das Doppelvermarktungsverbot gibt, darf Nordgröön den Strom nicht als Ökostrom mit Verweis auf die Herkunft abgeben. „Wir machen den Erzeuger zum regionalen Versorger“, sagt Geschäftsführer Torge Wendt. Nordgröön hat mittlerweile einen Pool von ca. 2500 Anlagen mit 2,7 Gigawatt Leistung. „Das Modell sehen wir als Lösung für die Zeit nach der EEG-Förderung. Dafür müssen wir heute schon Anlagen bündeln“, ist er überzeugt.


2.Verkauf von Zertifikaten:

Um Ökostrom mit Aufschlag an Privatkunden abgeben zu können, kaufen viele Stromanbieter Herkunftsnachweise (Ökostromzertifikate) aus dem Ausland dazu, um konventionellen Strom „grün“ zu färben. Doch es gibt auch Anbieter, die den Strom von heimischen Anlagen kaufen. Das ist aber nur möglich, wenn die Betreiber diesen nicht über das EEG vergütet bekommen.


Ob dieser Absatzweg für Anlagenbetreiber lukrativ ist, bleibt abzuwarten: Die Menge an Ökostrom wird nach 2021 deutlich steigen, wenn die EEG-Förderung für die ersten Anlagen wegfällt. Dagegen ist die Nachfrage überschaubar: Im Jahr 2017 hatten nach Zahlen der Bundesnetzagentur nur 22% der deutschen Stromkunden Ökostrom bezogen. Bei den Industriekunden waren es lediglich 15%. „Es wäre aber auch denkbar, dass Betreiber von erneuerbare-Energie-Anlagen den Strom als konventionellen Strom abgeben und die ‚grüne Eigenschaft‘ als Herkunftsnachweis gesondert vermarkten“, erklärt Martin Berelson vom Umweltbundesamt. Aktuell liegen die Preise für diese Nachweise bei 0,2 bis 0,8 ct/kWh.


3.Strom zu Gas:

Eine weitere Option wäre, den Strom in „Power-to-X-Anlagen“ zu nutzen. Dazu gehören z.B. Elektrolyseure, die mithilfe des Stroms Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Wasserstoff ließe sich z.B. im Verkehr, in der chemischen Industrie oder zur Methanerzeugung und Einspeisung ins Erdgasnetz nutzen. Eine weitere Möglichkeit wäre, den Strom in Power-to-Heat-Anlagen in Wärme umzuwandeln. Auch kann er in Batterien gespeichert werden.


Allerdings sind einige Verfahren wie Power-to-Gas erst am Rande der Markteinführung. Zudem sorgen rechtliche Hürden oft dafür, dass der Strom unverhältnismäßig teuer wird: Die Umwandlung in Wasserstoff oder Wärme sowie die Zwischenspeicherung in einer Batterie sind gleichgestellt mit der Lieferung an einen Stromverbraucher.


Wenn Sie oder ein Dritter beispielsweise mit dem Wasserstoff wieder Strom erzeugen und verkaufen bzw. den Strom aus der Batterie weiter nutzen, dann sieht der Gesetzgeber diese Nutzung als neue Stromerzeugung an mit der Folge, dass alle Abgaben und Steuern wie z.B. die EEG-Umlage ein zweites Mal anfallen. Das macht den Strom unverhältnismäßig teuer und diese Art der Produktion häufig unwirtschaftlich.


Besonders kompliziert wird es, wenn der Betreiber der Power-to-X-Anlage neben Ihrem „grünen“ Strom auch Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht oder Sie Strom teilweise auch ins Stromnetz einspeisen. Hier müssen Sie bezüglich Messung und Abrechnung einiges beachten, vieles ist auch rechtlich noch nicht geklärt.


Festhalten kann man, dass sich viele der diskutierten Optionen derzeit in der Pilotphase befinden. Wie schnell sich diese in der Praxis etablieren, wird nicht zuletzt davon abhängen, inwieweit der Gesetzgeber das Steuer- und Abgabensystem auf die neue Art der dezentralen Stromerzeugung anpasst.


Kontakt: hinrich.neumann@topagrar.com

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