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Strommarkt: Chancen und Risiken für flexible Anlagen

Lesezeit: 7 Minuten

Das Jahr 2020 bringt neben Corona und Wetterkapriolen auch neue Rahmenbedingungen für die Stromvermarktung. Wir geben einen Überblick, wie sich das auf flexible Biogasanlagen auswirkt.


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Das Jahr 2020 könnte richtungsweisend für die Biogasbranche werden: Mit der aktuellen Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) will die Bundesregierung neue Anreize setzen, um Biogasanlagen zu flexibilisieren. Dazu zählt, dass die Mengenbegrenzung der Flexibilitätsprämie aufgehoben werden soll. Außerdem könnte der Flexzuschlag für neue Anlagen von 40 auf 65 €/kW installierter Leistung steigen.


Neu: Regelarbeitsmarkt


Daneben dürfte auch die Einführung des Regelarbeitsmarktes ab November 2020 Einfluss auf die Stromvermarktung haben. Über diesen wird die Sekundärregelleistung (SRL) und die Minutenreserveleistung (MRL) vermarktet. Mit der Regelenergie gleichen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) im Stromnetz Erzeugung und Verbrauch aus und halten die Netzfrequenz von 50 Hertz (Hz) aufrecht.


Bislang wird die Regelenergie über den Regelleistungsmarkt abgewickelt. Beide Märkte unterscheiden sich so:


  • Beim Regelleistungsmarkt musste z.B. ein Biogasanlagenbetreiber schon eine Woche im Voraus festlegen, wie viel Regelleistung (SRL oder MRL) er anbieten will. Dafür hat er für die Auktion einen Leistungspreis pro MW und einen Arbeitspreis in €/MWh abgegeben. Hat er einen Zuschlag erhalten und wurde er in die Liste der Leistungsanbieter aufgenommen, hat er den Leistungspreis erhalten. Wurde seine Leistung bei Bedarf auch abgerufen (in dem z.B. das BHKW aus- oder eingeschaltet wurde), dann hat er auch noch den gebotenen Arbeitspreis bekommen.
  • Beim Regelarbeitsmarkt werden die Auktionen von Leistung und Arbeit getrennt. Die Teilnehmer können am Vortag nur noch ein Angebot zur möglichen Leistung abgeben. Am nächsten Tag können sie bis eine Stunde vor dem Abruf ein Angebot zum gewünschten Arbeitspreis abgeben. Beteiligen können sich auch Anbieter, die kein Leistungspreisangebot abgegeben haben.


Folgen für Biogasanlagen


Mit dieser Trennung will die Bundesnetzagentur erreichen, dass der Strommarkt schneller auf die schwankende Stromerzeugung von Wind- und Solarenergie reagiert. Für Biogasanlagenbetreiber hat das Folgen. Denn zum einen wird der Regelenergiemarkt auch für die Windenergie zugänglicher, vermutet der Direktvermarkter Statkraft. „Es könnte aber auch sein, dass große Stromkonzerne mit Gaskraftwerken sehr günstige Angebote abgeben und damit die teureren Biogasanlagen aus dem Markt drängen“, erwartet Christian Dorfner, Vorstand des Dienstleisters SKVE aus Regensburg.


Noch sei nicht klar, wie sich die Preise für die Regelenergie mit dem neuen Verfahren entwickeln werden. „Aber für uns steht fest, dass Regelenergie immer unattraktiver für Biogasanlagen wird“, sagt Dorfner. „Dazu kommt, dass die immer häufiger installierten stationären Batterien Regelleistung kostengünstiger übernehmen“, ergänzt Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk „Flexperten“.


Dagegen dürfte die strombörsenorientierte Lieferung nach Fahrplan an Bedeutung gewinnen. Hierbei vermarkten die Händler den Strom aus Biogasanlagen am Strommarkt für den nächsten Tag (Day Ahead) oder am gleichen Tag (Intraday), dem Viertelstundenmarkt. Bei diesen Märkten gab es coronabedingt wegen der geringen Nachfrage der Industrie zwar einen Rückschlag: Im Frühjahr sanken die Börsenpreise historisch tief auf teilweise 1,7 ct/kWh.


Im September aber gab es ein ganz anderes Bild: An zwei Tagen gab es Preise mit 19 bis 20 ct/kWh. „Grund war, dass es tagsüber bei hoher Stromnachfrage viel Sonne und wenig Wind gab“, analysiert Dorfner. Als nach Sonnenuntergang die Solarstromanlagen schlagartig keinen Strom mehr lieferten, musste der Bedarf kurzfristig teuer gedeckt werden. Laut Dorfner vermitteln diese Extremsituationen einen Eindruck, wie der Strommarkt der Zukunft aussehen könnte. „Dazu kommen kurzfristige Schwankungen, wenn z.B. eine angekündigte Windboe erst eine Stunde später kommt oder wenn morgens plötzlicher Nebel die Solaranlagen bedeckt“, erklärt er.


Optimierte Fahrpläne


Wegen dieser Entwicklungen wird kurzfristige Steuerung für die Biogasanlagen immer wichtiger. Einige Stromhändler entwickeln auf dieser Basis von Wetterdaten, erwarteten Strompreisen und Vorgaben des Anlagenbetreibers zum Speicherfüllstand oder zur Mindestlaufzeit des BHKW einen Fahrplan, den sie automatisch an die Anlagensteuerung übermitteln. Dazu gehört Next Kraftwerke: Der Kölner Direktvermarkter lädt den Fahrplan täglich zwischen 11 und 13 Uhr hoch.


Next liefert nach eigenen Angaben optimierte Fahrpläne an 939 Biogasanlagen mit einer flexiblen Leistung von 405 MW. „Der Fahrplanbetrieb ist bei uns inzwischen zum Standard bei überbauten Biogasanlagen geworden“, sagt Geschäftsführer Jochen Schwill. Allerdings will er Regelenergie und Fahrplanbetrieb nicht gegeneinander ausspielen. In den meisten Fällen lohne es sich, Anlagen auf beiden Märkten zu platzieren. „Und genau diese Anlagen erzielen unterm Strich auch die höchsten Erlöse, weil ihre Flexibilität genau da eingesetzt wird, wo sie gerade am meisten wert ist“, betont er.


Regelenergie bleibt spannend


Dass der Regelenergiemarkt finanziell nicht mehr interessant sei, kann Schwill nicht bestätigen: „Allein im ersten Quartal 2020 haben wir unseren Kunden über 1,4 Mio. € an Regelenergie-Erlösen ausgezahlt. Gegenüber dem ersten Quartal 2019 ist das eine Steigerung um 288%.“ Der Einführung des Regelarbeitsmarktes steht Next Kraftwerke entsprechend positiv gegenüber und erwartet steigende Preise für die Vorhaltung von Regelleistung. „Der neue Regelarbeitsmarkt wird langfristig zu schwankenden Preisen führen und für flexible Anlagen weiterhin Potenzial bieten“, erwartet auch Klaus Anduschus, Leiter des Vertriebs Landwirtschaft beim Handelshaus e2m aus Leipzig. Auch e2m kombiniert die optimierten Fahrpläne mit der Vermarktung von Regelenergie.


Zur Beratung hat der Händler im vergangenen Jahr das Programm „OptimusFlex“ geschaffen. Bei diesem prüfen die Berater gemeinsam mit dem Anlagenbetreiber, welches Potenzial die Anlage hat. „Schon mit der Anpassung des Fahrplans an die Gasspeicherkapazität können Laufzeiten zu schlechten Börsenzeiten verringert werden, was ein besseres Ergebnis bringen kann“, verspricht das Unternehmen. Zusätzlich ermittelt e2m die Zeiten, zu denen die Anlage am profitabelsten produzieren kann. „Die Verschiebung der gesamten Leistung in zwei Volllast-Blöcke an den Wochentagen mit einer maximalen Reduzierung der Einspeisung am Wochenende ist aus unserer Erfahrung am lohnendsten und vor allem motorenschonend“, sagt Anduschus. Im Schnitt um 0,7 ct/kWh gesteigerte Stromerlöse sowie bis zu 0,5 ct/kWh Regelenergieerlöse verspricht der Stromhändler, der mittlerweile 450 Biogasanlagen bei der Optimierung begleitet.


Festpreis als Alternative


Daneben gibt es weitere Vermarktungswege. Der BHKW-Dienstleister Agrarservice Lass (ASL) aus Schleswig-Holstein bietet Landwirten nicht nur den Umbau ihrer Biogasanlagen zu einem regenerativen Speicherkraftwerk an, sondern kooperiert seit kurzem auch mit dem international tätigen Energiehändler Alpiq. Damit sollen Landwirte mit leistungsfähigen Biogasanlagen künftig von einem garantierten Festpreis pro kWh Strom profitieren. Zuerst prüft ASL, ob die Biogasanlage in ein flexibles Speicherkraftwerk umgerüstet werden kann. Danach vermarktet Alpiq den Biogas-Strom. „Dieser Fixpreis gibt den Anlagenbetreibern Planungssicherheit. Außerdem ermöglicht er bessere Finanzierungskonditionen bei den Banken“, sagt ASL-Geschäftsführer Martin Laß, selbst Landwirt und Biogasanlagen-Betreiber.


Alpiq ist auf die Direktvermarktung von Strom aus Erneuerbaren spezialisiert und betreibt selbst mehrere flexible Erzeugungsanlagen. Der Energiehändler kümmert sich um die Einsatzplanung der Biogasanlagen und über-nimmt die Prognosen und Vermarktung des Stroms aus Biomasse ebenso wie die Fernsteuerung der Biogasanlage und alle Meldeprozesse. „Die Höhe des Festpreises wird zu Beginn anhand der technischen Möglichkeiten des jeweiligen Speicherkraftwerks vereinbart“, erläutert Daniil Plotnikov, Geschäftsführer von Alpiq Deutschland.


Virtuelles Kraftwerk


Mit einem anderen Vermarktungsansatz wollen die Stadtwerke Rosenheim auch kleinen Biogasanlagen den Zugang zu den Strommärkten ermöglichen. Unter dem Namen „Rosenheimer Landwerk“ vermarktet der Energieversorger den Strom von Wind-, Photovoltaik-, Wasserkraft- und Biogasanlagen.


Aktuell bietet das Rosenheimer Landwerk eine vollautomatisierte flexible Anlagensteuerung für Erzeugungsanlagen ab 100 kW aufwärts an. Damit will der Anbieter dezentrale Anlagen gebündelt steuern und so das Energiesystem stabilisieren. „Wir brauchen schnelle, flexible Leistung, wie sie Biogasanlagen bereitstellen können“, sagt Gilbert Vogler, Projektleiter bei den Stadtwerken Rosenheim im Bereich Energiemarkt.


Voraussetzung für die Integration einer Vielzahl kleiner Anlagen mit hoher Speicherkapazität in ein virtuelles Kraftwerk wie das Rosenheimer Landwerk ist die Clusterung zur Optimierung der Fahrweise. „Damit ist keine Einzelbetrachtung mehr nötig“, erklärt Vogler. „Das vereinfacht den Optimierungsprozess ungemein und spart erheblich Rechenzeit“.


Alle Anlagen eines Clusters haben dabei die gleichen spezifischen Eigenschaften, so dass im Grunde nur noch ein einziger Anlagentyp betrachtet werden muss. Außerdem sei bei einer Veränderung der Anlagenzahl innerhalb eines Clusters keine Modellanpassung notwendig. Auch das spare Zeit und Kosten bei der Optimierung.


Grundsätzlich könnten in das virtuelle Kraftwerk aber alle Anlagentypen integriert werden, betont er. Das geschieht beim Rosenheimer Landwerk genauso wie bei anderen Stromhändlern wie Next oder e2m, die ebenfalls virtuelle Kraftwerke betreiben.


hinrich.neumann@topagrar.com

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