Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Verträge mit Biogasanlagen: Steigen Sie noch durch?

Lesezeit: 9 Minuten

Substratlieferung, Wärmebezug, Betriebsführung: Landwirte und Biogasanlagenbetreiber haben häufig vielfältige Beziehungen. Doch viele Verträge waren von Anfang an nicht bedarfsgerecht und sollten angepasst werden, meint Rechtsanwalt Götz Gärtner.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Verträge zwischen Landwirten und Biogaserzeugern können zu Konflikten führen. Wo gibt es Probleme?


Gärtner: Viele Landwirte haben Substratlieferverträge mit Biogasanlagenbetreibern abgeschlossen. Nicht selten sind Betreibergesellschaften aber kompliziert ineinander verschachtelt, sodass der Vertragspartner nicht klar zu erkennen ist. Gerade größere Anlagen können zudem in der Hand von Investoren sein. Kommt es zum Verkauf der Anlage oder einer anderen Umfirmierung, ändern sich auch die Beteiligten, die Verträge werden jedoch häufig nicht richtig angepasst. Solange nichts passiert, fällt das keinem auf. Aber muss z.B. die Anlage Insolvenz anmelden, steht der Lieferant vor einem Problem, wenn der Vertrag bereits erfolgte Lieferungen nicht absichert oder ein Vertrag mit dem derzeitigen Nutzer gar nicht besteht. Die Insolvenzverwalter sind da knallhart, da sie ja alle Gläubiger zu vertreten haben, wie aktuelle Fälle zeigen.


Wie groß ist die Gefahr einer Insolvenz von Biogasanlagen?


Gärtner: Pauschal kann man das nicht beantworten. Größere Insolvenzen in jüngster Zeit zeigen, dass gerade Investorenanlagen häufiger finanzielle Probleme bekommen als Anlagen, die Landwirten vor Ort gehören. Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig. Probleme treten z.B. auf, wenn die Anlage bereits anfänglich zu teuer gebaut wurde oder wenn die Substratlieferung aufgrund einer schlechten Ernte ausbleibt – wie aktuell bei der erneuten Trockenheit zu befürchten ist. Wenn dann auch noch nach sieben bis acht Jahren die Ausgaben für Reparaturen und Ersatzinvestitionen bei den Biogasanlagen ansteigen, wird es eng. Da die Anlagen meist als haftungsbeschränkte Gesellschaft, z.B. als GmbH & Co. KG, betrieben werden, sind die Geschäftsführer gesetzlich dazu verpflichtet, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Ansonsten machen sie sich strafbar.


Welche Gefahr sehen Sie bei der Substratlieferung?


Gärtner: Dem Grunde nach ist zunächst zu betonen, dass die überwiegende Anzahl von Transaktionen problemlos abläuft, insbesondere, wenn sich die Handelspartner seit Jahren kennen. Das ändert sich jedoch, wenn eine Seite z.B. in Not gerät.


Das größte Risiko besteht für den Landwirt wohl darin, dass er seine Ware nicht bezahlt bekommt, also einen Totalausfall erleidet. Wie bei anderen Verträgen sollte man sich hier absichern. Dies geschieht am ehesten dadurch, dass man Ware nicht ohne Bezahlung aus der Hand gibt. Die Ware sollte also bezahlt sein, wenn der Abnehmer sie übernimmt, was bei Substraten meist schon zum Erntezeitpunkt geschieht. Der Lieferant kann sich weiter bei eventuell noch nicht bezahlten kleineren Beträge z.B. über einen einfachen Eigentumsvorbehalt absichern.


Schwierig wird es, wenn das Silo mit der Biomasse von mehreren Lieferanten befüllt wird. Hierbei kommt es darauf an, wie man sich per Vertrag oder Lieferschein sein Eigentum sichert oder wie man dem Insolvenzverwalter nachweist, wie viel man selbst an die Anlage geliefert hat. Der häufig in Verträgen anzutreffende, verlängerte Eigentumsvorbehalt ist noch komplizierter zu handhaben und sollte eigentlich nur absoluten Handelsprofis mit auch juristischem Know-how vorbehalten bleiben. Eine weitere Absicherung kann eine Ausfallversicherung sein, also eine Hermesversicherung, die aber einiges kostet, und die auch nicht alle Handelspartner versichert. Übrigens: Lehnt die Versicherung den eigenen Handelspartner bereits bei einer Anfrage ab, kann das auch bereits ein Hinweis auf dessen mangelnde Liquidität sein.


Wie steht es um den Substratpreis?


Gärtner: Die Preisgestaltung ist leider ein Auslöser von Konflikten, die bei regelmäßiger Anpassung der Verträge vermeidbar wären. Häufig ist die Preisfindung nicht mehr zeitgemäß, der Substratpreis zu starr oder regional nicht mehr angemessen, haben wir festgestellt. Unstimmigkeiten gibt es auch beim Anbaurisiko. Wird nach Hektar abgerechnet, trägt in der Regel der Anlagenbetreiber das Risiko, erfolgt die Abrechnung dagegen nach Tonne, eher der Lieferant. Verträge können auch Formeln für die Preisgleitklausel enthalten, die die Parteien zum Teil selbst nicht verstehen, oder Fälligkeitsfristen, die keiner gelesen hat. Zudem müssen auch die Nebenleistungen wie der Transport der Biomasse oder das Festfahren entsprechend vergütet werden.


Sofern die Vergütung auch von weiteren Faktoren außer einer schlichten Lieferung abhängt, wie z.B. dem Gasertrag oder Ähnlichem, sollten die Parteien dies zu Beginn ausführlich erläutern und auch vor einfachen Fragen nicht zurückschrecken. Erst damit wird der Grundstein für eine gute langjährige Vertragsbeziehung gelegt, da wir oft feststellen müssen, dass ansonsten die Parteien möglicherweise nicht richtig kalkulieren und so ein erhöhtes Risiko für Streit besteht.


Bei welchen Verträgen mit Biogaserzeugern kann es noch Schwierigkeiten geben?


Gärtner: Gerade bei kleineren Investorenanlagen steht die Biogasanlage häufig auf dem Grundstück eines Landwirts, damit der Investor die Anlage im Außenbereich genehmigt bekommt. Oft sind auch Dienstbarkeiten für die Anlage im Grundbuch eingetragen. Wenn die Anlage in Schieflage gerät, kann das den gesamten Betrieb des Landwirts mitreißen. Denn was ist, wenn der Besitzer wechselt? Oder wer kommt für den Rückbau der Anlage auf und ist die Rückbaubürgschaft hoch genug? Was steht im Grundbuch? Stimmen Dienstbarkeit und Verträge überein? Das haben viele Landwirte wieder vergessen oder nicht überprüft.


Ähnlich kompliziert kann es werden, wenn der Landwirt als Betriebsführer angestellt ist oder sein Betrieb Wärme von der Anlage bezieht, und Streit entsteht, weil die Verträge oft nicht oder nicht sinnvoll verbunden sind.


Können Sie dazu ein Beispiel nennen?


Gärtner: Landwirt L hat eine Biogasanlage von Betreiber B auf seinem Grundstück stehen. L führt die Anlage und bekommt dafür auch eine Vergütung. L hat hinsichtlich der Vergütung für die Nutzung seines Grundstücks und in Bezug auf die Betriebsführung eine Gesamtkalkulation vorgenommen und ist mit dem Ergebnis unter dem Strich zufrieden.


Nun wird der Betriebsführungsvertrag gekündigt sowie auch andere Verträge, die L wichtig sind. Die Nutzungsverträge für B laufen aber weiter. L war davon ausgegangen, dass alle Verträge nur zusammen zu sehen sind. Dies steht jedoch nirgendwo in den Dokumenten.


Verstärkt treten diese Probleme auf, wenn die oben bereits erwähnten Dienstbarkeiten auch nach einer Insolvenz weiter bestehen, andere Verträge aber möglicherweise nicht, die dem Landwirt wichtig sind.


Die Frage ist auch, ob er als Betriebsführer eine ausreichende Versicherung hat. Genauso kann es sein, dass der Landwirt als Kommanditist finanziell beteiligt ist. Wir haben schon Fälle erlebt, wo der Landwirt stiller Teilhaber war, ohne wirklich verstanden zu haben, was das bedeutet.


Oder der Landwirt hat möglicherweise selbst Geschäftsführerfunktion in einer haftungsbeschränkten Gesellschaftsform und kann belangt werden, wenn der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt wird, obwohl ihm dies gar nicht bewusst war.


Was raten Sie betroffenen Landwirten?


Gärtner: Sie sollten in ruhigen Zeiten die Verträge überprüfen und im Zweifelsfall das Gespräch mit dem Biogasanlagenbetreiber suchen. Unserer Erfahrung nach sind diese in der Regel aufgeschlossen, solange alles planmäßig läuft. Es wird immer teuer, wenn man erst im Krisenfall reagiert und Verträge ändern will bzw. sogar vor Gericht zieht. In vielen Fällen wäre eine günstigere Lösung herausgekommen, wenn man Probleme vorher erkannt und abgestellt hätte. So wird unter Umständen unnötig Geld verbrannt.


Jeder Landwirt sollte sich selbst fragen, ob er noch durch die Verträge durchsteigt und genau weiß, was er vereinbart hat. Wir kennen Fälle, da haben Landwirte bis zu acht verschiedene Verträge mit der Betreiberseite abgeschlossen, ohne dass die vielen Verpflichtungen und Rechte vertraglich verzahnt sind. Auch sollte er kritisch prüfen, welche Folgen eine Insolvenz oder der Ausfall der Anlage für seinen Betrieb hätte. Hat er dann noch Zugriff auf sein Grundstück? Oder kann der Betrieb andere Wärmequellen erschließen, wenn es die Anlage nicht mehr gibt? Genauso kritisch ist es, wenn ein Tierhalter Gülle an die Biogasanlage liefert. Kann er die Gülle auch ohne Anlage loswerden bzw. lagern? Die neue Düngeverordnung kann ihn dabei vor ganz neue Pro-bleme stellen. Hier wäre auch zu prüfen, ob der Landwirt eine insolvente Biogasanlage eventuell selbst übernehmen will. Was wäre dafür nötig? Gerade diese Überlegung ist nicht uninteressant, da im Insolvenzfall die Anlagen mit Wertverlust, also etwas günstiger verkauft werden.


Ein anderes Problem kann auftreten, wenn die Anlage bestimmte Umweltauflagen nicht erfüllt. Kommt es zur Gewässerverunreinigung, kann der Landwirt als Grundstückseigentümer möglicherweise sogar strafrechtlich belangt werden. Zudem sollte er prüfen, ob es im täglichen Geschäft Absprachen gibt, die nicht im Vertrag stehen, und ihm sehr wichtig sind. Dafür sollte er dann eine schriftliche Bestätigung einholen bzw. die Verträge auch formal wirksam anpassen.


Soweit Anpassungen vorgenommen werden, ist auch darauf zu achten, dass je nach Regelungsgegenstand unterschiedliche Vorgaben gelten, z.B. für Grundstücksgeschäft notarielle Form, sowie für bestimmte Pachtverträge, aber auch Erklärungen wie Kündigungen die Schriftform.


Was raten Sie Biogasanlagenbetreibern? Was sollten sie bezüglich der Verträge beachten?


Gärtner: Die oben genannten Hinweise gelten grundsätzlich natürlich auch für die Betreiberseite, weil diese ebenfalls ein Interesse an einer langen und problemfreien Vertragsbeziehung hat. Ich sehe beim Betreiber eine gesteigerte Verantwortung in Bezug auf eine Pflege der Verträge, da er in der Regel über mehr kaufmännische Erfahrung verfügt.


Zudem sind Regelungen zur Insolvenzabsicherung nicht als Angriff des Landwirts zu verstehen. Der Betreiber kann dadurch ebenfalls überprüfen, ob die Anlage in einem Krisenfall überhaupt verkehrsfähig ist, das heißt, in ihrer Gesamtheit nebst aller wichtigen Bestandteile überhaupt übertragbar wäre, was auch den finanzierenden Banken hilft.


Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt eine auch in guten Zeiten gepflegte und sehr regelmäßig geführte offene Kommunikation sowie ein darauffolgendes verlässliches und fachlich richtiges, d.h. betriebswirtschaftlich sowie steuerlich und rechtlich fundiertes Umsetzen der Vereinbarungen.


hinrich.neumann@topagrar.com


hinrich.neumann@topagrar.com


hinrich.neumann@topagrar.com


hinrich.neumann@topagrar.com


In der nächsten Ausgabe bringen wir zwei Beispiele für Verträge aus der Praxis, bei denen sich die Partner auf Änderungen geeinigt haben.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.