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Vom Gärrest zum Weinkarton

Lesezeit: 6 Minuten

Die Firma Benas aus Ottersberg hat die Biogasproduktion zu einer innovativen Bioraffinerie weiterentwickelt. Der Clou: Aus Gärrestfasern stellt sie Papier und Fasergussprodukte her.


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Christoph Heitmann hält die becherartige Pappform ins Licht: „Hier kann man die Fasern noch gut sehen.“ Der Geschäftsführer der Benas Biogasanlage GmbH in Ottersberg bei Bremen spricht von Fasern, die er aus dem Gärrest der Biogasanlage extrahiert. Daraus stellt die Firma seit diesem Jahr Verpackungsmaterial und Papier her. Nach rund zehn Jahren Entwicklung wird die Biogasanlage, die Christoph Heitmann zusammen mit seinem Vater Jürgen führt, jetzt zur Bioraffinerie.


Noch ist Heitmann auf seinem Gebiet Pionier. Aber er sieht durchaus Perspektiven auch für andere Biogasanlagenbetreiber, die ihr Portfolio erweitern und einen neuen Geschäftsbereich aufbauen wollen.


Die Biogasanlage war ursprünglich mit umgerechnet 3 MW elektrischer Leistung im Jahr 2006 als Abfallvergärungsanlage in Betrieb gegangen. Im Lauf der Jahre ist eine Gasaufbereitung mit einer Biomethanproduktion von 650 m3/h dazu gekommen, sodass gut 40% des Biogases zu Biomethan aufbereitet und ins Gasnetz eingespeist werden. Heute sind an der Anlage mit mehreren BHKW rund 11 MW (elektrisch) installiert, wobei die Anlage flexibilisiert ist und an der bedarfsgerechten Stromversorgung teilnimmt.


Strippanlage als Herzstück


Die Idee zur Faserextraktion kam durch die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Nachhaltige Stoffnutzung mbH (GNS) in Halle an der Saale, die das Verfahren entwickelt hatte. „Ursprünglich wollten wir im Jahr 2011 die Fasern an die Holzwerkstoffindustrie liefern, aber Holz wurde so günstig, dass sich das nicht mehr lohnte“, blickt Heitmann zurück. Stattdessen will er jetzt Zell- oder Kunststoffe ersetzen.


Für die Faserproduktion wird der Gärrest in einer Ammoniumstrippanlage behandelt. Das „Faserplus-Verfahren“, das Benas und GNS zusammen entwickelt haben, läuft (vereinfacht erklärt) so ab:


  • Der Gärrest wird in senkrecht stehende Zylinder gepumpt, die Heitmann aus einer ehemaligen Brennerei gekauft hat. Hierin wird die Flüssigkeit erhitzt.
  • Dabei steigen Ammoniak, CO2 und Wasserdampf auf.
  • Das Gas kühlt sich ab und kondensiert. Anschließend wird Gips dazu gemischt, der bei der Rauchgasentschwefelung (REA) von Kraftwerken entsteht und entsprechend schwefelhaltig ist. „Dank des REA-Gipses müssen wir keine Schwefelsäure dazu geben, die ein Gefahrstoff ist und nicht einfach zu handhaben ist“, erklärt Heitmann. Am Ende entsteht aus dem Kondensat Ammoniumsulfatlösung (ASL) sowie Düngekalk.
  • Nach der N-Ausschleusung in der Strippanlage wird der Gärrest noch einmal separiert. In der Festphase sind die gewünschten Fasern enthalten, die im Weiteren zur Papiermaschine oder zur Fasergussproduktion gelangen.


Die Papierproduktion


Die Papiermaschine hat Heitmann in der Nähe von Berlin gebraucht gekauft, zerlegen und am Standort der Biogasanlage wieder aufbauen lassen. Gleichzeitig hat er einen Spezialisten zur Herstellung eingestellt.


Die Maschine kann Papier in Stärken von 50 bis 500 g/m2 auf einer Breite von 2,30 m produzieren. Der Output beträgt bis zu 20 t am Tag. Das Produkt wird auf Rollen aufgewickelt, die je bis zu 400 kg schwer sein können.


„Wir wollen auch Mulchpapier herstellen, das Landwirte sowie Obst- und Weinbaubetreibe zur Unkrautbekämpfung auslegen können“, erklärt Heitmann. Weitere geplante Produkte sind Matten mit integrierten Samen für Blühmischungen sowie Verpackungsmaterial für Lebensmittel und hochwertige Geschenkverpackungen für Wein, Whisky und andere Produkte.


Der Faserguss


Die zweite Schiene ist der Faserguss. Hier beträgt der Output bis zu 12 t pro Tag. Hergestellt werden Anzuchttöpfe und andere Produkte vor allem für Gärtnereien. Die Produktion läuft mehr oder weniger automatisch ab. „Wir haben mehrere Roboter installiert, die aus dem Faserbrei mithilfe von Formen die verschiedenen Produkte herstellen“, erklärt er. Die Formteile stellt Benas mit einem 3-D-Druckers selbst her. Das Material wird in den Formen in eine mehrstöckige Trocknungshalle befördert.


Wenn beide Produktionsschienen voll ausgelastet sind, können sie jährlich 10000 t Fasern verarbeiten. Der eigene Gärrest liefert nur 8000 t Fasern im Jahr, den Rest kauft Benas in Form von Cellulosefasern zu.


Die Biogasproduktion in der Anlage basiert auf Gras, Mais, aber auch Getreide-Ganzpflanzensilage. „Der Input hat wenig Einfluss auf die Faserproduktion“, hat Heitmann festgestellt. Auch reduziert die Faserproduktion das Gärrestvolumen nur marginal: Bei einem Input von 120000 t Biomasse im Jahr bleiben 90000 m³ Gärrest übrig. Daraus extrahiert Benas 8000 t Fasern.


Die im Gärrest fehlenden Fasern könnten allerdings die Humusbilanz auf dem Acker negativ beeinflussen. „Wir werden daher verstärkt Zwischenfrüchte anbauen und – wo möglich – separierten Gärrest von anderen Biogasanlagen annehmen“, stellt Heitmann in Aussicht.


Hoher Wärmebedarf


Sowohl die Strippanlage als auch die Papier- und Faserproduktion benötigen Wärme, die von den Blockheizkraftwerken (BHKW) stammt. Insgesamt produzieren alle BHKW zusammen rund 3,5 MW Wärme. Die Trocknung benötigt 1,5 MW, ebenso die Strippanlage. Normalerweise fällt genug Abwärme an. „Aber der Netzbetreiber schaltet unsere Anlage hier relativ oft ab, weil bei uns – wie fast überall in Norddeutschland – gerade am Wochenende zu viel Strom im Netz ist und eine Überlastung droht“, erklärt der Geschäftsführer. Wenn die Abregelung über mehrere Stunden geht, fällt das BHKW als Wärmeerzeuger aus. Für diesen Fall gibt es einen Biogasbrenner bei der Papierproduktion, der notfalls auch beim stillstehenden BHKW Wärme produziert.


Bei der Strippanlage ist ein Stillstand dagegen nicht kritisch, da immer so viel behandelter Gärrest vorhanden ist, um die Papier- und Fasergussproduktion vier Tage lang aufrechtzuerhalten.


Lösung für kleinere Anlagen


Eine Bioraffinerie in dem Ausmaß wie in Ottersberg ist wegen der Investitionssummen nur für größere Biogasanlagen wirtschaftlich, sagt Heitmann: „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 5 bis 6 Mio. € in die Entwicklung und Anschaffung verschiedener Produktionsanlagen gesteckt.“


Zudem arbeiten derzeit rund 15 Mitarbeiter in den verschiedenen Produktionszweigen. Aber denkbar wäre, dass andere Biogasanlagen Fasern herstellen und entweder an einen Abnehmer verkaufen oder gemeinsam mit anderen Anlagen in einer eigenen, zentralen Anlage weiterverarbeiten. Eine 500-kW-Anlage kann ca. 1000 bis 1500 t Fasern im Jahr herstellen. „Ebenso denkbar ist eine Zusammenarbeit bei der Vermarktung von fertigen Produkten“, fügt er hinzu.


Die Produkte kommen heute unter der Marke „Magaverde“ auf den Markt. Die Nachfrage entwickelt sich gut, sagt er. Abnehmer sind u.a. Weiterverkäufer an Baumärkte, aber auch Online-Shops, Zulieferer von Gärtnereien oder Kartonagewerke. „Wir wollen aber nicht in den hart umkämpften Altpapiermarkt, sondern in Nischenmärkte, wo hochwertige Produkte gefragt sind“, erklärt er.


Noch ist der Markt kein Selbstläufer, denn ein Pflanztopf aus Kunststoff kostet 2 bis 3 ct, der Magaverde-Topf dagegen ca. 4,5 bis 5 ct. Benas setzt aber darauf, dass künftig nicht mehr nur die Kosten, sondern auch die Nachhaltigkeit der Produkte eine Rolle spielt. Außerdem kann der Topf aus Gärrestfasern mit ausgepflanzt werden, während Kunststofftöpfe zu entsorgen sind. Ein weiterer Vorteil: Auch wenn ein Großteil des Stickstoffs durch die Strippung entfernt wird, wird der Fasertopf auch als Dünger.


hinrich.neumann@topagrar.com

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