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Windige Geschäfte

Lesezeit: 7 Minuten

Mit Drückermethoden bieten in vielen Regionen Projektentwickler oder auswärtige Investoren Landwirten ­dubiose Verträge an. Ein Fall aus dem Emsland setzt dem Ganzen die Krone auf.


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Die vier Männer im dunklen Anzug klingeln an der Tür von Landwirt B. „Wir haben Ihnen ein interessantes Angebot zu machen, mit Windenergie lässt sich viel Geld verdienen“, verkündet einer der vier – und zieht einen Stapel Papier aus der Aktentasche. Als B. die Beträge sieht, die ihm geboten werden, leuchten ihm die Augen. 30 000 € Pacht pro Hektar und Jahr! B. braucht nicht lange überlegen. „Wo soll ich unterschreiben?“, fragt er.


Viele leere Versprechen.

So oder ähnlich laufen zurzeit viele Besuche ab, die Landwirte von Projektgesellschaften bekommen und die mit angeblich „lukrativen Angeboten“ winken. So auch in der Region Herzlake im niedersächsischen Emsland. Dort sorgte eine bis dato unbekannte Planungsfirma aus der Region für Aufsehen, die in der Gegend mehrere Windparks errichten will. Die Vertreter sprachen gezielt Landwirte an, deren Flächen im Kerngebiet der Windparkzone liegen.


Doch während rund 20 der Flächenbesitzer einen Pachtvertrag unterschrieben haben, setzen sich andere Landwirte und Anwohner zur Wehr. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Windenergie. Ich ziehe jedes Windrad mit 3 Megawatt einer Biogasanlage vor, die einen wesentlich höheren Flächenbedarf hat“, macht Andre Richter, Verwalter des Guts Einhaus in Herzlake, deutlich. Aber zusammen mit seinen Nachbarn hält er den geplanten Standort aus praktischen und rechtlichen Gründen für ungeeignet.


Was sie außerdem stört, ist das Vorgehen der Planer. „Wir haben erst einen Tag vor der Versammlung die Vordrucke für die Nutzungsverträge zugeschickt bekommen“, kritisiert ein Landwirt, der lieber anonym bleiben will. Im Anschluss an die „Info-Veranstaltung“ sollten die Verträge schon in dreifacher Ausführung unterzeichnet werden – und dass, obwohl gar kein Vertragspartner feststand.


Ausreichend informiert wurden die Grundstückseigentümer auf der Veranstaltung dagegen nicht. „Der Schwerpunkt der Informationen lag auf dem Nutzungsvertrag und möglichen Einnahmen für die Grundstückseigentümer. Technik oder Risiken kamen nach meinem Empfinden zu kurz“, meint Richter, der selbst anwesend war.


Das Vorhaben wird nach außen hin als Bürgerwindpark verkauft. Die Mindestbeteiligung der Bürger soll aber bei einer Einlage von 10 000 € liegen – viel zu hoch für die meisten Haushalte. Außerdem sichert sich die Planungsfirma mit eigenen Anlagen einen Anteil an der Gesellschaft.


Gestört haben die Landwirte auch die Methoden, mit denen die Projektgesellschaft vorgegangen ist. „Ob Sie unterschreiben oder nicht – der Windpark kommt auf jeden Fall. Doch während Sie leer ausgehen, verdient Ihr Nachbar kräftig mit“. Mit derartigen Aussagen haben die Planer den Neid unter den Flächenbesitzern geschürt.


Der Windpark soll außerdem in der Nähe des Hahnemoors entstehen, einem Naturschutzgebiet mit Rast- und Fressflächen vieler Zugvögel. Im Regionalen Raumordnungsprogramm, das erst 2011 erneuert wurde, ist jedoch kein Windpark auf diesen Flächen vorgesehen. Und als sei das noch nicht genug, stellte sich auch noch heraus, dass der ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde Angestellter bei eben dieser Planungsfirma ist.


Parks werden häufig verkauft!

Für Richter ist es völlig unverständlich, warum einige Grundstückseigentümer bei so viel ungelösten Fragen trotzdem einen Nutzungsvertrag unterschreiben konnten. „Das ist kein Einzelfall, in vielen Regionen versuchen neue, aber auch gestandene Planungsfirmen Grundstücke zu sichern“, beobachtet Harald Wedemeyer, Justitiar beim Niedersächsischen Landvolk.


Die „Projektierer“ wollen dabei nicht unbedingt selbst einen Windpark errichten und betreiben. „Sie sichern sich die Flächen, lassen die Anlagen genehmigen, kaufen diese und übertragen das gesamte Paket z. B. auf Fondsgesellschaften“, berichtet der Landvolk-Experte. Dabei gehen sie sehr forsch zu Werke und versprechen Landwirten Pachtzahlungen in Höhe von bis zu 10 % des Stromerlöses. (siehe auch Kasten auf S. 144).


Aber diese Versprechen können sich sehr schnell als Luftnummer erweisen. „Wenn der Projektierer das Paket an eine Fondsgesellschaft verkauft und sich danach herausstellt, dass der Park nicht wirtschaftlich ist, wird in der Regel nachverhandelt“, schildert Wedemeyer das übliche Vorgehen. Die Folge: Die Verträge werden angepasst und die Grundstückseigentümer müssen dabei gravierende Einbußen hinnehmen.


Denn nicht selten sind in dem Vertrag versteckte Klauseln enthalten, mit denen der Betreiber die Pacht senken kann, wenn der Park nicht wirtschaftlich läuft.


Windpark als Renditeobjekt:

Das Interesse von Investoren an der Windkraft ist groß. „Viele Windparks werden von Projektgesellschaften nach zwei Jahren an Investoren wie die Allianz oder an Energieversorger wie RWE oder E.ON Avacon verkauft“, weiß auch Algrid Hagen-Gerdes, Windenergie-Expertin bei der Landvolk Betriebs GmbH aus Sulingen (Niedersachsen). Die Allianz beispielsweise sieht in Windparks gute Renditemöglichkeiten für Versicherungen. Während sich die Rendite aus Bankanleihen, Pfandbriefen und Staatspapieren auf sehr niedrigem Niveau bewegen, versprechen Investitionen in Windenergieanlagen höhere Erträge. Seit 2005 hat die Allianz mittlerweile rund 1,3 Mrd. € in Wind- und Solarparks gesteckt.


„Gerade kleinere Planungsfirmen können einen Windpark ohne große Vorlaufkosten planen. Sie verkaufen die Nutzungsrechte dann an größere Gesellschaften, bevor teure Gutachterkosten usw. auftreten“, beobachtet Dr. Thomas Heineke von der Rechtsanwaltskanzlei Blanke, Meier, Evers (BME) aus Bremen.


Das macht deutlich: Wer heute einen Nutzungsvertrag bei einer Projektgesellschaft unterschreibt, kann sich nicht sicher sein, ob diese auch in den nächsten Jahren der Vertragspartner bleibt. „Erschwerend kommt dazu, dass mit der Unterschrift die Fläche je nach Vertrag für drei bis fünf Jahre an den Projektierer gebunden ist. Der Landwirt kommt in dieser Zeit aus diesen Verträgen nicht hinaus – auch wenn kein Windpark dort gebaut wird“, macht Heineke deutlich. Und nach den fünf Jahren kann es unter Umständen zu spät sein, wenn ein anderer Projektierer in der Nachbarschaft einen Windpark geplant oder gebaut hat. Dann ist das Gebiet „besetzt“.


Auch warnen Experten davor, Versprechungen wie hohe Pachten oder Glauben zu schenken: „Niemand kann genau sagen, wo genau ein Windrad stehen wird, bevor die Planung abgeschlossen ist“, führt Heineke an. Schützenswerte Tierarten oder ein benachbarter Flugplatz der Bundeswehr können den gesamten Windpark in Frage stellen. Aber selbst, wenn die Fläche als Windvorrangfläche eingestuft wird, kann das Grundstück eines Landwirts genauso gut als Wegefläche, als Abstandsfläche zu den Anlagen oder nur als Anströmfläche dienen, mit der die Fläche vor den Windrädern von einer möglichen Bebauung freigehalten werden soll.


Hohe Margen für Planer.

Das Vorgehen einiger externer Projektierer hat noch einen weiteren Nachteil, wie Jörg Tiemann, Geschäftsführer der Windpark Hollich GmbH & Co. KG (Nordrhein-Westfalen) erläutert: „Nach zwölfjähriger Erfahrung wissen wir, dass viele einen zu hohen Gewinn in der Planungsphase erwirtschaften wollen. Sie werden also versuchen, den überplanten Standort oder den fertigen Windpark möglichst teuer z. B. an Fondsgesellschaften zu verkaufen.“ Das verteuert die Investition und schmälert die Rendite der Anleger.


Ein anderes Risiko besteht, wenn sich vermeintlich „neutrale“ Planer oder Beratungsbüros für ihre Leistung in der zwanzigjährigen Betriebszeit einen zu hohen Anteil der Einspeisevergütung beanspruchen oder ihre Aufgaben z.T. nur unzureichend aus der Ferne erledigen.


Dass Bürgerwindparks beliebt sind, haben auch externe Investoren bemerkt. Oft wird unter dem Deckmantel des Bürgerwindparks versucht, Akzeptanz vor Ort herzustellen. „Aber häufig ist in den Verträgen völlig unklar, wie sich Bürger beteiligen können“, berichtet Rechtsanwalt Heineke. Oder die Hürden sind z.B. mit einer hohen Mindestbeteiligung so hoch, dass nur wohlhabende Bürger finanziell Geld anlegen – wie im Fall Herzlake angedacht. Andre Richter (Gut Einhaus) bringt es auf den Punkt: „Am Ende verdienen nur die Geld, die eh genug Geld haben. So kriegen wir die Energiewende in Deutschland nicht hin!“Hinrich Neumann

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