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„Windräder müssen grundlastfähig sein“

Lesezeit: 5 Minuten

Das Ingenieurbüro windwise aus Münster hat eine neuartige Windkraftanlage entwickelt, die sich auch für das Repowering in der Landwirtschaft eignen würde. Geschäftsführer Benno Sandmann erklärt die technischen Details.


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Sie haben einen neuartigen Anlagentyp mit Namen „maxcap“ entwickelt. Was ist das Besondere daran?


Sandmann: Unser Ziel war eine möglichst grundlastfähige Anlage. Sie soll eine hohe Volllaststundenzahl liefern, also gleichmäßig über das Jahr verteilt viel Strom produzieren.


Warum ist das sinnvoll?


Sandmann: Bisher hat sich die Windindustrie am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) orientiert. Nach dem EEG wurde jede erzeugte Kilowattstunde Strom vergütet, egal, zu welcher Zeit sie produziert wurde. Daher war es sinnvoll, die Leistung zu maximieren. Aber künftig muss sich die Windenergie stärker am Strommarkt orientieren. Nach dem neuen EEG 2021 erhalten Betreiber beispielsweise keine Vergütung mehr, wenn der Strompreis an der Börse über vier Stunden negativ ist. Das ist gerade dann der Fall, wenn es viel Wind und damit viel Windstrom gibt. Daher ist es sinnvoll, dass eine Anlage auch bei weniger Wind viel Strom produziert, also zu Zeiten, in denen der Strompreis höher ist. Das Thema hatte uns schon länger beschäftigt. Vor vier Jahren wurde im Klimaschutzwettbewerb Nordrhein-Westfalen zufällig genau dieser Anlagentyp ausgeschrieben. Wir haben uns mit unseren Partnern, dem Center for Wind Power Drives der RWTH Aachen und dem Getriebehersteller Eickhoff erfolgreich beworben.


Wie genau unterscheidet sich die Anlage jetzt von anderen Typen?


Sandmann: Die Anlage hat eine Nennleistung von 2,3 MW und 141 m Rotordurchmesser. In Europa werden sehr häufig Anlagentypen mit ähnlichem Rotordurchmesser, aber 3,5 bis 5 MW Nennleistung installiert. Sie werden in der Regel bei 11 m/s abgeregelt. Das bedeutet: Die Blätter werden verstellt und aus dem Wind gedreht. Bei unserer maxcap-Anlage geschieht das schon bei 8 m/s.


Welchen Einfluss hat das auf die Volllaststunden?


Sandmann: Mit diesem großen Rotordurchmesser kommen wir auf 3500 bis 4000 Volllaststunden. Das bedeutet einen Kapazitätsfaktor von 40% an Schwachwindstandorten, 50% an Windstandorten der Klasse 2 oder 3. Als Kapazitätsfaktor wird das Verhältnis der Volllaststunden zur Jahresstundenzahl bezeichnet. Bei heutigen Windenergieanlagen gelten 25% als guter Wert. Der vergleichsweise hohe Kapazitätsfaktor hat im Übrigen auch zur Namensgebung für unsere Anlage „maxcap“ geführt. Neben der höheren Auslastung ist auch die Gewichts- und Kosteneinsparung besonders wichtig.


Wie erreichen Sie das?


Sandmann: Eine Anlage wird immer nach der maximalen Windlast ausgelegt. Diese liegt zu dem Zeitpunkt an, kurz bevor die Steuerung die Blätter aus dem Wind dreht. Da unsere Anlage nicht bei 11, sondern schon bei 8 m/s aus dem Wind dreht, ist der Schub geringer. Wir können damit z.B. bis 130 m Turmhöhe einen leichten Stahlturm verbauen. Er ist deutlich günstiger als die sonst üblichen Betontürme. Auch bei den Rotorblättern und dem Maschinenhaus sparen wir Gewicht und damit Kosten ein. Das ist wichtig für Zeiten, in denen es keine feste Einspeisevergütung mehr gibt.


Inwiefern?


Sandmann: Hohe Windgeschwindigkeiten sind eher selten. Damit sind auch die Zeiten, in denen die Anlage ihre Nenngeschwindigkeit erreicht, gering. Trotzdem muss eine Anlage auf den kurzen Zeitraum mit hohen Windlasten ausgelegt werden. Das macht die Technik teuer. Darum lohnt es sich, früher abzuschalten und die Anlagen leichter auszulegen.


Aber wird der technische Fortschritt bei den Speichern nicht dafür sorgen, dass Windstrom, der in Zeiten mit viel Wind und wenig Verbrauch produziert wird, gespeichert und später genutzt werden kann?


Sandmann: Das könnte man meinen, doch auch bei Speichern ist eine hohe Volllaststundenzahl sinnvoll. Das Gleiche betrifft die Elektrolyse, um aus dem Strom Wasserstoff zu produzieren. Die Anlagen dazu sind teuer. Es ist falsch anzunehmen, man könnte nur die nicht benötigten Stromspitzen zu Wasserstoff machen. Wir brauchen dafür eine möglichst kontinuierliche Produktion. Auch das wäre mit unserer Anlage möglich.


Welche Projekte oder Kunden haben Sie damit speziell im Blick?


Sandmann: Interessant ist die maxcap mit ihrer Volllaststundenzahl z.B. für Industriebetriebe, die auf ihrem Gelände Platz für das Windrad haben und ihren eigenen Strom günstig herstellen wollen, ohne ihn ins Stromnetz einzuspeisen. Aber auch für die Landwirtschaft könnte die Anlage jetzt eine Lösung sein. Denn viele Pioniere haben Altanlagen in Hofnähe stehen. Für größere Anlagen reicht oft der Platz oder auch die Kapazität des Netzanschlusspunktes nicht aus.


Wie ist der Stand heute und wie geht es jetzt weiter?


Sandmann: Die Entwicklung ist abgeschlossen, die Anlage hat alle nötigen Tests auf dem Prüfstand abgeschlossen und bestanden. Jetzt warten wir auf die Baugenehmigung, um im vierten Quartal 2021 im Raum Münster den Prototypen errichten zu können. Anschließend soll die Anlage in Lizenz von Partnerfirmen gebaut werden, da wir selbst vorrangig Ingenieursdienstleistungen anbieten und kein Anlagenhersteller sind.


hinrich.neumann@topagrar.com

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