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Windstrom für Kühlhäuser und Lkw

Lesezeit: 5 Minuten

Die Betriebe Thießen und Göser aus Schleswig-Holstein haben ein besonderes Vermarktungskonzept für Gemüse aufgebaut. Die Energie liefert ein Windpark – auch ein Modell für andere Altanlagen.


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Leve Thießen zeigt in der 5°C kalten Halle auf die schier endlosen Reihen mit Holzkisten: „Hier sind über 2000 Kisten mit Kohl, Möhren und Kartoffeln gestapelt. Und das ist nur ein Teil unserer Ernte!“ Der junge Landwirt aus Kronprinzenkoog in Schleswig-Holstein baut zusammen mit seinem Berufskollegen Björn Göser auf rund 500 ha verschiedene Kohlarten, aber auch Möhren und Kartoffeln an. „Wir lagern das Gemüse hier etwa bis März, dann beginnt die Vermarktung“, sagt er. Für diese hat er mit Göser und dem Vermarktungsexperten Matthias Bartels das Unternehmen FreshField Handelsgesellschaft gegründet. Sie beliefern vor allem Gemüseverarbeitungsbetriebe sowie Vorlieferanten für Lebensmittelketten.


Windpark liefert Strom


„Wenn Du heute bei der Vermarktung vorn sein willst, musst Du etwas Besonderes bieten – z.B. eine nachhaltige Produktion“, sagt er. Und dabei haben die beiden Landwirte einiges zu bieten:


Der Stromverbrauch im Betrieb liegt bei rund 500000 kWh. 88 bis 90% davon beziehen sie von einem eigenen Windpark, den die Thießen Alternativ-energie GmbH & Co. KG betreibt.


Zur Eigenstromversorgung verläuft ein Stromkabel direkt vom Windpark zum Betrieb und von dort zu den einzelnen Kühlhäusern. Erst hinter der Kabelabzweigung liegt der Netzverknüpfungspunkt, bei dem der Überschussstrom eingespeist wird. „Immer, wenn der Wind weht, nutzen wir den Windstrom. Trotzdem müssen wir noch einen kleinen Teil aus dem öffentlichen Versorgungsnetz beziehen“, erklärt Thießen. Künftig soll eine intelligente Steuerung eingerichtet werden. Damit soll es möglich sein, die Kühlhäuser nur dann auf voller Leistung zu fahren, wenn Wind weht. Die Lagerhallen haben ein großes Puffervermögen und können auch mal einen ganzen Tag ohne Stromversorgung auskommen. Denn die Temperatur steigt darin nur langsam an.


Die Investitionssumme für die Direktbelieferung betrug ca. 130000 €. Darin enthalten sind die Kosten für Trafos und 20 kV-Leitungen. Wegen der eigenen Stromleitung sparen die Landwirte zwar die Netzentgelte, müssen aber die volle EEG-Umlage in Höhe von knapp 6 ct/kWh bezahlen. Denn die Betreibergesellschaft des Windparks ist eine GmbH & Co. KG, der Betrieb dagegen eine GbR. Da Erzeuger und Abnehmer rechtlich nicht identisch sind, handelt es sich laut EEG also nicht um eine Eigenstromversorgung, sondern eine Direktbelieferung.


Derzeit erhalten die Landwirte eine Vergütung von 8 ct/kWh für den Windstrom. Für den Bezugsstrom müssen sie dagegen 26 ct/kWh bezahlen. „Insgesamt sparen wir derzeit rund 10 ct pro kWh, wenn wir den Windstrom direkt nutzen“, rechnet Thießen vor.


In drei bis vier Jahren könnte sich das ändern. Dann fällt der Windpark mit den im Jahr 2012 gebauten Anlagen aus der höheren Vergütungsstufe heraus, danach wird die kWh nur noch mit ca. 5 ct vergütet. Entsprechend mehr lohnt sich der Eigenverbrauch.


Wasserstoff aus Windstrom


Der Betrieb setzt beim Windstrom auch schon auf Sektorkopplung. Das bedeutet: Strom wird dazu benutzt, um z.B. Wasserstoff als Kraftstoff herzustellen. Dazu hat Hans-Reimer Thießen die Firma „Wind to Gas Energy“ mitgegründet, die in Brunsbüttel eine Wasserstoffproduktion betreibt (siehe Po-wer-to-Gas). Den Wasserstoff nutzt Thießen u.a. in einem Brennstoffzellenauto. „Wir zahlen derzeit 9,50 €/kg für den Kraftstoff und können damit rund 100 km fahren“, rechnet er vor. Damit liegt er pro 100 km etwa gleichauf mit Diesel. Allerdings sind die Brennstoffzellenfahrzeuge trotz Förderung teurer als herkömmliche Dieselmodelle.


Der Betrieb Thießen profitiert aber noch weiter von der Wasserstoffproduktion: Die Stadtwerke Brunsbüttel nehmen einen Teil des von Wind to Gas Energy produzierten Wasserstoffs ab und bieten das mit Wasserstoff angereicherte Erdgas als „Windgas“ an. An einer eigenen Gastankstelle am Hof wird damit ein Lkw von FreshField betankt, der einen Erdgasantrieb besitzt und den das Unternehmen in diesem Jahr angeschafft hat.


Auf dem Lkw ist der Weg vom Windstrom zum Windgas schematisch dargestellt. „Damit machen wir nicht nur Werbung für diese Art der Mobilität, sondern wir können auch damit werben, dass wir mit einem klimaschonenden Kraftstoff fahren“, sagt Leve Thießen. Die nachhaltige Produktion wird für den Lebensmitteleinzelhandel als Abnehmer wichtiger, haben sie festgestellt. Damit sich die eigenen Tankstelle lohnt, planen sie jetzt die Anschaffung eines Traktors mit Erdgasantrieb, sobald dieser verfügbar ist. „Unser Ziel ist, jährlich 70000 km mit Windgas zu fahren“; sagt der junge Landwirt.


Mit der Eigenstromversorgung und der Beteiligung an der Wasserstoffproduktion hat sich der Betrieb Thießen/Göser für die Zukunft aufgestellt und Wege aufgezeigt, die auch für andere Altanlagenbetreiber künftig interessant sein könnten.


Die Bundesregierung plant laut ihrem Ende September beschlossenen Klimapaket, die Wasserstoffproduktion zu fördern und rechtliche Hürden abbauen zu wollen. Davon könnte nicht nur der Betrieb Thießen profitieren, sondern auch viele Altanlagenbetreiber, die ab dem Jahr 2021 keine EEG-Vergütung mehr erhalten.


hinrich.neumann@topagrar.com

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