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Wir brauchen keine Solarenergie vom Acker!

Lesezeit: 7 Minuten

Der Ausbau der Solarenergie ist wichtiger Baustein der Energiewende, aber nicht auf Agrarflächen. Das würde nur den Flächenverbrauch beschleunigen. Ein kritischer Zwischenruf von Jobst Jungehülsing.


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Die Diskussion über den Sinn oder Unsinn von Solarstromanlagen auf dem Acker ist nicht neu: Breits vor ein paar Jahren gab es hitzige Debatten an deren Ende die Bundesregierung den bis dahin fast uneingeschränkten Bau der Anlagen auf Acker- und Grünlandflächen in die Schranken verwies. Sie zog eine Obergrenze ein. Seitdem darf die Solarbranche bundesweit höchstens zehn Anlagen pro Jahr mit je 10 Megawatt auf landwirtschaftlichen Flächen bauen.


Der Solarwirtschaft war das von Beginn an „ein Dorn im Auge“. Im neuen EEG setzte die Branche daher eine Länderöffnungsklausel durch, von der bislang die Länder Bayern und Baden-Württemberg Gebrauch gemacht haben. Danach dürfen bundesweit weitere Solarparks mit einer Gesamtleistung von bis zu 400 Megawatt pro Jahr gebaut werden. Schöpfen die Länder dieses Kontingent aus, würden pro Jahr weitere 800 ha unter den Modulen für Jahrzehnte verschwinden.


Produktionskosten sinken:

Es ist zudem absehbar, dass der Flächenverbrauch noch aus einem anderen Grund zunehmen könnte. Denn die oben beschriebenen Einschränkungen gelten nur für Investoren, die eine Vergütung nach dem EEG in Anspruch nehmen wollen. Wer keine staatlich garantierten Zahlungen erhält, kann hingegen bauen, wo er möchte und so viel wie er möchte – sofern er dafür eine Genehmigung erhält.


Bislang haben nur einige wenige auf eine Vergütung verzichtet, weil sich die Anlagen andernfalls kaum rentierten. Da die Kosten für die Solarstromproduktion aber sinken, könnte sich das künftig ändern.


Für die Landwirtschaft stellt sich damit erneut die Frage: Überwiegen die Chancen oder die Nachteile?


Die Antwort darauf, hängt vor allem von den Antworten auf diese vier Kernfragen ab:


Hoher Flächenverbrauch:

Seit 2001 haben Investoren auf rund 9000 ha Acker und Grünland in Deutschland Freiflächenanlagen gebaut. Seit 16 Jahren werden somit im Schnitt pro Tag 1,5 ha mit Freiflächenanlagen „zugepflastert“. Hinzu kommen Solarkraftwerke in Gewerbegebieten und Anlagen auf sogenannten Konversionsflächen, wozu Mülldeponien oder beispielsweise ehemalige Militärgelände zählen.


Die Landwirtschaft in Deutschland hat in den letzten 20 Jahren bereits über 1 Mio. ha Fläche durch den Bau von Straßen, Häusern, Aufforstungen und durch Ausweisung von neuen Naturschutzgebieten verloren. Ziel der Regierung ist es zwar, die Verluste von derzeit rund 64 ha pro Tag für den Siedlungsbau und den Ausbau der In-frastruktur auf 30 ha im Jahr 2030 zu senken. Davon ist sie aber derzeit weit entfernt.


Durch die Freiflächenanlagen findet zwar nur eine geringe Flächenversiegelung statt, gleichwohl stehen die Standorte für die Landwirtschaft und die Lebensmittelerzeugung nicht mehr zur Verfügung. Mit der Obergrenze im EEG 2014 gelang es immerhin, die Verluste auf etwa 1 ha pro Tag zu verringern.


Durch die Länderöffnungsklausel könnten die Verluste nun auf 5 ha/Tag ansteigen. Und das ist erst der Anfang. Hinzukommen noch einmal bis zu 5 ha Ausgleichsflächen pro Tag für den Bau der Sonnenkraftwerke. Kommt es tatsächlich soweit, wären damit bereits 17% der von der Regierung anvisierten Obergrenze von 30 ha Verlust am Tag aufgebraucht.


Und diese Verluste können ansteigen, wenn andere Bundesländer ebenfalls die Länderöffnungsklausel nutzen. So gibt es in Niedersachsen Pläne, bis zum Jahr 2040 auf weiteren 47200 ha Freiflächen zu installieren. Die Konsequenz der steigenden Flächenumwandlung: weniger landwirtschaftliche Wertschöpfung und vermutlich steigende Pachtpreise. Schon jetzt sind die im internationalen Vergleich hohen Pachten in Deutschland ein Kostenfaktor, der die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft belastet.


Die Solarwirtschaft verweist in diesem Zusammenhang zwar darauf, dass die Anlagen derzeit und in Zukunft auf Randstreifen oder in benachteiligten Gebieten gebaut werden sollen. Kritiker sehen darin aber eine Augenwischerei: So gehören beispielsweise 110-m-Randstreifen neben Schienen und Autobahnen zu diesen Ausnahmeflächen. Das sind in Deutschland 600000 ha wertvolles Acker- und Grünland.


Auch die „agrarstrukturell benachteiligten Gebiete“, die im Zuge der Öffnungsklauseln in Bayern und Baden-Württemberg für die Solarwirtschaft freigegeben wurden, sind nach Ansicht von Experten wertvolle Bestandteile der Agrarlandschaft.


Hinzu kommt: Der Erhalt dieser Flächen wird über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz seit Jahrzehnten gefördert. Ziel ist eine nachhaltige Landwirtschaft und die Erhaltung der Kulturlandschaft. Für nicht wenige ist es daher unverständlich, warum gerade dieser wertvolle Teil der Kulturlandschaft nun zum Standort für Solaranlagen werden soll. Es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis der Förderkonflikt bei den Bürgern Unmut hervorruft: Sie unterstützen schließlich als Steuerzahler den Erhalt dieser Flächen mit einer Ausgleichszulage, während sie als Energieverbraucher mit der EEG-Umlage den Ausbau der Energiewende finanzieren.


Vertreter der Solarbranche verweisen auch gerne auf sogenannte Agro-Freiflächenanlagen. Dahinter steckt die Idee, unter den Modulen noch Kulturpflanzen anzubauen, umso die vorhandene Fläche bestmöglich auszunutzen. Das Problem: Sowohl die Module als auch die Pflanzen müssen sich die Sonneneinstrahlung teilen. Das senkt die Produktivität bei beiden Verfahren. Daher finden sich derartige Anlagen auch fast ausschließlich auf Versuchsstandorten. In der Praxis sind sie kaum wettbewerbsfähig.


Bescheidene Effizienz:

Im Vergleich mit der Windenergie sind Photovoltaikanlagen ineffizient, was die Verwertung des Faktors Fläche betrifft. Das Thünen-Institut für Ländliche Räume hat kalkuliert, dass Freiflächenmodule 83-mal mehr Fläche benötigen, um die gleich Menge Energie zu erzeugen wie Windkraftanlagen. An dieser Differenz wird auch der technische Fortschritt vermutlich wenig ändern, abgesehen davon, dass auch die Windkraftrotoren immer leistungsstärker werden.


Der Ertrag je Hektar Biogas ist zwar „noch“ geringer. Aber der Vergleich mit Freiflächenanlagen hinkt. Denn die Biogasflächen tragen nicht zu den Agrarflächenverlusten bei und können im Notfall jederzeit für die Nahrungsmittelerzeugung genutzt werden. Freiflächenanlagen fallen hingegen in der Regel für 20 Jahre und länger aus der Nahrungsmittelproduktion.


Können nun Landwirte trotzdem aus dem Betrieb der Anlagen ein Zusatzeinkommen erwirtschaften? Da Landwirtschaft in Deutschland inzwischen mehrheitlich auf Pachtflächen stattfindet, kommen die Erlöse aus dem Verkauf von Acker und Grünland an die Solarprojektierer eher Nichtlandwirten zugute. Landwirte verlieren in dem Fall nur Pachtflächen.


Kaum Nutzen für Landwirte:

Auch vom Betrieb der Anlagen profitiert die Landwirtschaft kaum. Von zehn Anlagen, die in der vergangenen Ausschreibungsrunde einen Zuschlag erhielten, gehörte nur eine Anlage einem Landwirt.


Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts schlussfolgern daraus „…dass der landwirtschaftliche Sektor als Betreiber von PV-Freiflächenanlagen so gut wie keine Bedeutung hat. Aufgrund des hohen Kapitalbedarfs und des erforderlichen Spezialwissens haben Firmen vermutlich einen deutlichen Wettbewerbsvorteil in den Ausschreibungen.“ Aus der Begleitforschung zum EEG ist bekannt, dass der Großteil von gewerblichen Unternehmen errichtet wird, die ihren Unternehmenssitz außerhalb des Bundeslandes haben, in dem die Anlagen errichtet wurden. Damit fließt ein erheblicher Teil der Wertschöpfung aus den Regionen ab.


In Deutschland sind erhebliche Potenziale für die Solarenergie vorhanden, die zu keinem Konflikt um die Flächen führen würde. Dazu zählen zum Beispiel Ställe und Maschinenhallen in der Landwirtschaft, Wohn- und Gewerbeimmobilien jeglicher Art sowie Konversionsflächen. Für die Energiewende macht „Solar statt Agrar“ daher wenig Sinn.


Aus globaler Sicht kommen für Freiflächenanlagen zudem eher Regionen in Betracht, auf denen eine landwirtschaftliche Nutzung infolge zu geringer Niederschläge nicht möglich ist. Da hier gleichzeitig eine entsprechend höhere Sonneneinstrahlung herrscht, sind diese Gebiete prädestiniert für die Solarstromproduktion.


Förderung abschaffen:

Freiflächenanlagen verschärfen somit die Nutzungskonkurrenz um die knappen Agrarflächen und Landwirte profitieren kaum von den Kraftwerken. Die Erzeugung von Solarenergie auf Agrarflächen ist außerdem für die Energiewende nicht zwingend erforderlich, die Erträge der Windenergie sind um ein Vielfaches höher.


Die Bundesregierung als auch die Landesregierungen sind daher gut beraten, den Bau von Freiflächenanlagen auf Acker- bzw. Grünland kritisch zu überprüfen. Eine Förderung sollte es für solche Solarprojekte durch das EEG künftig nicht mehr geben.-ro-

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