Dieses Jahr wurden so viele Stunden mit negativen Strompreisen verzeichnet wie noch nie. Und es ist gerade erst das erste Halbjahr vorbei.
Die Versorger haben schon 389 Stunden mit Preisen unter null registriert – ein Anstieg von rund 80 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (215 Stunden in H1 2024). Besonders auffällig: In den Monaten Mai und Juni wurden gleich zwei neue Allzeitrekorde aufgestellt – mit 130 und 141 Stunden im Minusbereich, berichtet Enpal unter Berufung auf energycharts.de und Day Ahead Auktion.
Allein im Juni 141 Stunden mit negativen Preisen
Besonders heftig war der Juni, der sich deutlich von den Vorjahren abhebt, heißt es. Die Entwicklung der negativen Stunden in diesem Monat über die vergangenen Jahre zeige eine exponentielle Zunahme. Gab es 2020 lediglich acht negative Stunden im Juni, wurden 2023 bereits 30 verzeichnet und im letzten Jahr 66 Negativstunden. Mit dem neuen Rekordwert im Juni entspricht dies einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von rund 77,5 %.
Den absoluten Tiefpunkt im ersten Halbjahr erreichte der Strompreis am 11. Mai um 13 Uhr mit -250 €/MWh – zu einem Zeitpunkt, an dem besonders viel Solarstrom erzeugt wurde. Zur gleichen Zeit wurde auch im letzten Jahr der Tiefpunkt des ersten Halbjahres gemessen (12. Mai, -135 €/MWh). Zum Vergleich: Der höchste Preis des ersten Halbjahres wurde am 20. Januar 2025 mit 583 €/MWh erfasst. Das spiegelt die hohe Volatilität des Marktes durch die erneuerbaren Energien wider.
Negative Strompreise klares Zeichen für fehlende Flexibilität
“Negative Strompreise entstehen, wenn mehr Strom erzeugt als nachgefragt wird – etwa bei starker Einspeisung aus Wind- und Solaranlagen bei gleichzeitig geringer Last”, erklärt Wolfgang Gründinger, Sprecher bei Enpal. Die Entwicklung im ersten Halbjahr 2025 zeigt deutlich: Der Strommarkt steht unter Reformdruck. Die Rekordzahl an negativen Preisen ist Ausdruck einer wachsenden Diskrepanz zwischen Erzeugung und Nachfrage sowie einem unzureichend flexiblen und digitalisierten Energiesystem mit intelligenten Speichermöglichkeiten.“
„2025 wird ein neues Rekordjahr negativer Stromstunden“, sagt auch Tibber-Deutschlandchef Merlin Lauenburg. „Verglichen damit, was wir in den kommenden Jahren noch erwarten, ist das erst ein Vorgeschmack. Nur mit dynamischen Stromtarifen können Verbraucher direkt von den negativen Preisen profitieren und haben gleichzeitig Anreize zu einem netzdienlichen Verhalten.“
Der günstigste Nettostrompreis diesen Juni lag am 22. Juni um 13:00 Uhr bei –9,9 Cent/kWh. Die Entwicklung der Negativpreise zeigt eindrucksvoll, wie stark das Stromangebot an sonnigen und windreichen Tagen inzwischen wächst — und wie wichtig flexible Verbrauchslösungen für eine erfolgreiche Energiewende sind. Für Haushalte mit PV-Anlagen, Batteriespeichern oder Elektroautos ergeben sich dadurch echte Chancen: Wer seinen Verbrauch intelligent steuert, kann das Netz entlasten und gleichzeitig von extrem günstigen oder sogar negativen Preisen profitieren.