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Abschöpfung von Biogasanlagen: So werten Politik und Verbände die Rettung in letzter Minute

Biogasanlagen sind nicht mehr existenzgefährdet. Die massive Kritik von Landespolitikern und Verbänden hatte Wirkung gezeigt. Auch bei Wind und Solar gibt es Erleichterungen.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag das Gesetz über die Strom- und Gaspreisbremse beschlossen. Das Gesetz sieht in der letzten Fassung nun unter anderem vor, dass die Abschöpfung von Strommarkterlösen für Biogasanlagen erst ab einem Megawatt Bemessungsleistung greifen. Das ist die tatsächliche Leistung bezogen auf die erzeugte Strommenge. Im ersten Entwurf wollte die Bundesregierung die installierte Leistung als Grundlage nehmen. Die Einigung bedeutet: Die meisten Biogasanlagen sind von der Abschöpfung befreit. Der Sicherheitszuschlag für Biogasanlagen soll außerdem auf 9 Cent angehoben werden.

Nur 2 % der Anlagen betroffen

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Nach Angaben des Fachverbandes Biogas hat das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) aus Leipzig seine Daten zum Biogasanlagenbestand noch einmal ausgewertet. Dabei ist das DBFZ zu dem Schluss gekommen, dass mit einer Bagatellgrenze von 1 MW Bemessungsleistung und ohne die Regelung, dass BHKW am Standort der Gaserzeugung und Satelliten-BHKW zusammengezählt werden, nur noch 188 Biogas-BHKW-Standorte (Biogasanlage und/oder Sat-BHKW) mit ca. 350 MW installierter Leistung und ca. 1,6 TWh Stromerzeugung vom Abschöpfungsmechanismus betroffen sind. Das entspricht ca. 2 % der von DBFZ erfassten Anlagen bzw. 6 % der Stromerzeugung und installierten Leistung (ohne Biomethan-BHKW). Ob diese Anlagen in den Dauerbetrieb wechseln oder ihre Stromerzeugung reduzieren, um doch noch unter die Bagatellgrenze zu fallen, kann man nicht absehen. In jedem Fall sei nicht davon auszugehen, dass Biogasanlagen stillgelegt oder im großen Stil heruntergefahren würden.

Verlängerung bis 2024 möglich

Die Abschöpfung erfolgt ab dem 1. Dezember 2022 und entspricht damit den Vorgaben des EU-Rechts. Zu diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedstaaten nach der EU-Verordnung über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise eine Erlösobergrenze am Strommarkt vorzusehen. Die Laufzeit der Abschöpfung ist zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet, kann aber – im Lichte der Review durch die EU-Kommission – zu einem späteren Zeitpunkt durch Rechtsverordnung verlängert werden, höchstens jedoch bis zum 30. April 2024.

Um parallel die Investitionsbedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu verbessern, bekommt die Bundesnetzagentur den Spielraum, bei den Ausschreibungen für Wind und Solar die Höchstsätze bei den Ausschreibungen um bis zu 25 Prozent anzuheben. Damit kann die Bundesnetzagentur dem geänderten Investitionsfeld Rechnung tragen. Das ist laut Bundeswirtschaftsministerium angesichts der Inflation wichtig.

Landvolk drängt auf schnellere Genehmigungen

„Dank einer konzertierten Aktion des landwirtschaftlichen Berufsstandes mit Unterstützung unter anderem der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte konnten existenzgefährdende Erlösabschöpfungen für Biogasanlagen abgewendet werden. Dem Landvolk ist es offenbar gelungen, den niedersächsischen Bundestagsabgeordneten die Wichtigkeit des Themas und die besondere Bedeutung für Niedersachsen nahe zu bringen und sie von unseren Lösungsvorschlägen zu überzeugen“, sagt Jochen Oestmann, Vorsitzender des Ausschusses Erneuerbare Energien beim Landvolk Niedersachsen. „Es wäre niemanden zu vermitteln, den Biogasanlagen, denen in der jetzigen Gasmangellage eine besondere Rolle bei der Stromerzeugung zugewiesen wurde, die Existenzgrundlage zu entziehen. Dies hätte dazu geführt, dass wesentliche Teile der Branche vor die Wand gefahren wären“, erklärt er.

Der Gesetzgeber habe nun erkannt, dass die Biogastechnologie aufgrund ihres Speichervermögens Vorzüge mitbringt, die insbesondere in der dunklen Jahreszeit bei windschwachen Wetterlagen einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. „Biogasstrom ist zwar nicht günstig, aber aufgrund seiner bedarfsgerechten Verfügbarkeit äußerst wertvoll“, führt Oestmann aus. Somit sei zu hoffen, dass die noch bestehenden bürokratischen Hemmnisse bei der vom Gesetzgeber für dieses Winterhalbjahr beabsichtigten Leistungserhöhung von Biogasanlagen möglichst schnell beseitigt werden, um den Strommarkt zu entlasten, darauf weist Oestmann ausdrücklich hin. „Hier müssen nun die niedersächsischen Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft Geschwindigkeit an den Tag legen, um den Genehmigungsbehörden vor Ort pragmatisches Handeln zu ermitteln.“

Auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte ist zufrieden, dass wichtige Anliegen aus ihrem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck berücksichtigt wurden und kommentiert: „Biogasanlagen sind für das Gelingen der Energiewende von großer Bedeutung. Ohne sie können wir unsere Klimaziele kaum erreichen – daher ist es richtig, sie zu unterstützen! Es ist eine gute Nachricht, dass die Abschöpfung von Strommarkterlösen bei Biogasanlagen erst ab einem Megawatt Bemessungsleistung greifen.“ Der Bezug auf die Bemessungsleistung sei eine zentrale Forderung ihres Hauses an den Bund gewesen, sagte Ministerin Staudte.

Weitere Stimmen zu Biogas

  • Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes: "Mit dieser Entscheidung wird die bäuerliche Biogaserzeugung weitgehend von der Abschöpfung verschont. Ich danke allen, die sich mit nachdrücklichem Protest bei den Bundestagsabgeordneten gegen die ursprünglichen Pläne eingesetzt haben. Damit wird der Beitrag der Bioenergie zur Stabilisierung der Stromproduktion in der Energiekrise anerkannt. Es bleibt jedoch der große Vertrauensschaden, den das Bundeswirtschaftsministerium mit seinen Plänen zur Erlösabschöpfung ausgelöst hat. Diese war zunächst sogar rückwirkend geplant. Viele Investitionsprojekte in erneuerbare Energien sind wegen dieser Debatte gestoppt worden."
  • Michael Horper,Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV): „Ich freue mich, dass es uns gemeinsam gelungen ist, den Fortbestand der bäuerlichen Biogasanlagen zum Wohle aller zu sichern und danke allen, die sich in den letzten Wochen vehement dafür eingesetzt haben. Neben Horper hätten weitere ehren- und hauptamtliche Vertreter des BWV viele Gespräche auf Bundes- und Landesebene geführt und die Entscheidungsträger von der Bedeutung der Biogasanlagen überzeugt.
  • Albert Stegemann, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Robert Habeck hat mit seinem Vorgehen bei diesem Gesetzentwurf unseren Land- und Energiewirten und der Energiewende insgesamt einen Bärendienst erwiesen: Knapp eine Milliarde Euro an geplanten Investitionen in unsere Biogasanlagen wurden durch den Gesetzgebungsprozess seit Oktober in diesem und nächstem Jahr verhindert. Bioenergie als einzig flexibel einsetzbare Erneuerbare Energie, die auch bei Flaute und Nacht zur Verfügung steht, ist essentiell für das Gelingen der Energiewende. Die Bundesregierung setzt mit Ihrem Vorgehen die Energiesicherheit in Deutschland aufs Spiel.“
  • Dr. Oliver Vogt, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zuständiger Berichterstatter für landwirtschaftliche Energieerzeugung: „Dank des massiven Protests aus der Biogasbranche und von uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion, konnten wir die Ampelkoalitionäre zu einigen Verbesserungen des katastrophalen Gesetzentwurfes von Robert Habeck bewegen. Leider reicht aber beispielsweise die Erhöhung des Sicherheitspuffers auf 9 Cent bei weitem nicht aus um die gestiegenen Produktionskosten auszugleichen. Als Union haben wir immer klargestellt, dass Biogasanlagen vollständig aus der Erlösabschöpfung ausgenommen werden müssen. Die Ampel war aber hierzu nicht bereit.“
  • Carina Konrad, FDP-Bundestagsfraktion: „Es ist positiv, dass sich die 1 MW Bagatellgrenze an der Bemessungsleistung orientiert und nicht, wie vom Wirtschaftsministerium zunächst vorgesehen, an der installierten Leistung. Dadurch wären ausgerechnet die kleinen Biogas-Anlagen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, die durch ihren flexiblen Betrieb einen ganz besonders wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, das konnten wir erfolgreich verhindern. Die FDP ist mit den nun vereinbarten Regelungen hochzufrieden, denn die Anpassungen führen dazu, dass der Großteil der Biogasanlagen nicht von der Erlösabschöpfung betroffen ist. Das ist ein wichtiges Signal, denn mit einem steigenden Anteil von Erneuerbaren Energien im Stromsystem werden flexible Biogas-Anlagen eine zunehmend wichtige Rolle spielen, um die Versorgungssicherheit auch dann sicherzustellen, wenn witterungsbedingt nur wenig Strom aus Wind und Sonne produziert werden kann.“

Stimmen zur Wind- und Solarenergie

  • Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie: „Es ist gut, dass nach zwei Monaten einer schwierigen und belastenden Diskussion nun ein Schlusspunkt gesetzt wird. Damit lässt sich jetzt Klarheit herstellen. Die Verunsicherung in der Branche ist enorm. Dass der Bundesnetzagentur die Möglichkeit gegeben wird, den Höchstwert um 25 % anzupassen ist ein wichtiges Signal, auch wenn es den Kostenanstieg in den Projekten nicht voll abbildet. Dieses Instrument muss nach Beschluss des Gesetzes schnell genutzt werden. Dann kann es eine starke Motivation für die Beteiligung an der ersten Ausschreibung für die Windenergie an Land in 2023 und somit das Startsignal für eine Zubauwelle geben.“ Den Abschöpfungsteil des Gesetzes kritisierte der BWE dagegen weiter als zu komplex. Hier werde juristisch dünnes Eis betreten. Es bleibe bedauerlich, dass Deutschland einen solchen Weg zur Umsetzung der Beschlüsse des EU-Energieministerrates gewählt habe.
  • Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft: „Erhebliche Kostensteigerungen bei der Finanzierung und Errichtung neuer Solarkraftwerke haben in den Verhandlungen leider nur unzureichend Niederschlag gefunden.“ Der BSW ist enttäuscht über die Verhandlungsergebnisse der Ampel-Koalition zur Finanzierung der Strompreisbremse. Die damit verbundenen Markteingriffe in den Betrieb von EE-Kraftwerken seien unverhältnismäßig. Sie würden dem weiteren marktgetriebenen Ausbau Erneuerbarer Energien (EE) zum Teil Investitionssicherheit und Liquidität entziehen. Der BSW befürchtet, dass sich die vom Deutschen Bundestag nunmehr auf den Weg gebrachte Erlösabschöpfung u.a. bremsend auf die Investitionsbereitschaft von Solarpark-Projektierern auswirken könnte. Diese müssten künftig mit noch spitzerem Bleistift kalkulieren, wenn sie ihren Solarstrom förderfrei z.B. mittels Power-Purchase-Agreements (PPA) vermarkten wollen. Nahezu zehn Gigawatt derartiger Solarkraftwerke würden sich nach BSW-Angaben derzeit in Deutschland in Planung befinden. Der Branchenverband bemängelt, dass bestehende Spielräume der EU-Notfall-Verordnung nur unzureichend im Sinne der Energiewende genutzt wurden.
  • Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne): „Die Ampel hat sich bei der Erlösabschöpfung auf ein sehr bürokratisches und wettbewerbsfeindliches Instrumentarium geeinigt. Eine Steuer wäre wesentlich einfacher und zielgerichteter gewesen. Ein Hauptkritikpunkt bleibt das unklare Ende der Abschöpfung. Die drohende Verlängerung über Mitte 2023 hinaus sorgt für enorme Unsicherheit und erschwert Investitionen in Deutschland – und das, während die USA gleichzeitig ein gigantisches Investitionsprogramm in Klimaschutz auflegen. Dennoch: Wir sind froh, dass zumindest die Anlagenrefinanzierung gegenüber dem Kabinettsentwurf deutlich verbessert wurde. Durch die Anpassung von Bezugswerten und den Abschluss von PPAs können die Ausschreibungsgebote niedrig bleiben und Projekte weiterhin finanziert werden.“

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