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Rechnet sich Agri-Photovoltaik überhaupt?

Die Idee ist bestechend: Agri-PV ermöglicht die gleichzeitige Produktion von erneuerbarem Strom und Obst auf einer Fläche. Welche Erfahrungen bestehen? Und: Kann sich das rechnen?

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Beitrag erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Das Potenzial ist riesig, die Effektivität hoch: Würden nur 3,8 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche mit Agri-Photovoltaik (PV)-Anlagen bestückt, ließe sich, so David Böhm vom Fraunhofer Institut ISE in Freiburg, rechnerisch der gesamte deutsche Strombedarf decken. Zum Vergleich: Wollte man die gleiche Strommenge mithilfe von Bioenergie erzeugen, wären 14 % der landwirtschaftlichen Flächen erforderlich.

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Agri-PV mit Vorteilen

Dabei hat Agri-PV noch weitere Vorteile: Sie ermöglicht es Landwirten und Gartenbauern, zwei Einkommensquellen auf einer Fläche zu erschließen. Die Fläche wird für die Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt, geht der Landwirtschaft aber nicht vollständig verloren. Gleichzeitig können die PV-Module den Kulturen Schutz bieten – zum Beispiel vor zu starker Sonneneinstrahlung oder Hagel, aber auch vor Pilzkrankheiten.

Auf der anderen Seite ist es unter PV-Modulen nötig, das Anbaumanagement zu verändern. Teilweise bringen die Anlagen Nachteile mit sich – etwa bei der Abreife oder dem Wachstum der Kulturen.

Informationen zu Agri-PV, zu rechtlichen Rahmenbedingungen und zur Frage „Rechnet sich das überhaupt?“ gab die Tagung „Agri-PV im Obstbau“ der Landwirtschaftskammer NRW.

Rechnet sich das? – Photovoltaik

Ob sich mit einer Agri-PV-Anlage Gewinn erzielen lässt, hängt neben der Höhe der Investitionskosten je kWp entscheidend vom erzielbaren Stromerlös ab. Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) können Betreiber einer Agri-PV- oder PV-Freiflächenanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 1 MWp eine Festvergütung in Höhe von 7 Cent/kWh erhalten.

Ist eine größere Anlage geplant, wird eine EEG-Vergütung erst nach Teilnahme am Ausschreibungs­ver­fahren gezahlt. Der hier er­ziel­bare Höchstwert liegt 2023 für ­PV-Freiflächenanlagen bei 7,37 Cent/kWh für Agri-PV-Anlagen bei 8,57 Cent/kWh.

Für einen wirtschaftlichen Betrieb dürfte das in den meisten Fällen nicht ausreichen. Das stellte Nils Seidel, Energieberater der Landwirtschaftskammer NRW, mit­hilfe einer Beispielrechnung dar. Annahmen: 5 MWp installierte Leistung, 100 % Finan­zierung über 20 Jahre (4 %), 930 kWh/kWp und 6,15 €/kWp Betriebskosten.

Die Ergebnisse:

  • Auch bei geringen Inves­titionskosten (700 €/kWp) rechnen sich Anlagen bei ­einem Stromerlös in Höhe der EEG-Vergütung (7 Cent/kWh) nicht.
  • Bei einem Stromerlös von 8,5 Cent/kWh und niedrigen Investitionskosten (700 €/kWp) liegt der interne Zins im Beispiel bei 4,8 %. Bei Investitionskosten von 900 €/kWp sinkt der interne Zins auf 1,1 %. Steigen die Kosten auf 1.000 €/kWp, fällt die Investition ins Minus.
  • An der Strombörse und über langfristige Stromlieferverträge (PPA) ist es möglich, über der EEG-Vergütung liegende Stromerlöse zu erzielen. Im vergangenen Sommer ließen sich PPA mit einer 10-jährigen Laufzeit zu 12 Cent/kWh abschließen. Aktuell, so Seidel, liegen die Preise bei rund 8 Cent/kWh. Damit lassen sich Anlagen innerhalb der PPA-Laufzeit nicht finanzieren.
  • Offen ist die Frage, wie sich die Strompreise für Photovoltaikstrom an der Börse entwickeln, wenn die PV-Einspeiseleistung und damit das Strom­angebot zu Zeiten, in denen die Sonne scheint, steigt. Sinken die Preise dann oder wird das höhere Strom­angebot zukünftig durch eine wachsende Stromnachfrage etwa durch Wärmepumpen, Speicher oder die Produktion von grünem Wasserstoff aufgefangen?

Das Fazit: Wer eine Agri-PV- oder PV-Freiflächenanlagen bauen möchte, muss genau überlegen und kalkulieren. Die Anlagen sind nicht in jedem Fall wirtschaftlich.

Erfahrungen aus der Praxis

Verschiedene Forschungsanlagen im In- und Ausland konnten erste Erfahrungen mit den Anbau von Äpfeln oder Beeren unter PV-Modulen machen. Ein Beispiel ist ein Forschungsprojekt zum Apfel­anbau auf dem Obsthof Nachwey in Gelsdorf, Rheinland-Pfalz, von dem Jürgen Zimmer, Dienstleistungszentrum ländlicher Raum (DRL Rheinpfalz), berichtete:

  • Die Bodenverdichtungen beim Bau der Anlagen waren in Gelsdorf selbst unter besten, trockenen Bedingungen extrem.
  • Zum Pflanzenschutz sind bisher kaum Aussagen möglich. Tendenziell sinkt der Schorfbefall unter PV-Modulen ebenso wie unter einem Foliendach.
  • In den Wintermonaten ist die Temperatur unter den Modulen etwas höher. So kann es früher im Jahr zu Schädlingsbefall (zum Beispiel Apfelblattlaus) kommen.
  • Die Äpfel reifen unter den Modulen etwas später. Bei frühen Sorten/Frühvermarktung kann das ein Nachteil sein.
  • Die installierten Module sorgen für eine deutliche Verschattung. Das macht das Arbeiten an warmen Tagen angenehmer.
  • Bei einem Hagelereignis kam es unterhalb der Module an den noch jungen, lichten Bäumen auch an der wetterabgewandten Seite zu Schäden.
  • Das Sonnenbrandrisiko ist unter den Modulen leicht höher als bei Folienüberdachung, liegt aber deutlich unter dem unter Hagelnetzen.

Erste Ergebnisse aus weiteren Versuchen:

  • Die Auswirkungen auf Erträge und Fruchtqualitäten variieren zwischen den Jahren.
  • Erdbeeren sind für den Agri-PV-­Anbau weniger geeignet als Himbeeren: Hier sinken die Erträge, die Ernte verzögert sich.
  • PV-Module verringern die ­Verdunstung in der Kultur und senken den Wasserbedarf. Es ist möglich, die Module so zu installieren, dass sich Regenwasser auffangen und speichern lässt.
  • Wie lichtdurchlässig Module sein sollten, hängt von der Produktionsperiode, von der Pflanzenart und -sorte ab.
  • Viele Ergebnisse geben bisher nur Tendenzen an. Aufgrund kurzer Versuchszeiträume sind die Aussagen noch eingeschränkt.

Rechnet sich das? – Kirschen und Himbeeren

Unter bestimmten Umständen kann die Agri-PV-Anlage förderlich für die Wirtschaftlichkeit der zugehörigen Obstproduktion sein. Vom Grundsatz her, so Bernd Möllers, Teamleitung Obstbauberatung der Landwirtschaftskammer NRW, müssen sich aber beide Betriebszweige jeweils selbst tragen.

Vorteile und Risiken

Geschützter Himbeeranbau hat Vorteile. Egal, ob der Schutz durch eine Überdachung oder ­PV-Module entsteht. Zu den ­positiven Effekten gehören eine verbesserte Fruchtqualität, eine witterungsunabhängigere Marktbelieferung, eine höhere Pflückleistung bei der Ernte und eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Übernimmt die Agri-PV-Anlage den Schutz, trägt diese die Kosten für die Überdachung. Damit sinken die jährlichen Direktkosten des Himbeeranbaus um rund 20.000 €/ha.

Im Gegenzug verringert sich durch die Beschattung der Himbeerertrag um etwa 10 %. Insgesamt liegen die Direktkosten pro Kilogramm Himbeeren mit der Agri-PV um rund 60 Cent niedriger als bei einer Dach­anlage. Doch Achtung: Die Berechnung ist nur beispielhaft. Sowohl die Investition in die Himbeerproduktion als auch in die Agri-PV ist aufgrund der Vermarktungssituation risikoreich.

Auch bei Kirschen wirtschaftlich interessant

Auch bei der Kirschproduktion kann die Doppelnutzung über Agri-PV unter der Annahme wirtschaftlich interessant sein, dass die PV-Module die Installation von Hagelschutznetzen überflüssig machen – auch wenn sich die Kirschqualität unter den ­Modulen etwas verschlechtert. Bernd Dinkhoff, Obstbauberater der Landwirtschaftskammer NRW, stellte eine Beispielrechnung vor.

Das Ergebnis: Ein Plus von gut 13.000 € pro Hektar Kirschen­anbau innerhalb von 15 Jahren bei der Agri-PV-Variante im Vergleich zur Variante mit Hagelschutznetzen. Sein Fazit: Die Doppelnutzung ist interessant und kann sich eventuell lohnen. Noch muss allerdings viel Pionierarbeit geleistet werden. ­Aufgrund ungeklärter anbautechnischer Fragen bestehen viele ­Risiken.

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