Der Anbau von Bäumen oder Sträuchern auf Acker oder Grünland - Agroforst genannt - bringt viele Vorteile für die Landwirtschaft, z.B. beim Erosionsschutz, beim Humusaufbau oder bei der Artenvielfalt. Aber auch die Kombination mit der Tierhaltung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wir haben mit Isabell Frenzel, Referentin für Wissenstransfer & Kommunikation beim Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) über aktuelle Entwicklungen gesprochen.
Wo stehen wir bei der Agroforstwirtschaft heute?
Frenzel: In unserer Datenbank, der Agroforstlandkarte, wurden aktuell 203 Agroforstsysteme mit einer Gesamtfläche von ca. 1.700 ha mitgeteilt. Der Flächenanteil der reinen Agroforstgehölze macht dabei 375 ha aus. Leider wurden hier bisher längst nicht alle Flächen eingetragen. Die wahre Agroforstfläche liegt schätzungsweise bei 2.500 bis 3.000 ha.
Unterschiedliche Baumarten
Welche Agroforstsysteme sind heute üblich?
Frenzel: Wir unterscheiden die Kombination von Gehölzen mit Ackerfrüchten und mit der Tierhaltung sowie Kombinationen aus allen Komponenten. Außerdem gibt es mit Blick auf die gewünschte Nutzung Unterschiede. Wenn die Holzbiomasse im Fokus steht, kommen meist Pappeln oder Weiden zum Einsatz. Daneben gibt es Arten, bei denen die Früchte geerntet werden sollen wie Äpfel oder Nüsse. In unserer Datenbank sind Walnuss/Schwarznuss (bei 87 Systemen), Pappel (86), Apfel (75) und Birne (70) am häufigsten genannt. Bei den Sträuchern ist vor allem die Haselnuss (59) besonders beliebt. Weitere Betriebe setzen auf Holunder (51), Himbeere (34) oder Weißdorn (30). Eine weitere Möglichkeit ist, z.B. Laub als Futtermittel zu verwenden.
Brennholzproduktion als wichtiges Standbein
Spielt die Brennholzproduktion eine Rolle bei den Baumstreifen?
Frenzel: Auf jeden Fall. Wir haben, wie bei Kurzumtriebsplantagen, einen Ertrag, der bei Pappeln z.B. bei 10 bis 12 t (atro)/ha liegt, je nach Sorte und Standort im Ausnahmefall sogar bis zu 18 t/ha. In Agroforstsystemen können insbesondere die Außenreihen durch die besseren Licht-, Wasser- und Nährstoffbedingungen oft sogar höhere Erträge erzielen als in reinen Kurzumtriebsplantagen. Daher ist die Zuwachsleistung in Agroforstsystemen in der Regel höher als bei flächigem Anbau. Die auf den Stock gesetzten Pflanzen treiben wieder aus. Holzhackschnitzel werden für die Wärmewende gebraucht. Denn die Mengen an Waldhackschnitzeln, die in den letzten Jahren aufgrund von Schäden wie Trockenheit bzw. Borkenkäferbefall angefallen sind, werden wieder zurückgehen. Zudem kann mittels Agroforstwirtschaft die Produktion von Energieholz mit der Bereitstellung von Umweltleistungen verbunden werden. Und gerade für Kommunen bieten Agroforstsysteme die Chance, neben ökologischen Vorteilen auch einen Teil des Brennstoffbedarfs zu decken.
Ökologische Vorteile durch Agroforstsysteme
Welche Vorteile haben sich in den letzten Jahren durch Agroforstsysteme als relevant erwiesen?
Frenzel: Neben den Produkten, die die Bäume bzw. Gehölze liefern, haben wir auch positive Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Kulturen, wie Verringerung von Trockenstress, weniger Hitzestress für Tiere, weniger Erosion, mehr Artenvielfalt und eine bessere Grundwasserqualität. Künftig könnte das Thema Kohlenspeicherung auch wirtschaftlich relevant werden, wenn sich z.B. darüber CO2-Zertifikate verkaufen lassen. Außerdem zeigt sich die Chance in der regionalen Vermarktung von Produkten wie Äpfel, Birnen, Walnüsse oder verarbeitete Produkte wie Säfte oder Walnussöl, die heute überwiegend importiert werden müssen. Um diesen Bereich stärker ins Bewusstsein zu rücken, haben wir die Vermarktungsinitiative „AgroWertRegio“ gestartet. Produkte sind z.B. „Agroforsteier“ oder „Agroforstbrot“. So lassen sich die Baumstreifen z.B. auch wunderbar mit Hühnermobilen kombinieren, die durch die Reihen gezogen werden. Die Hühner nutzen die Baumreihen zum Schutz und sind nach Aussage von Praktikern wesentlich aktiver als auf einer baumlosen Freifläche.
Wie entwickelt sich die Kombination von Agroforst und Regenerativer Landwirtschaft mit Blick auf Humusaufbau usw.? Gibt es über dieses Thema Impulse?
Frenzel: Die Agroforstwirtschaft ist ein wichtiges Instrument der regenerativen Landwirtschaft. Unter älteren Hecken sehen wir bereits deutlich feststellbaren Humusaufbau, dies lässt sich auch für die älterwerdende Agroforstgehölzstreifen annehmen. Genauso steigt die Zahl der Regenwürmer: Unter Baumreihen war sie teilweise um das Zwölffache höher als auf dem benachbarten Ackerland. Was künftig auch eine Rolle spielen kann: Die Holzbiomasse lässt sich mithilfe einer Pyrolyseanlage zu Pflanzenkohle verarbeiten und innerbetrieblich nutzen, in der Tierhaltung oder im Ackerbau.
Förderbedingungen: Wo es noch hakt
Wie schätzen Sie die aktuellen Förderbedingungen ein? Wo gibt es Hemmschuhe?
Frenzel: Erste Bundesländer fördern die Etablierung von Agroforstsystemen, wobei die Hürden für die Inanspruchnahme sehr hoch sind. Was sehr gut angekommen ist, ist die Änderung in den Regelungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im Jahr 2023. Danach sind Agroforstsysteme das erste Mal definiert. Das bedeutet: Ihre Anlage ist auf Agrarflächen zulässig und die Bewirtschaftung gilt als landwirtschaftliche Tätigkeit. Auch bleibt der Ackerstatus der Fläche erhalten. Vorher hatten die Landwirte immer die Befürchtung, ein Agroforstgehölzstreifen könnte als Landschaftselement angesehen werden oder der Ackerstatus verloren gehen. Im Rahmen der GAP-Öko-Regelungen erhalten Landwirte jetzt 200 €/ha Gehölzfläche, damit existierende Agroforstsysteme beibehalten werden. Allerdings sind daran weitere Auflagen geknüpft.
Macht die GAP Vorgaben zu den Streifen, z.B. zur Breite oder zu den Baumarten?
Frenzel: Ja, es sind mindestens zwei Streifen pro Fläche nötig, die höchstens 40 % der Fläche bedecken dürfen. Es ist auch möglich, einzelne Bäume verstreut zu pflanzen. Dann darf die Zahl nur zwischen mindestens 50 und maximal 200 Bäume/ha liegen. Bei den Baumarten ist alles erlaubt, was nicht auf der Negativliste der GAP-Direktzahlungsverordnung steht. Diese enthält zehn Baum- und Straucharten, die z.T. als invasive Arten gelten und förderschädlich wären.
Können Sie Beispiele nennen?
Frenzel: Besonders fallen Roteiche, Robinie oder Paulownia (Blauglockenbaum) ins Auge. Aus unserer Sicht ist das bedauerlich, weil diese Arten sehr trockenheitstolerant sind. Gerade Roteiche und Robinie werden in Ostdeutschland sehr gern auf Rekultivierungsflächen angepflanzt, weil sie mit den leichten Böden und der Trockenheit gut zurechtkommen. Die Robinie fungiert zudem als Stickstoffsammler. Die Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung sehen wir nicht, da neben den Streifen ja immer geackert wird. Darum hoffen wir, dass einige Arten von der Negativliste wieder verschwinden.
Sie sprachen auch von weiteren Auflagen bei den Öko-Regelungen.
Frenzel: Ja, dazu gehört z.B., dass zwischen den Streifen mindestens 20 und maximal 100 m liegen dürfen. Oder dass die Holzernte nur von Dezember bis Februar möglich ist. Ein weiterer Nachteil ist, dass man die Agroforstförderung nicht mit anderen Maßnahmen wie die Anlage von Blühstreifen kombinieren darf. Zudem halten wir die Förderung von 200 €/ha Gehölzfläche für zu niedrig. Die bereits erwähnte anvisierte Erhöhung auf mindestens 600 €/ha Gehölzfläche sehen wir als dringend notwendig an. Darum ist es sehr positiv zu sehen, dass nach einem Beschluss der letzten Agrarministerkonferenz der Förderbetrag immerhin auf 600 €/ha Gehölzfläche ansteigen soll. Auch bräuchten wir eine flächendeckende, attraktive und unbürokratische Förderung für die Etablierung, also die Anlage eines Agroforstsystems.
Welche Landwirte interessieren sich heute besonders für Agroforstsysteme?
Frenzel: Hierzu gibt es ein Forschungsprojekt an der Uni Göttingen zur Evaluierung von Chancen und Hürden für die Etablierung und die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Agroforstsysteme in Niedersachsen, kurz „ELAN“. Die finalen Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber erste Zwischenergebnisse zeigen: Es sind eher jüngere Betriebsleiter und prozentual mehr Ackerbaubetriebe und Biobetriebe, die sich dafür interessieren.
Zum Nachlesen
Offener Brief des Deutschen Fachverbandes für Agroforstwirtschaft (DeFAF) zum Abbau von bürokratischen Hemmnissen: Forderungen-Offener-Brief-Jetzt-Umsetzung-von-Agroforstsystemen-voranbringen.pdf
Informationen zum ELAN-Projekt: ELAN | DEFAF e.V.