Die Energiekoppler GmbH ist eine Ausgründung von der TU Dresden. Die Firma besteht seit dem Jahr 2020 und verbindet verschiedene erneuerbaren Energien zu einem virtuellen Kraftwerk. Damit steht Energiekoppler zwischen den Anlagenbetreibern und den Stromhändlern.
Aktuell hat das Unternehmen über 1 GW Anlagenleistung vernetzt. Dazu gehören Wind- und Solarparks sowie große und kleine Batteriespeicher. Wir sprachen mit Gründerin und Mitgeschäftsführerin Irina Weis über die Chancen, die sich damit für Erneuerbare-Energien-Anlagen bieten.
Sie bündeln Anlagen zu einem virtuellen Kraftwerk. Welche Vorteile hat das?
Weis: Wir sprechen dabei vom Flexibilitätswerk. Denn wir ermöglichen nicht nur den Strom aus diesen Anlagen, sondern die Flexibilität zu vermarkten. Einerseits können wir kleinere Anlagen oder Batterien technisch zusammenfassen, wodurch Stromhändler einen einfachen Zugriff auf die Anlagen bekommen.
Dadurch, dass wir verschiedene Anlagen zusammengefasst haben, können wir andererseits wetter- oder eigenverbrauchsbedingte Abweichungen von ursprünglichen Plan ausgleichen: Wenn eine Anlage mal weniger Strom liefert, bringt eine andere dafür mehr usw. Allein das Einsparen von Ausgleichsenergiekosten ist für unsere Kunden ein großer Vorteil.
Was bedeutet Flexibilitätsvermarktung?
Weis: Angefangen hat alles für uns im Jahr 2022. Bis dahin waren die täglichen Preisschwankungen nur sehr selten so hoch, dass man daraus ein Geschäftsmodell ableiten konnte. Aber im Zuge der Gaskrise sind nicht nur die Strompreise an sich stark gestiegen, sondern auch die Schwankungen im Laufe eines Tages. Was anfangs durch die Gaskrise verursacht war, ist mittlerweile durch den starken Zubau der Solaranlagen übliche Praxis geworden. Es sind immer mehr Speicherkapazitäten notwendig, um die wetterabhängige Erzeugung zeitlich so zu verschieben, dass der Bedarf gedeckt wird.
Unser Flexibilitätswerk übernimmt die Aufgaben, die für die Stromvermarktung notwendig sind. Dazu gehört die Anbindung der Anlagen, das Monitoring und die Steuerung der Anlagen sowie das Prognosemanagement. Dabei beziehen wir Wetterprognosen von unterschiedlichen Dienstleistern ein und legen sie übereinander. Ziel ist es, dass möglichst keine Prognoseabweichungen entstehen, weil damit Ausgleichsenergiekosten verbunden sind.
Wie funktioniert die Anbindung?
Weis: Wir haben eine Software als Portallösung, sie muss also nicht auf dem jeweiligen Rechner installiert werden. Der Zugriff erfolgt dann über Internet in einer abgesicherten Verbindung. Durch vielfältige verfügbare Gerätetreiber ist die Anbindung automatisiert und der Datenaustausch standardisiert
Welche Technik ist dann bei Windenergie- oder Solaranlagen nötig?
Weis: Bei modernen Anlagen reicht ein Parkregler sowie ein Router aus, der die abgesicherte Verbindung aufbaut. Mittels unserer virtuellen swarmBOX erfolgt die Anbindung. Ältere Anlagen benötigen oft unsere physikalische swarmBOX als Fernwirktechnik. Über diese kann dann Steuerung und Leistungserfassung umgesetzt werden. Damit können Post-EEG-Anlagen, die keine Vergütung erhalten, gesetzeskonform weiterbetrieben werden.
Nehmen wir das Beispiel einer Post-EEG-Anlage. Wie würden Anbindung und Steuerung praktisch ablaufen?
Weis: Bei einer Post-EEG-Anlage würden wir unsere Steuerungsbox anbringen. Sie erfasst Erzeugungs- und Verbrauchsdaten und übermittelt diese an unsere Leitstelle. Damit wir dem Vermarkter genau mitteilen können, wann unser virtuelles Kraftwerk wie viel Strom liefert, brauchen wir die wetterabhängige Einspeiseprognose. Das ist wichtig für die Erzeugung.
Für die Flexibilität, also die Möglichkeit, Strom abzunehmen oder kurzzeitig zu liefern, nutzen wir dagegen die Batterien. Hierfür brauchen wir die Daten zum Ladezustand einschließlich der maximalen Lade- und Entladegrenzen. Denn einige Batterien dürfen ja nur bis 10 oder 5 % entladen werden. Wir liefern dem Vermarkter die verfügbare Flexibilität, erhalten von den Vermarktern Sollsignale, die wir in den Anlagen-Fahrplänen berücksichtigen.
Diese Fahrpläne übermitteln wir an die Steuerungsboxen zurück, die dann – einfach gesagt – den Anlagenfahrplan umsetzen. Das bedeutet: Wir übernehmen nicht nur die physikalische Zusammenschaltung der Anlagen, sondern kümmern uns auch um die Kommunikation zwischen Anlage und Stromhändler. Und wir sind auch dafür verantwortlich, dass die Fernsteuerbarkeit sichergestellt ist und Störungen in der Kommunikation schnell behoben werden.
Wenn wir dazu das Beispiel eines Betriebs aus Landwirtschaft oder Gewerbe nehmen: Wie funktioniert Ihre Dienstleistung?
Weis: Einfach gesagt, helfen wir dabei, Erzeugung, Verbrauch und Vermarktung zu optimieren. Der Betrieb produziert z.B. Solarstrom auf dem Dach, hat eine Batterie und benötigt selbst auch Strom. Unsere Steuerung hilft ihm dabei, dass er den Eigenbedarf deckt, zur richtigen Zeit den Batteriespeicher lädt und gleichzeitig von hohen Strompreisen bei der Vermarktung profitiert.
Wenn beispielsweise im Sommer mittags oder an Feiertagen die Börsenstrompreise negativ sind, würden wir den Strom solange speichern oder für den Eigenbedarf nutzen, bis der Börsenpreis wieder attraktiv ist. Wir würden quasi agieren, bevor der Direktvermarkter aktiv wird und abregelt.
Dienen die Speicher nur zur Eigenverbrauchsoptimierung oder können Sie diese auch zur Stromvermarktung nutzen?
Weis: Wenn ein Betreiber im Sommer tagsüber PV-Strom speichert und abends ins Netz einspeist und dafür eine PV-Stromvergütung anstrebt, darf der Speicher auch nur mit Solarstrom geladen werden. Unsere Steuerungsbox würde z.B. bei negativen Strompreisen die Energie zwischenspeichern und erst bei einem attraktiven Börsenpreis ausspeichern. Die gesamte koordinierte Steuerung übernimmt unser System, das Flexibilitätswerk, vollautomatisch.
Besonders im Winter, wenn keine PV-Einstrahlung da ist, lohnt sich dagegen die Börsenvermarktung, da der Speicher nicht nur rumsteht, sondern Börsenerlöse generiert. Somit refinanziert sich der Batteriespeicher schneller. In dem Fall wird er mit Graustrom aus dem Netz geladen, wenn dieser günstig ist.
Sind Sie nur für Anlagenbetreiber tätig?
Weis: Nein, wir arbeiten genauso mit Stromhändlern zusammen. Es gibt zwei Möglichkeiten: ein Anlagenbetreiber mit mehreren Anlagen kommt auf uns zu und bittet uns um die technische Anbindung seiner Anlagen. Wir sind dann die Schnittstelle zwischen den Anlagen und dem Vermarkter. Wenn der Anlagenbetreiber den Direktvermarkter wechselt, können wir ihn auch mit dem neuen Händler verbinden. Es ist also kein Wechsel der Hardware mehr nötig, wie es früher der Fall war.
Der zweite Fall ist, dass wir von einem Direktvermarkter beauftragt werden, verschiedene einzelne Anlagen zusammenzufassen und technisch anzubinden, damit der Direktvermarkter zum Stromhandel auf die Daten zugreifen kann. Er muss wissen, welche Energiemengen er an der Strombörse einsetzen kann. Diese Informationen bereiten wir auf, basierend auf den Ladezuständen der Batterien oder wie viel Strom Windräder oder Solaranlagen produzieren, ob es einen Eigenbedarf in der Liegenschaft gibt. Wir berücksichtigen dabei auch vertragliche Rahmenbedingungen usw.
Müssen die Anlagen in dem Flexibilitätswerk räumlich eng beieinander liegen?
Weis: Nein, unsere Anlagen sind deutschlandweit verteilt.
Welche weiteren Entwicklungen sind mit Ihrem Flexibilitätswerk noch zu erwarten?
Weis: Denkbar wäre, dass wir auch im Bereich Energy Sharing Lösungen liefern könnten. Bei diesen Modell, dass von der EU schon angedacht ist und jetzt von der Bundesregierung aufgegriffen werden soll, schließen sich Letztverbraucher zusammen und nutzen Strom aus der Anlage eines Letzverbrauchers.
Dabei können sich Nachbarn z.B. gegenseitig mit Solarstrom beliefern oder Batteriespeicher gemeinsam nutzen auf Basis Bi-lateraler Verträge. Der Energieversorger würde dabei die Reststrombelieferung übernehmen. Der Wandel hin zu flexiblen Energievermarktungsmodellen könnte den Grundstein für eine unabhängige und nachhaltige Energiezukunft legen.