Niedergang der Kernkraft
Atomenergie: Zu teuer und zu langsam
Der Niedergang der Atomindustrie geht weiter voran, zeigt ein weltweiter Statusreport. Das hat nicht nur finanzielle Gründe.
Im Jahr 2019 sind nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) weltweit sechs neue Atomkraftwerke mit einer Leistung von 5178 MW in den Ländern Russland, China und Südkorea neu in Betrieb gegangen, gleichzeitig wurden neun Atomkraftwerke mit einer Leistung von 7187 MW endgültig abgeschaltet und stillgelegt. Das berichtet das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energie (IWR) aus Münster. Das ist per Saldo ein Rückgang um 2000 MW Atomkraftleistung. Im selben Zeitraum (2019) wurden laut dem World Nuclear Industry Status Report erneuerbare Ressourcen wie Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von 184.000 MW weltweit neu errichtet und in Betrieb genommen. „Die Kernenergie ist auf dem Markt für Stromerzeugungstechnologie irrelevant geworden“, zitiert das IWR Mycle Schneider, der Koordinator des Berichts.
Politik bremst Absturz ab
Im Jahr 2020 sind bis zum 12.11.2020 weltweit insgesamt lediglich vier neue Atomkraftwerke (Vereinigte Arabische Emirate, Belarus, Russland und China) mit einer Leistung von 4521 MW ans Netz gegangen, fünf alte Atomkraftwerke mit einer Leistung von 4 284 MW wurden in diesem Jahr endgültig stillgelegt. Angesichts der alternden Atomkraftwerksflotte, die zu immer mehr Stilllegungen führt, ist eine Trendwende zu einem Wachstumsmarkt nicht in Sicht.
So hält beispielsweise auch der Abwärtstrend der in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke in den USA unvermindert an. Dort sind im Jahr 2021 Atomkraftwerke mit einer Leistung von 5.100 MW (5,1 GW) von der Stilllegung betroffen. Das ist bezogen auf die Kraftwerksleistung etwa die Hälfte aller erwarteten Kraftwerks-Stilllegungen im Jahr 2021.
Teuerste Form der Stromerzeugung
Billiges Erdgas und deutlich gesunkene Kosten für erneuerbare Energien graben der Atomenergie laut IWR die wirtschaftliche Grundlage ab. Wie das Energieportal oilprice.com in einem Beitrag schreibt, ist die Atomkraft – abgesehen von Gas-Spitzenlastkraftwerken – mittlerweile die teuerste Stromerzeugungs-Technologie der Welt. Die Energiekosten für die Kernenergieerzeugung betragen danach jetzt 155 US-Dollar pro Megawattstunde (15,5 ct/kWh), verglichen mit 49 $ / MWh (4,9 ct/kWh) für Solarenergie und 41 $ / MWh (4,1 ct/kWh) für die Windkraft. Co-Autor des World Nuclear Industry Status Report Antony Froggatt, Senior Research Fellow am Chatham House in London sagt: „In den letzten zehn Jahren sanken die geschätzten Kosten für Solarenergie im Versorgungsbereich um 89 Prozent, für Wind um 70 Prozent, während die Kosten für die Atomkraft um 26 Prozent gestiegen sind.“
Lange Bauzeiten
Der Bau neuer Atomkraftwerke ist nicht nur teuer, die Bauzeiten sind teils extrem lang und eine Planung ist kaum möglich. In Frankreich wird beispielsweise das einzige neu in Bau befindliche Atomkraftwerk Flamanville zum Zeit- und Kostendesaster. Ursprünglich sollte das Atomkraftwerk 2012 fertiggestellt werden und 3,3 Mrd. Euro kosten. Aktuell belaufen sich die Baukosten auf 12,4 Mrd. Euro, ein Ende ist nicht absehbar. Nach etlichen Verzögerungen ist die Inbetriebnahme nun für das Jahr 2022 vorgesehen, 10 Jahre nach dem ursprünglichen Fertigstellungstermin und 15 Jahre seit dem Baubeginn. Weitere Ersatz-Atomkraftwerke für die älter und gefährlicher werdende französische Atomkraftwerksflotte sind weit und breit nicht in Sicht.
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