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Aufbereitung: Vom Gärrest zum Mineraldünger

Hohe Düngerpreise sorgen für eine starke Nachfrage nach Gülle und Mist. Biogasanlagen können die Wertschöpfung erhöhen, indem sie Mineraldünger wie ASL oder SSA erzeugen.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Ukrainekrise hat die Nachfrage nach alternativen Düngemitteln massiv erhöht. Nach Zahlen der Marktberichtstelle des bayerischen Bauernverbands ist z.B. Kalkammonsalpeter von 258 €/t (netto) im Januar 2021 auf über 900 € im Mai 2022 gestiegen, Diammonphosphat im gleichen Zeitraum von 370 €/t auf knapp 1200 €/t.

Tierische Exkremente in der Biogasanlage aufwerten

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Eine Lösung dafür können Biogasanlagen bieten. Jährlich fallen in Deutschland 150 bis 190 Mio. t tierische Exkremente wie Gülle, Jauche, Mist und Hühnertrockenkot an. Nur ein Drittel davon wird energetisch in Biogasanlagen verwertet, das Gros dient als organischer Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen. Alleine durch das Lagern und Ausbringen von Gülle werden jährlich rund 250000 t Methan freigesetzt.

Im Jahr fallen in Deutschland laut Fachverband Biogas rund 82 Mio. t Gärrest an. Darin sind folgende Nährstoffmengen enthalten:

  • 205.000 t Stickstoff (N),
  • 164.000 t Phosphat (P2O5),
  • 328.000 t Kaliumoxid (K2O).

Diese Mengen ersetzen ca. 11 % der im Inland abgesetzten N-Dünger, fast 57 % der P-Dünger und sogar 76 % des als Dünger verkauften Kalis.

Um Lagerungs-, Transport- und Ausbringkosten zu reduzieren, ist eine Aufbereitung des flüssigen Gärrestes gefragt. Gleichzeitig lässt sich die Düngewirkung erhöhen, z.B. indem Nährstoffe gezielt zudosiert oder Verluste vermieden werden. „Wenn der Anlagenbetreiber darüber hinaus Einzelnährstoffe erzeugt, kann er sie auch außerhalb der Landwirtschaft an die Industrie vermarkten“, sagt Mathias Hartel vom Referat Abfall, Düngung und Hygiene beim Fachverband Biogas.

Ammoniumsulfatlösung und schwefelsaurer Ammoniak als Produkte der Biogasanlage

Ein interessantes Produkt auf dem Markt ist Ammoniumsulfatlösung (ASL), die sich per Pflanzenschutzspritze als Flüssigdünger ausbringen lässt. „Die Stickstoffform ist auch sehr gut pflanzenverfügbar und sorgt für weniger Emissionen“, nennt Hartel einen weiteren Vorteil. Da ASL als Mineraldünger anerkannt ist, fällt es nicht unter die Grenze von 170 kg N/ha, die bei organischer Düngung gilt. Das bedeutet: Ein Biogasanlagenbetreiber oder Tierhalter könnte 170 kg N organisch düngen und bei Bedarf mit ASL ergänzen. Oder er düngt nur mit ASL und ist dabei nicht auf die 170 kg N beschränkt.

ASL kann an verschiedenen Stellen bei der Gärrestaufbereitung entstehen (siehe Übersicht):

  • Bei der Abluftreinigung einer Trocknung oder Eindampfung,
  • bei der Verdunstung oder Vakuumverdampfung,
  • bei der Strippung (also dem Entfernen von Ammonium bzw. Ammoniak aus einer Flüssigkeit).

Bei den Verfahren zur ASL-Produktion wird flüssiges Material nach der Separation weiter aufbereitet oder die abgesaugte Abluft gereinigt bzw. gewaschen. In allen Fällen wird Schwefelsäure dazugegeben. „Am Ende fällt ASL mit etwa 8 % Stickstoff und 9 % Schwefel an“, sagt Hartel. Eine Mindestmenge von 5 % N und 6 % S sind laut Düngemittelverordnung vorgeschrieben, damit ASL als Düngemittel anerkannt wird.

Hat ein Betrieb keine Möglichkeit, ASL auszubringen bzw. zu lagern oder erfüllt es nicht die Anforderungen als Düngemittel, könnte es der Betreiber weiter zu trockenem, streufähigem schwefelsaurem Ammoniak (SSA) aufbereiten. Möglich ist das mit einer Saline. „Wir haben die Technik aus der Meerwasserentsalzung auf ASL angepasst“, sagt Nicolaus Heyn vom Unternehmen TerraWater aus Kiel. Mit der „TerraSaline S“ wird – vereinfacht dargestellt – der ASL erst das Wasser entzogen, dann das feuchte Salz getrocknet. Es entsteht ein SSA-Pulver, das sich granulieren oder pelletieren lässt.

Bei einem Wärmeinput von 100 kW (z.B. in Form von Abwärme aus dem BHKW der Biogasanlage) lassen sich am Tag etwa 1,3 t SSA erzeugen. „Der Vorteil ist neben dem geringeren Platzbedarf und der gegenüber der ASL einfacheren Lagerung, dass das SSA immer die gleiche Qualität hat – egal, welche Eigenschaften die ASL vorher hatte: Enthalten sind immer 21 % N und 24 % S“, sagt Heyn.

Gesamtkosten im Blick haben

Eine Gärrestaufbereitung kann aber auch für den Betrieb selbst Vorteile bringen. „Der Betrieb sollte auch die Gesamt-Kosteneffizienz im Blick haben“, sagt Carolin Brathe vom Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie (3N) aus Werlte. Um hier Lösungen für Landwirte zu finden, arbeitet 3N mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum und der FH Münster im Projekt „Nährwert“ zusammen.

Eine Überlegung in dem Projekt ist es, Synergien zwischen aufbereitetem Wirtschaftsdünger und dem Energiepflanzenanbau zu finden. Der Ansatz: Gärrest separieren, die feste, transportwürdige Phase exportieren und die Flüssigphase vor Ort zur Düngung von Dauerkulturen nutzen. Damit können die Anlagenbetreiber mehrere Synergieeffekte nutzen:

  • Mit der festen Phase wird relativ einfach eine große Menge an Nährstoffen exportiert.
  • Die Dauerkulturen sorgen für mehr Biodiversität, vor allem, wenn die Durchwachsene Silphie oder Wildpflanzen angebaut werden.

Gleichzeitig kann der Landwirt mit ihnen die Humusbilanz verbessern. „Die Humusbilanz ist wichtig, weil ja mit dem Export der festen Phase auch organisches Material den Betrieb verlässt“, erklärt Brathe. Dieser Dünger mit 20 bis 40 % TS ist ideal für weiter entfernt liegende Flächen bzw. für den Transport in Marktfruchtregionen und für Pflanzen mit langsamem Wachstum.

Die separierte Flüssigphase dagegen würde als Dünger nicht für eine Humusreproduktion sorgen. Da sie aber viel N und K2O enthält, lassen sich damit Grünland und Biogas-Dauerkulturen ideal versorgen.

Geht der Betrieb einen Schritt weiter und konzentriert auch die Flüssigphase weiter auf (z. B. über die Strippung, die Vakuumverdampfung oder Verdunstung), ließe sich das Nährstoffkonzentrat als schnell wirksamer Stickstoffdünger bei Mais, Getreide oder Raps einsetzen, während das gewonnene Wasser auch wieder im Grünland oder in Biogas-Dauerkulturen verregnet werden könnte. „Das ist gerade in Dürrejahren wie 2022 interessant, um den Ertrag der Dauerkulturen zu sichern“, sagt sie.

Forschungsprojekte zur Gärrestaufbereitung

Es gibt weitere Forschungsprojekte, die sich mit der Behandlung von Gärrest beschäftigen. Dazu zählt das Projekt „NaProBio“ in Niedersachsen, das im August 2022 gestartet ist. Ziel ist der Mehreinsatz von Wirtschaftsdünger in der Modellregion Landkreis Rotenburg (Wümme). Projektträger sind der Landkreis und 3N sowie elf Biogasanlagen vorwiegend aus dem Landkreis Rotenburg sowie aus den Landkreisen Verden, Cloppenburg und Bad Bentheim.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) untersuchen in dem Projekt „Gäremissionen“ mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen, wie sich die Anlagen- und Prozessparameter auf den Biogasertrag von Wirtschaftsdünger und die Emissionen von vorgeschalteten Gülle- und nachgeschalteten Gärrestlagern auswirken. Bei den Gärrestlagern stehen vor allem die Eingangssubstrate, das Fermentersystem und die Beladung der Biogasanlage im Mittelpunkt. Gleichzeitig berücksichtigen die Forschenden die Verweilzeit im Lager und im Gesamtsystem, die Methanbildung bzw. Anlagenleistung, die Austragsmenge und die Frequenz der Gärreste.

Dazu werden bis 2024 eine Vielzahl von Biogasanlagen mit Gülle- und Gärrestlagern im Raum Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen beprobt. Auf Grundlage von Laboranalysen können die entsprechenden Faktoren dann wissenschaftlich bewertet werden. „Das Projekt soll helfen, klimaschädliche Emissionen zu reduzieren.Am Ende des Projekts wollen wir Anlagenbetreibern und politischen Entscheidungsträgern eine Handlungsempfehlung bereitstellen, die technische, ökonomische sowie ökologische Randbedingungen berücksichtigt“, erklärt Lukas Rüller aus der Abteilung Verfahrenstechnik am Fraunhofer UMSICHT.

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