Der Haslachhof von Familie Wiggert liegt auf 800 m Höhe im Schwarzwald. Betriebsleiter Wolfram Wiggert hat im Jahr 2003 auf ökologischen Landbau umgestellt. Der Betrieb bewirtschaftet 360 ha Ackerfläche und 140 ha Grünland. Vor 17 Jahren ist eine Biogasanlage dazu gekommen, die heute fünffach überbaut ist und 2,6 MW Leistung hat.
90 % des Substrats für die Biogasanlage stammen von den eigenen Flächen. Die Abwärme der Anlage wird zu 100 % in das Nahwärmenetz der der nahegelegenen Stadt Löffingen eingespeist.
Auf seinen Ackerflächen setzt Wiggert auf ein dreijähriges Kleegras-Luzerne-Gemenge für die Biogasanlage, das zudem die Bodenfruchtbarkeit verbessert. Dazu kommen Getreidearten wie Hafer, Dinkel und Einkorn. Einen Teil der Flächen nutzt Wiggert inzwischen für ungewöhnliche Kulturen wie Hirse, Buchweizen und Leindotter, weil sie besonders gut mit den zunehmend trockenen Bedingungen im Frühjahr und Sommer zurechtkommen.
Die Rinder der robusten Schwarzwaldrasse Hinterwälder werden in einem offenen Stall mit Auslauf und hofnaher Weide gehalten. 2019 wurde ein Blühpatenprojekt zur Anlage von Blühstreifen und -flächen gestartet, an dem sich inzwischen 13 Unternehmen der Region beteiligen. Zudem ist der Haslachhof in ein Forschungsprojekt zur Förderung von Wildbienen eingebunden. Wir sprachen mit dem findigen Landwirt über seine neuesten Ideen für eine noch effizientere und nachhaltigere Energieproduktion.
Wie hat sich die Biogasanlage in Ihrer Öko-Landwirtschaft bewährt?
Wiggert: Die Biogasanlage hilft uns vor allem bei der gezielten Düngung. Wir haben auf 800 m Höhe und hohem Tongehalt im Boden eine späte Erwärmung des Bodens im Frühjahr. Vor der Biogasanlage hatten wir nur den Mist unserer Mutterkühe als organischen Dünger. Der Gärrest der Biogasanlage ist dagegen ein schnellwirksamer Dünger. Wir haben davon 18 m3 je ha und Jahr zur Verfügung. Das sind 60 kg verfügbarer Stickstoff. Mit diesem plus Zwischenfruchtanbau, Kleegras als Vorfrucht und anderen Leguminosen schaffen wir es, wirtschaftlich Öko-Getreide anzubauen. Ohne dieses hätten wir im Getreide durchschnittlich 3,5 t Ertrag, mehr nicht. Jetzt haben wir gegenüber dem Ackerbau ohne Düngung einen Mehrertrag von 40 bis 80 %. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass wir 30 % Kleegras in der Fruchtfolge haben. Das sind rund 140 ha. Den Aufwuchs können die Kühe allein nicht verwerten. Auch das ist mit der Biogasanlage möglich.
Wie bewerten Sie die Technik mit Blick auf Ihre schwierigen Substrate wie Mist oder Kleegras?
Wiggert: Diese Inputstoffe machen 80 % des Substratmixes aus. Wir haben damit einen zähen Brei im Fermenter gehabt, der nur schwer zu rühren war. Dazu kam, dass wir im Jahr 2017 im Rahmen der Flexibilisierung von sehr effizienten Zündstrahl-BHKW mit 47 % elektrischem Wirkungsgrad auf größere Gas-Otto-Motoren umgestellt haben. Die neuen Motoren haben aus der gleichen Gasmenge weniger Strom produziert. Aber aus unserem Fermenter mit 18 m Durchmesser haben wir einfach nicht mehr Gas herausholen können. Daher haben wir vor ca. fünf Jahren eine Ultraschallanlage nachgerüstet. Mit ihr behandeln wir einen Teil des Fermenterinhaltes im Bypass. Das hat dafür gesorgt, dass das Gärsubstrat dünnflüssiger und damit die Rührfähigkeit erheblich verbessert wurde. Die Strommenge für die Ultraschallanlage haben wir mit der eingesparten Rührenergie mehr als kompensiert. Zudem haben wir seit anfangan Paddelrührwerke, die wir bislang nur einmal erneuern mussten. Das rührfähigere Substrat sorgt also auch für weniger Verschleiß an den Paddeln.
Welche Reststoffe sind nach 18 Jahren Erfahrung mit der Biogasanlage aus Ihrer Sicht gut für die Biogasproduktion geeignet?
Wiggert: Im Grunde alles, was bei uns im Betrieb anfällt. Dazu gehört strohreicher Rindermist, der einen Anteil von ca. 10 % im Substratmix ausmacht. Dann Kleegras und Zwischenfrüchte wie z.B. GPS-Gemenge. Außerdem vergären wir Gras von Naturschutzwiesen. Den zweiten Schnitt davon häckseln wir und setzen ihn in der Biogasanlage ein. Künftig wollen wir auch einen Stripper nutzen, um Stroh in der Biogasanlage einsetzen zu können.
Was genau meinen Sie damit?
Wiggert: Ein Strippervorsatz am Mähdrescher streift die Ähren vom Halm ab. Der Halm selbst bleibt dagegen auf dem Feld stehen. Diese können wir dann wie Gras mähen und häckseln. Bei diesem Verfahren stört uns auch eine mögliche Untersaat nicht. Wenn wir z.B. Rotklee oder Weidelgras mit dem Getreide aussäen, wächst die Untersaat auch schnell bis zu 1m hoch und stört beim Dreschen. Beim Mähen dagegen kann sie mit dem Stroh einsiliert werden. Die Kombination aus Häcksler und Silierprozess sorgt für einen Voraufschluss, sodass ich das Stroh einfacher vergären kann.
Sie haben ja erwähnt, dass Ihre Anlage flexibel Strom produziert. Ist es mit den schwer vergärbaren Substraten auch möglich, die Gasproduktion zu steuern?
Wiggert: Ja, das ist sehr gut machbar. Unser Gasspeicher ist so ausgelegt, dass er das Gas zwölf Stunden lang speichern kann, ohne dass das BHKW in Betrieb ist. Wir werden noch in diesem Jahr den Biolene-Speicher durch ein Tragluftdach ersetzen. Damit hätten wir dann 24 Stunden Speicherkapazität. Weitere Kapazität will ich mit einem externen Gasspeicher schaffen, die Genehmigung läuft gerade. Die Speicherzeit können wir mit einer flexiblen Fütterung verlängern. Da die Strompreise meist am Sonntag sehr niedrig sind, reduziere ich die Fütterung zwei Tage vorher. Die Reaktionszeit ist mit den faserigen Materialien länger. Aber wenn man das weiß, kann man sich darauf einstellen.
Wie hat sich die flexible Biogasproduktion bei Ihnen wirtschaftlich ausgewirkt?
Wiggert: , Mit einer fünffachen Überbauung kann einen Mehrerlös von ca. 5 ct/kWh erwirtschaften werden . Das erreichen wir mit dem knappen Gasspeicher von ca. 12 Stunden nicht ganz. Mit 18 Stunden Kapazität wäre das wahrscheinlich möglich, weil man damit noch besser auf den Strompreis reagieren kann.
Wo sehen Sie noch Verbesserungs-/Anpassungsbedarf?
Wiggert: Ganz klar in der Bürokratie. Allein die aus unser Sicht unsinnige Nachhaltigkeitsverordnung bindet sehr viel Ressourcen, ohne dass es einen Nutzen hat. Über 90 % des Inputs für unsere Biogasanlage stammt von eigenen Flächen. Hierzu nur ein Beispiel: Wir haben zwei Ackerflächen mit ca. 1 ha, die vor 2008 einfaches Grünland waren. Weil es die Nachhaltigkeitsverordnung so vorschreibt, darf ich den Aufwuchs davon nicht in der Biogasanlagen verwerten. Es gibt viele weitere Vorschriften im Bau-, Genehmigungs- und Energierecht, die komplex, nicht nachvollziehbar und in der Praxis allein wegen langer Lieferzeiten von Komponenten usw. nur schwer umsetzbar sind. Hier würde ich mehr Pragmatismus wünschen.
Gerade wird viel über die kommunale Wärmeplanung mit Nahwärmenetzen gesprochen. Was können andere Kommunen von dem Konzept in Löffingen lernen?
Wiggert: Der Wärmeverkauf ist seit 2008 Jahren eine wichtige Erlösquelle für uns. Selbst an warmen Tagen im Sommer liefern wir zwischen 500 und 600 kW pro Stunde an die Stadt Löffingen, die ein Nahwärmenetz betreibt. Wir hatten uns 2004, als die Biogasanlage in Planung war, aktiv an die Stadt gewendet. Viele Gemeinden können mit der Abwärme von Biogasanlagen die Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Öl oder Erdgas schaffen. Nicht immer wissen die Planungsbüros, die mit Machbarkeitsstudien zur kommunalen Wärmeplanung betraut sind, von existierenden Biogasanlagen. Daher müssen sich Anlagenbetreiber aktiv einbringen. Wir planen jetzt eine Exergie-Wärmepumpe als Ergänzung, um noch mehr Wärme produzieren zu können.
Wie funktioniert das?
Wiggert: Die Wärmepumpe soll an unseren Pufferspeicher mit 2000 m3 Volumen angeschlossen werden. Die Wärmepumpe hebt die Temperatur des 40 bis 50 °C warmen Rücklaufs auf 90 °C an. Gleichzeitig kühlt sie das Rücklaufwasser sehr stark ab. Das kalte Wasser wollen wir nutzen, um damit das Abgas aus dem BHKW und der städtischen Hackschnitzelanlage über einen Abgaswärmetauscher zu kondensieren (Brennwerttechnik) und damit mehr Wärme zu nutzen. Der kalte Rücklauf wird über die Abgaswärme wieder auf ca. 50 °C aufgeheizt. Damit können wir ca. 25 % mehr Wärme aus dem BHKW holen, ohne dass wir mehr Brennstoff brauchen. Die Wärmepumpe ist nur dann in Betrieb, wenn der Strompreis günstig ist.
Aber das BHKW wird ja bei niedrigen Strompreisen stillstehen. Wie können Sie dann den Abgaswärmestrom kühlen?
Wiggert: Wir entkoppeln den Betrieb der Wärmepumpe und des BHKW über den Pufferspeicher. Bei diesem haben wir mithilfe von in vier verschieden Höhen angebrachte Sprühkreuzen eine Temperaturschichtung. Die Sprühkreuze sorgen dafür, dass das Wasser aus dem Heizungskreislauf mit geringer Strömungsgeschwindigkeit in den Speicher fließt und die Schichtung nicht verwirbelt. Unten ist das Wasser sehr kalt, in der Mitte etwa 50 °C und oben haben wir die 95 °C. Mithilfe der Wärmepumpe wollen wir Überschussstrom unserer knapp 500 kW PV-Anlagen nutzen, um diesen in Wärme umzuwandeln und zu speichern.
Sie haben in diesem Jahr auch eine Agri-PV-Anlage installiert. Wie passt das zu Ihrem Konzept mit Biogas, Ökolandbau und Wärmeverkauf?
Wiggert: Die Anlage ist Ende April erst ans Netz gegangen, daher liegen noch nicht viele Erfahrungen vor. Wir haben auf 11 ha Fläche einen Solarpark mit senkrecht stehenden Modulreihen installiert. Die Anlage hat eine Leistung von ca. 4,3 MW. Der Reihenabstand beträgt 13,5 m. In diesem Jahr haben wir Senf zwischen den Modulen gesät. Er soll von einer Soßenmanufaktur aus Freiburg verwertet werden. Was wir schon feststellen konnten: Die Module wirken bei bestimmten Wetterlagen wie Agroforststreifen, sie bremsen den Wind und verhindern damit ein Austrocknen des Bodens. Mit den 13,5 m war ich allerdings etwas zu optimistisch, die Bearbeitung mit 12 m Güllefass fällt schon sehr schwer, gerade, wenn die Maschinen nicht im Dreipunkt angehängt sind, da der Acker leicht abschüssig ist. Als Weidezaunersatz sind die Reihen dagegen gut geeignet. Man kann ca. 30 cm lange Isolatoren anbringen, sodass das Untergestell als Zaunpfosten fungiert. Die Kühe sorgen dann gleichzeitig für die nötige Pflege auch unter den Modulen.
Fachgespräch am 2. Juli auf dem Haslachhof
Unter dem Motto „Ökolandbau 2.0 – Mit Biogaserzeugung und Biomassenutzung
fit für die Zukunft!“ veranstaltet der C.A.R.M.E.N. e.V. auf dem Haslachhof von Wolfram Wiggert am am 2. Juli 2025 in Löffingen ein Fachgespräch.
Ziel der Veranstaltung ist es, aktuelle politische Rahmenbedingungen zu beleuchten und die essenzielle Rolle der Biomassenutzung für Rohstoffe, Energie und Klimaschutz hervorzuheben. Teilnehmer erwarten spannende Einblicke in die Biogaserzeugung und deren Vorteile für den Pflanzenbau im Ökobetrieb.
Ein Praxisteil bietet die Möglichkeit, eine flexibilisierte Biogasanlage (2,6 MW) mit Großwärmespeicher und Hackschnitzelheizung zu besichtigen. Zudem wird die Ultraschall-Biogassubstrataufbereitung für faserige Stoffe vorgestellt, und es gibt Einblicke in innovative Techniken wie Direktsaat und die Verwendung von pilzdominiertem Kompost als Saatgutbeize. Feldführungen zu Agri-PV-Anlagen, Dinkel- und Einkornanbau sowie zur Nutzung von Wildpflanzenmischungen runden das Programm ab.
Das Fachgespräch findet in Kooperation mit dem Fachverband Biogas e.V. sowie der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V. (PEE) statt. Es richtet sich insbesondere an Betreibende von Biogasanlagen, Landwirte, Beratende sowie alle fachlich Interessierten.
Hier finden Sie das ausführliche Programm sowie die Anmeldung.