Kurz vor Weihnachten haben die Fraktionen von SPD und Grünen noch einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in den Bundestag eingebracht. Damit sollen Biogasanlagen nach 20 Jahren eine weitere Förderperspektive bekommen. Der Gesetzgeber will damit Anreize für eine flexible Fahrweise der Anlagen geben. Zugleich sollen Kommunen Planungssicherheit erhalten, die in den kommenden Jahren eine Wärmeplanung vorlegen müssen.
Entwurf umstritten
Der eingebrachte Entwurf von SPD sowie Bündnis 90 / Die Grünen enthielt wichtige Verbesserungen gegenüber dem Kabinettsentwurf: Das Ausschreibungsvolumen sowie der Flexibilitätszuschlag wurden angehoben. Dennoch sehen die Bioenergieverbände im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) weiterhin grundlegenden Nachbesserungsbedarf und schlagen einen Transformationspfad hin zu hochflexiblen Biogasanlagen vor. „Das große Problem ist nach wie vor die falsche Grundannahme, man könne die gesteigerten Flexibilitätsanforderungen flächendeckend und kurzfristig ohne Weiteres in der Praxis umsetzen. Die Weigerung vieler Netzbetreiber zum Anschluss hochflexibler Biogasanlagen, Behördenbummel bei der Genehmigung sowie Lieferzeiten für Anlagentechnik machen dies unmöglich,“ erklärt Sandra Rostek, Leiterin des HBB.
Aufgrund der plötzlichen Vorgabe, dass Biogasanlagen bereits in den Ausschreibungen in 2025 doppelt so stark flexibilisieren müssten wie ihnen in den letzten zehn Jahren vorgegeben wurde, bleibe den Anlagenbetreibern schlicht nicht genügend Zeit, um die benötigten Genehmigungen einzuholen, die Finanzierung zu stemmen sowie den Kauf von Trafo, BHKW und Speichern zu leisten. Für Anlagen, die in der Vergangenheit bereits mehrmals keinen Zuschlag erhielten und nun in 2025 ans Ende ihres ersten Vergütungszeitraumes kommen, sei es zudem nahezu unmöglich, bereits zur ersten Ausschreibung im April ein Anlagenkonzept nach den neuen und für die Branche unerwartet kurzfristigen Änderungen zu realisieren.
Betriebsstundenregelung falsch
„Ein weiterer großer Hemmschuh ist die neu eingeführte Betriebsstundenregel zur Berechnung der Vergütung von Biogasanlagen, die die bisherigen Regelungen zur Begrenzung der Stromerzeugung ersetzen sollen. Die neue Regelung ist in der Praxis kaum administrierbar. Auch können die meisten Anlagen ad hoc und ohne Übergangszeitraum bei so wenigen Betriebsstunden gar nicht genehmigt werden und wirtschaftlich arbeiten,“ betont Rostek.
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf sollen ab 2025 nur noch 2.500 Betriebsstunden vergütet werden, elf Jahre nach Zuschlag dann nur noch 2.000 Betriebsstunden. Fossile Erdgas KWK-Anlagen erhalten hingegen in 2025 für bis zu 3.500 Stunden eine KWKG-Förderung. „Bei den Erneuerbaren ein engeres Korsett vorzugeben als bei fossilen Energien ist schlicht der falsche Weg. Vielmehr sollte die Freiheit gegeben werden, den Markt entscheiden zu lassen, ob es sinnvoll ist, Anlagen weniger als 3.500 h zu fahren“, betont Rostek.
Angesichts der drohenden Gefahr tausende Bioenergieanlagen auf dem nötigen Weg der Transformation zu verlieren, schlägt die Leitern des HBB einen Übergangszeitraum vor: „Wir brauchen einen verlässlichen Pfad hin zur hohen Überbauung und damit Flexibilisierung von möglichst vielen Biogasanlagen. Mit dem vorliegenden Entwurf können wir nur sehr wenige Anlagen auf den Weg in einen flexiblen Betrieb mitnehmen und verlieren gleichzeitig tausende Bioenergieanlagen“
Auch Flexperten fordern mehr Zeit
„Für Speicherkraftwerke sind die Inhalte des neuen Entwurfs nun ein positiver Durchbruch, aber mit noch etwas Korrekturbedarf“, kommentiert auch Uwe Welteke-Fabricius von dem Netzwerk „Flexperten“ den Gesetzestext.
Die Zukunft der Stromerzeugung aus Biogas liegt laut Flexperten in den Stunden, in denen Wind und Sonne fehlen, und alle Batterien auch schon entladen sind. Das sind schon Anfang der Dreißigerjahre – also in nur fünf Jahren! – möglicherweise weniger als 3.000 Stunden des Jahres. Zum Ende des Jahrzehnts wird sich diese Zahl halbieren. In diesen Zeiten wird Strom knapp und kostbar. Wer dann klimafreundlichen Strom liefern kann, wird damit mehr Geld verdienen als heute. „2024 kam es bereits zu 450 Stunden mit negativen Strompreisen. Und schon heute gilt: Wenn Wind weht, die Sonne scheint oder Batterien den eingefangenen Sonnenstrom liefern, kann man im Strommarkt mit regelbaren Kraftwerken kein Geld verdienen“, sagt Welteke-Fabricius. Deshalb sei eine Stundenbegrenzung als Leitplanke für die Politik unverzichtbar. „Die Grenze ist allerdings enger gesetzt, als energiepolitisch nötig – erst ab 2030 wird sich das ändern“, erklärt er.
Die im Gesetzesentwurf geforderte Begrenzung der Betriebsstunden sehen die Flexperten nicht kritisch: Für die ersten fünf Jahre soll die Förderung nur für die einspeisestärksten 10.000 Viertelstunden des Jahres gezahlt werden. In den nächsten fünf Jahren sinke diese Zahl auf 8.000 Viertelstunden. Mehr sei erlaubt, werde aber nicht mit Marktprämie gefördert. „Um die Marktprämie für den gesamten Strom zu erhalten, brauchen die Anlagen mehr als 4,4-fache BHKW-Leistung. Erfahrene Betreiber von Speicherkraftwerken schreckt das nicht; sie überbauen bis zu achtfach“, sagt er.
Was aber kritisch sei: Dies bedeute praktisch eine Verdoppelung bis Vervierfachung innerhalb von 24 Monaten nach dem Zuschlag. „Das wäre eine viel zu kurze Realisierungsfrist. Die Dauer der Planung, Netzanschlusszusage, BImSch-Genehmigung, Finanzierung, Lieferzeiten und Bau sind heute meist deutlich länger. Und warum sollen Biogasbetreiber plötzlich in zwei Jahren liefern, wofür andere Gaskraftwerke mehr als fünf Jahre brauchen?“, fragt der Experte.
Um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken, gibt es im Fachverband Biogas künftig einen Arbeitskreis Speicherkraftwerke.
Flexibler Netzanschluss beschlossen
Ein wichtiges Problem für flexible Anlagen ist laut Flexperten jetzt aus dem Weg: Bislang haben einige Netzbetreiber behauptet, das Stromnetz sei bereits ausgelastet und werde erst in einigen Jahren so ausgebaut, dass die Leistung des Flex-BHKW zusätzlich aufgenommen werden könne. „Schon der Ansatz dieser Auskunft war grundsätzlich falsch: Flexible Biogas-BHKW speisen nicht ein, wenn das Netz durch Strom aus Sonne und/oder Wind ausgelastet ist“, sagt Weltke-Fabricius.
Nun hat die Bundesregierung in den Gesetzesentwurf zum EnWG eine Klarstellung aufgenommen: § 8f regelt „Flexible Netzanschlussvereinbarungen“: „Der Netzbetreiber und der Anlagenbetreiber können eine anschlussseitige Begrenzung der maximalen Wirkleistungseinspeisung in das Netz vereinbaren.“
Danach ist der Anlagenbetreiber zuständig, nicht zu viel Strom einzuspeisen, ansonsten kann der Netzbetreiber die Anlage abregeln. Das ist laut Flexperten kein Problem: Droht das Netz zu überlasten, steigt z.B. die Netzfrequenz und die Biogasanlage würde abgeregelt. Der Praxisbetrieb zeigt, dass dies im flexiblen Betrieb praktisch nie vorkommt.
Zukünftig müsse der Netzbetreiber sogar selbst die grundsätzliche Möglichkeit des Abschlusses einer solchen flexiblen Netzanschlussvereinbarung prüfen und dem Anlagenbetreiber das Ergebnis dieser Prüfung gemeinsam mit dem Ergebnis seiner Netzverträglichkeitsprüfung mitteilen.
Brief an Bundestagsabgeordnete
Der Biogasanlagenbetreiber Michael Reber aus Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg) hat sich mit einem Brief an seine Bundestagsabgeordneten gewendet. „Wenn nicht bald und schnell Entscheidungen getroffen werden, stehen viele Biogasanlage vor dem Aus“, warnt er darin. Er bringt dabei die wichtigsten Forderungen der Branche auf den Punkt:
deutliche Erhöhung des Ausschreibungsvolumens auf 7,2 GW (= 1.800 MW/a);
Erhöhung des Flexzuschlags auf 120 €/kW (aktueller Vorschlag von 100 €/kW geht aber in die richtige Richtung);
keine Bevorzugung von bestehenden Wärmenetzen: Sie sorge dafür, dass Anlagen, die das erst aufbauen wollen, benachteiligt werden. „Gerade im Anschluss an die erst erstellten bzw. derzeit zu erstellenden kommunalen Wärmeplanungen ergeben sich ja erst neue Potenziale insbesondere für Biogasanlagen, wie auch bei uns“, sagt er;
vereinfachter Netzzugang für flexible Speicherkraftwerke.
Wichtig sei, dass Entscheidungen getroffen werden. „Der Krieg in der Ukraine zeigt uns doch sehr deutlich, wie anfällig große zentrale Energieerzeugungseinheiten in Krisensituationen sind. Nicht umsonst geht ein Großteil der BHKW-Produktion aus Deutschland gerade in die Ukraine, um dezentral Strom- und Wärmeproduktion wieder herzustellen“, betont Reber. Deutschland dagegen sei dabei, das aufzugeben, was es schon habe. „Ich bin der Überzeugung, dass wir die Energiewende schaffen können und nicht zurück zur Atomkraft gehen müssen. Mit dezentralen, hochflexiblen Blockheizkraftwerken und angebundenen Wärmenetzen schaffen wir auch den Ausgleich zu PV und Wind“, sagt Reber. Dazu seien aber dringend obige Anreize nötig. Das wäre immer noch deutlich günstiger und vor allem schneller realisierbar als neue große Gaskraftwerke bzw. der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.
Reber und andere Betreiber bieten dazu jetzt verstärkt Gespräche mit den Abgeordneten auf ihren Anlagen an.
Wie es jetzt weitergeht
Was Experten zum BMWK-Entwurf sagen, kann man am 15. Januar von 11:15 bis 13:15 Uhr bei einer öffentlichen Anhörung im Energieausschuss des Bundestages live auf www.parlamentsfernsehen.de verfolgen. Den Gesetzesentwurf finden Sie hier.
Die Flexperten bieten im Frühjahr wieder bundesweite Seminare über den richtigen Weg zur „erfolgreichen Praxis Speicherkraftwerk“ an. Interessenten für die Teilnahme finden die aktuellen Termine auf der Website www.speicherkraftwerk.de.