Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

News

Biogas im EEG: Es ist fünf vor zwölf

Biogas scheint in der politischen Diskussion kaum noch eine Rolle zu spielen. Vertreter aus den Bereichen Energie, Forschung und Landwirtschaft diskutierten in Nürnberg über Ursachen und die dringende Abhilfe.

Lesezeit: 5 Minuten

„Fast alle bestehende Biogasanlagen dürften ohne eine Anschlussförderung aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter betrieben werden“, heißt es im jüngsten Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Trotzdem soll das EEG keine Regelung für Biogasanlagen enthalten, sondern die für die Branche so abwürgenden Regelungen des EEG 2014 sollen fortbestehen. Lediglich als Option könne es eine Verordnung mit Regeln geben, nach denen neue und alte Biogasanlagen an dem Ausschreibungsverfahren teilnehmen könnten.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Eine Verordnung, die das BMWi erlassen kann, sieht nicht nur der Fachverband Biogas kritisch. „Wenn die Branche keine Perspektive hat, werden größere Investitionen nicht mehr gemacht und vielleicht sogar nicht einmal mehr die 20 Jahre Vergütungslaufzeit ausgenutzt“, prognostizierte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), auf einer Podiumsdiskussion während der Jahrestagung des Fachverbandes Biogas in Nürnberg.


„Landwirte haben immer schon gezeigt, dass sie eigentlich Interesse an der Technologie haben, auch an der Flexibilisierung der Biogasanlagen“, lautet die Beobachtung von Dr. Bernd Krautkremer, Abteilungsleiter Bioenergiesystemtechnik beim Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). Doch derzeit seien viele verunsichert und würden daher von einer Investition in die Flexibilisierung absehen.


Ein Argument des BMWi gegen Biogas ist, die Branche hätte wie andere Technologien die Chance gehabt, die Kosten zu senken, aber es nicht geschafft und deswegen keine Berechtigung mehr. Über diese Aussagen ärgert sich Krautkremer sehr. „Wir geben heute jährlich 100 Mrd. € für fossile Rohstoffe aus. Dieses Geld fließt aus Deutschland ab.“ Wenn aber Geld in Bioenergie investiert wird, bleibt es vor Ort, schafft Arbeitsplätze im Inland und führt zu Steuereinnahmen, kurz: die Zahlungen refinanzieren sich zum Teil wieder. „Wir müssen daher dafür sorgen, dass der Nutzen, den die Bioenergie stiftet, auch honoriert wird.“


Dabei sollte man aber nicht nur auf das EEG schauen, meint Dr. Anke Tuschek vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Auch im neuen Strommarktgesetz müssten Möglichkeiten für Biogas geschaffen werden.


„Wir wissen aber auch, dass die Diskussion mit dem BMWi dazu schwierig sind“, berichtet der Klimaschutz- und Energiereferent Dr. Herbert Barthel vom Bund Naturschutz in Bayern. Sowohl Minister Sigmar Gabriel als auch Staatssekretär Rainer Baake sind nach Barthels Wahrnehmung Gegner der dezentrale Energiewende. Er stellt sogar infrage, ob sie überhaupt für die Energiewende sind.


Zweifel hat auch Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. Seiner Wahrnehmung nach will Baake die Energiewende u.a. dadurch schaffen, indem Europa z.B. Solarstrom aus Afrika bezieht. „Aber wir haben doch eine deutsche Wirtschaft, die lebt von einer stabilen Stromversorgung mit nur 13 Minuten Stromausfall im Jahr“, argumentiert Seide. Daher dürfe Deutschland die deutsche Stromversorgung nicht vernachlässigen, bevor sie in Afrika überhaupt aufgebaut ist.


Auch Krautkremer bemängelt das Desinteresse des BMWi. Bei wissenschaftlichen Tagungen des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien hätten früher auch Politiker interessiert zugehört. „Heute kommt Herr Baake, hält den ersten Vortrag, bei dem er der Forschung die Welt erklärt, und geht dann gleich wieder.“


Gabriel mache einen großen Fehler, wenn er mit dem Vorwand der hohen Kosten Biogas abschaltet, ist Energiereferent Barthel überzeugt: „In Biogas steckt ein riesiges Potenzial, bedarfsgerecht Strom anzubieten.“ Wenn bestimmte Spielregeln beim Anbau der Energiepflanzen eingehalten werden in puncto Klimaschutz, Biodiversität und Schönheit der Landschaft, dann stände der Bund voll hinter Biogas und wolle sich bei der Bayerischen Landesregierung für das Überleben der Branche einsetzen.


Landwirt Helmut Lamp, Ehrenpräsident des Bundesverbandes Bioenergie und langjähriger Bundestagsabgeordneter, wundert sich über das Abtauchen des BMWi in Sachen Klimaschutz. Lamp erinnert sich noch an den Ausspruch: „Wir sind reich genug, uns Klimaschutz leisten zu können - wir sind zu arm, um auf Klimaschutz zu verzichten.“ Derart Pathetisches hatte der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel im Jahr 2008 von sich gegeben. „Heute muss man sich fragen, ob man mit dem Wechsel des Ministeriums auch seine Meinung ändert“, gibt sich Lamp zynisch.


Das energiepolitische Zieldreieck, wonach die Energieversorgung sicher, bezahlbar und sauber sein sollte, hängt demzufolge sehr schief. „Die deutschen Klimaschutzziele sind gescheitert, wir werden die CO2-Emissonen bis 2020 nicht so stark senken können, wie wir es uns vorgenommen haben“, kritisiert er. Deutschland sei gut auf internationalen Konferenzen, mache aber zu Hause seine Hausaufgaben nicht. Es sei richtig, dass sich Minister Gabriel um die Bezahlbarkeit der Energiewende kümmere. „Aber trotzdem könnte er auch einmal das Wort Klimaschutz in den Mund nehmen“, betont er.


„Wir sind gern bereit, aktuelle Probleme mit der Politik zu besprechen und z.B. andere Pflanzen anzubauen“, sagt Seide. Aber derzeit würden die Ministerien für Landwirtschaft, Energie und Umwelt nicht mehr mit der Branche reden. Alle drei hätten heute ein Problem mit Biogas.

„Aus Sicht der Landwirtschaft ist das unverständlich“, äußert Helmut Lamp. Seiner Meinung nach müsste jeder Milchviehhalter in Deutschland morgens eine Kerze der Dankbarkeit für Biogaserzeuger anzünden: „Wenn die 700.000 ha Biogaspflanzenfläche der Milchviehhaltung zur Verfügung stände, wäre das eine Katastrophe.“ Dem stimmt auch Heidl zu: „Die Energieerzeugung hat eine wichtige entlastende Funktion für die Märkte, nicht nur bei der Milch, sondern auch bei Fleisch und Getreide.“


Um auch die Bevölkerung und die Politik wieder ins Boot zu holen, müsse die Branche jetzt Vertrauen aufbauen. „Wir haben Deutschland in zu kurzer Zeit zu stark verändert, das hat bei den Bürgern und damit auch bei den Politikern Ängste geweckt“, analysiert Seide. BBV-Präsident Heidl sieht dabei Energieerzeuger und Landwirte in einem Boot: „Wir müssen jetzt Seite an Seite kämpfen, für positive Rahmenbedingungen nicht nur für die Energiewende, sondern auch für die gesamte Landwirtschaft!“

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.