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Biogas und Erdgas: Müssen wir Energiemais und Fracking neu bewerten?

In Deutschland gibt es Vorbehalte gegenüber Energieoptionen wie Biogas aus Mais oder Frackinggas. Der Krieg in der Ukraine könnte das ändern, zeigte eine Diskussionsrunde von Zukunft Gas.

Lesezeit: 5 Minuten

Russland hat nach Ansicht des Energieunternehmens Wintershall Dea eine rote Linie überschritten. „Der Angriffskrieg auf die Ukraine markiert einen fundamentalen Wendepunkt: geopolitisch und energiepolitisch“, sagte Unternehmenssprecher Michael Sasse bei einer Diskussionsrunde der Brancheninitiative „Zukunft Gas“ vergangene Woche. Das Unternehmen, das selbst sehr stark auf russisches Erdgas gesetzt hat, will künftig keine neuen Projekte in Russland oder mit russischen Unternehmen außerhalb des Landes in Angriff nehmen. Stattdessen sucht Wintershall Dea nach Ersatz – international, aber auch innerhalb von Deutschland.

Potenzial für Frackinggas

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Heimisches Erdgas deckt laut Sasse rund 5 % des bundesweiten Bedarfs ab. 97 % davon stammen aus Niedersachsen. Auch die wichtigsten heimischen Erdölvorkommen befinden sich – neben Feldern in Schleswig-Holstein – in Niedersachsen. „Es gibt hierzulande rund 32 Mrd. m3 Erdgasreserve, die als sicher förderbar gelten“, erklärt Sasse. Dazu kommen Ressourcen aus Quellen, die momentan noch nicht wirtschaftlich förderbar oder geologisch nicht exakt erfasst sind wie 450 Mrd. m3 Erdgas aus Kohleflözen oder 2,3 Billionen m3 Erdgas aus Schiefergestein, das sich über Fracking erschließen ließe.

Fracking ist der englische Ausdruck für das Aufbrechen von unterirdischem Gestein durch ein Wasser-Sand-Chemikalien-Gemisch. „Wegen möglicher Auswirkungen auf die Umwelt ist das Verfahren umstritten. Dies gilt besonders für das Aufsuchen und die Gewinnung von nicht konventionellen Erdgasvorkommen und die damit verbundenen Gefahren für die Grundwasserbeschaffenheit und für die Trinkwassergewinnung“, äußert sich dazu u.a. das Bundesumweltamt.

Doch der Ukrainekrieg könnte zu einem Umdenken führen. Nach einer Allensbach-Umfrage von April 2022 unter 1100 Personen sagten 74 % der Befragten, die Förderung von Erdgas auch in Deutschland sei wichtig bzw. sehr wichtig.

„Das könnte auch zu einer Neubewertung von Frackinggas führen, wenn das vorhandene Potenzial ‚vor der Haustür‘ genutzt werden sollte“, erwartet Sasse.

Rolle von Biogas unterschätzt

Vielfach unterschlagen wird in der aktuellen Situation auch die Rolle von Biogas als heimische, nachhaltige Energiequelle. Biogasanlagen können dabei einen Beitrag zum Ausgleich der schwankenden Produktion von Wind- und Solarstrom leisten und damit die Rolle von Erdgaskraftwerken übernehmen. „Das Potenzial der heute bestehenden Anlagen liegt bei 18 Gigawatt flexibler Leistung, was 60 Gaskraftwerksblöcken entspricht“, erklärt Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie, der politischen Vertretung mehrerer Verbände wie dem Fachverband Biogas oder dem Bundesverband Bioenergie.

Potenzial gibt es auch bei der Gaserzeugung. So könnten aufgrund der guten Ernte im vergangenen Jahr die Anlagen ihre Leistung um rund 20 % auf 19 Terawattstunden (TWh) Gas erhöhen, ohne zusätzliche landwirtschaftliche Flächen für den Energiepflanzenanbau in Anspruch nehmen zu müssen. Das entspricht allein 4 % der deutschen Erdgasimporte aus Russland.

Wie sie weiter ausführt, kommen weitere Potenziale dazu:

  • Abfälle, Reststoffe und Nebenprodukte: 56 bis 115 TWh,
  • konventionelle Energiepflanzen (ohne Grünland): 55 TWh,
  • Dauergrünland: 23 TWh,
  • extensiv genutztes Grünland: bis 12 TWh
  • Biodiversitätsflächen: bis 30 TWh

In Summe wären das 135 bis 235 TWh Biogas, was zwischen 21 und 42 % der Erdgasimporte aus Russland entspräche.

Wird Biogas mit Wasserstoff vermischt, kann das im Rohgas enthaltene CO₂ mit H2 zu Methan reagieren. Das Potenzial von diesem synthetischen Methan gibt Rostek mit weiteren 216 TWh an. Zusammen könnten Biogasanlagen also bis zu 450 TWh Methan bereitstellen – 80 % der im Jahr 2020 getätigten Erdgasimporte aus Russland.

Abbau von Hürden nötig

Damit das Potenzial gehoben werden kann, müsste die Politik aber verstärkt Investitionshemmnisse abbauen und Ausnahmen erteilen. Dazu zählt Rostek u.a.:

  • Kompensation von Kostensteigerungen,
  • Abschaffung der endogenen Mengensteuerung und der Südquote beim Ausschreibungsverfahren,
  • befristete Ausnahmen im EEG, Baugesetzbuch und Bundesimmissionsschutzgesetz, um kurzfristig mehr Biogas produzieren zu dürfen,
  • verbesserte Rahmenbedingungen für die Biogasaufbereitung.

„Gerade bei der Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz müssen wir besser werden“, fordert auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Hümpfer, Mitglied im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie. Seiner Meinung nach hat das EEG früher Fehlanreize gesetzt. So seien Hofanlagen, die nur Strom erzeugen, ineffizient. Besser seien hocheffiziente Blockheizkraftwerke, die neben Strom auch Wärme produzieren. Diese könnte in Fernwärmenetze eingespeist werden. „Wir müssen aber auch aufpassen mit der Fläche für die Energieproduktion: Angesichts der zu erwartenden Ausfälle aus der Ukraine brauchen wir die Fläche vor allem für Nahrungs- und Futtermittel“, sagt Hümpfer.

Lage neu bewerten

Der Krieg in der Ukraine könnte jetzt aber zu neuen Bewertung führen. „Ein grüner Klimaschutzminister reist nach Katar, um dort Flüssigerdgas zu kaufen, während vor kurzem noch diskutiert wurde, das Land wegen seiner Menschenrechtsverletzungen als Austragungsort für die Fußball-WM zu boykottieren“, betont Sasse. Entsprechend müssten auch andere Denkverbote aufgehoben werden. Dazu zählt er u.a. das Frackingverbot in Deutschland. „Es gibt sehr unterschiedliche Lagerstätten mit mehr oder weniger großem Bedarf an Frackingflüssigkeit. Dazu kommt die Entwicklung von umweltfreundlichen Chemikalien“, zählt Sasse auf. Diese müssten anstelle einer pauschalen Ablehnung mitberücksichtigt werden.

Ebenso sieht Rostek die politische Ablehnung von Mais kritisch. „Die Verschärfung des Maisdeckels macht Biogas teurer, das muss man immer berücksichtigen“, sagt sie. Auch wenn der Fokus künftig auf Rest- und Abfallstoffen liegen wird, warnt sie davor, den nachhaltigen Anbau von Energiepflanzen pauschal abzulehnen. Denn auch er kann einen Beitrag dazu leisten, die Abhängigkeit von klimaschädlichem fossilem Erdgas zu beenden – vor allem aus Ländern, die damit Kriege finanzieren.

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