topplus Innovatives Konzept

Zwei Standbeine: Biogasanlage erzeugt Strom und Biomethan parallel

Während sich viele Biogasanlagen aktuell auf die flexible Stromproduktion oder die Biomethanerzeugung konzentrieren, baut die BRAHA Bioenergie beide Geschäftsfelder aus.

Lesezeit: 9 Minuten

Bereits seit 2008 stehen auf dem ehemaligen Milchviehbetrieb von Harald Hauschild sowohl eine Gasaufbereitung zur Biomethanproduktion als auch mehrere BHKW, die Strom und Wärme liefern. Zu den anfangs installierten zwei Zündstrahl-BHKW mit je 300 kW ist mittlerweile ein Flex-BHKW mit 637 kW dazugekommen.

Innovative Synergien für Strom und Biomethan

Hauschild betreibt die Biogasanlage in Godenstedt (Landkreis Rotenburg/Wümme, Niedersachsen) zusammen mit seinem Nachbarn Peter Brandt unter dem Namen „BRAHA Bioenergie“. Später ist die Firma HPP Biogas dazugekommen. Die Gasaufbereitung nach dem Prinzip der Aminwäsche war bis 2012 ein Pilotprojekt der Firma MT Biomethan. Nach deren Insolvenz konnte die HPP die Anlage übernehmen.

Neue Förderperiode nach erfolgreicher Ausschreibung

Im Oktober 2025 endet die 20-jährige Förderperiode der Biogasanlage nach EEG. Die Landwirte haben schon vor drei Jahren erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen und einen Zuschlag für die zehnjähre Verlängerung erhalten. Dennoch wollen sie sich nicht auf einen Betriebszweig verlassen. „Ich habe wenig Hoffnung, dass wir mit der Stromerzeugung allein in Zukunft ausreichend Geld verdienen werden“, sagt Hauschild. Sicher werde es Phasen mit hohen Strompreisen geben. Aber für diesen Weg sind erhebliche Investitionen nötig.

Biomethan: Vielseitige Nutzungsmöglichkeiten

Die Biomethanproduktion dagegen verspricht mehr Möglichkeiten. Denn das Gas lässt sich als BHKW-Brennstoff, als Heizgas oder als Kraftstoff verkaufen. Aber der Absturz der Biomethanpreise im Zuge des Betrugsskandals mit gefälschten Biodieselimporten hat gezeigt, dass auch hier die Bäume nicht in den Himmel wachsen. „Darum hoffen wir, dass sich die beiden Geschäftsfelder gut ergänzen und wir damit das Risiko verteilen“, sagt er.

Zudem gibt es Synergieeffekte:

  • Bei niedrigen Strompreisen bzw. einem Stromangebot im Netz könnte er über eine Power-to-Heat-Anlage Wärme für die Aminwäsche erzeugen.

  • Genauso könnte er das Gas in einem Biogasbrenner direkt verbrennen und zu Wärme umwandeln.

Wirtschaftsdünger als Rohstoff für Biogas

Der Betrieb der Anlage ist so geplant:

  • Es gibt zwei getrennte Gärstrecken mit zwei verschiedenen Fermentern. Fermenter 1 vergärt mesophil (40 bis 45 °C) weiterhin nachwachsende Rohstoffe. Das Gas dient zum Betrieb der BHKW.

  • In Fermenter 2 werden ausschließlich Schweinegülle, separierte Rindergülle und Rindermist vergoren. Für eine bessere Gasausbeute des strohreichen Materials wird der Fermenter thermophil bei 50 bis 55 °C betrieben. Das Biogas wird zur Biogasaufbereitung geleitet und zu Biomethan aufbereitet, das als Kraftstoff verkauft werden soll.

  • Die Hälfte des Rohgases (ca. 300 m3) für die Biomethanproduktion kommt weiterhin von der Biogasanlage von Peter Martens aus 4 km Entfernung (siehe Info-Kasten). Da das Gas nicht ausschließlich aus Wirtschaftsdünger hergestellt ist, findet vor der Einspeisung eine bilanzielle Teilung statt. Damit weiß der Vermarkter des Biomethans genau, wie viel Gas von welcher Herkunft eingespeist wurde.

  • Der Input der BRAHA Bioenergie für die Biomethanproduktion besteht zu zwei Dritteln aus Rindermist und einem Drittel aus separierter Rindergülle. Da sie eine deutlich geringere Gasausbeute als Mais haben, die Gasproduktion aber unterm Strich gleich bleiben soll, sind deutlich mehr Inputstoffe und damit mehr Lagerraum nötig.

Investitionen in neue Fermenter und Technik

Die Aufbereitungsanlage kann bis zu 600 m3 Rohgas pro Stunde aufbereiten, also rund 300 m3 Biomethan erzeugen. Die Einspeisestation dagegen ist für 400 m3 Biomethan ausgelegt. „Damit haben wir noch Luft nach oben und könnten auch etwas mehr Biomethan erzeugen“, sagt er.

Der Umbau. Für das neue Konzept sind vor allem ein neuer Fermenter mit 24 m und ein Gärrestlager mit 36 m Durchmesser und jeweils 8 m Höhe dazugekommen. Der Fermenter ist mit zwei horizontal eingebauten Paddelrührwerken ausgestattet, weil strohreicher Mist schwerer zu rühren ist als Maissilage. In Ergänzung dazu soll ein langsam drehendes Tauchmotorrührwerk für den nötigen Schub der Flüssigkeit sorgen. „Die Paddelrührwerke können die unterschiedlichen Substrate gut vermischen, aber es fehlt ein horizontaler Schub im Behälter. Strömungssimulationen haben uns gezeigt, dass wir dafür gut die Strahlwirkung eines Tauchmotorrührwerks nutzen können“, erklärt Oliver Bade, Geschäftsführer von BST Innova aus Westertimke. Das Unternehmen hat zusammen mit den Landwirten das Konzept zur Umrüstung der Biogasanlage erstellt.

Neu ist ebenfalls ein Gülleannahmebehälter (100 m³). Zudem sind ein Wärmepufferspeicher sowie ein neuer Container für die Wärmeverteilung entstanden. „Darin ist u.a. der Biogaskessel als Notfalllösung installiert“, sagt er. Allein wegen der thermophilen Betriebsweise benötigt die Anlage jetzt mehr Wärme.

Lagerhalle für Wirtschaftsdünger umfunktioniert

Als Lagerhalle für die Wirtschaftsdünger haben die Landwirte ein ehemaliges Fahrsilo für Maissilage mit einer halbrunden Folienabdeckung als Rundbogenhalle umgestaltet. In dieser Halle ist jetzt auch der Dosierer für die Feststoffe sowie ein fest installierter Separator für die Gärreste untergebracht. Die Abluft aus der Halle wird abgesaugt und durch einen Abluftwäscher geleitet. „Die Überdachung und der Filter waren nötig, weil direkt an unsere Biogasanlage ein Naturschutzgebiet angrenzt und wir Ammoniakemissionen vermeiden müssen. Gleichzeitig vermeiden wir damit Gerüche, weil die Biogasanlage westlich vom Dorf und damit in der Hauptwindrichtung liegt“, sagt Hauschild.

Innovative Dosier- und Fördertechnik im Einsatz

Von dem Feststoffdosierer aus wird der Mist per Schnecke zur Einbringtechnik transportiert. Hierbei hat sich die BRAHA Bioenergie für den Energyjet von Vogelsang entschieden, einer Kombination aus Feststoff- und Flüssigdosierung. Dabei werden die Feststoffe zunächst in einer Anmaischschnecke mit Flüssigkeit vermischt und danach in einem Rotacut zerkleinert. Rohgülle und die Dünnphase vom Separieren der Gärreste dienen der besseren Rühr- und Pumpfähigkeit des Substrates. Sie werden werden direkt in den Fermenter gepumpt.

Die Investitionen in die neue Technik haben insgesamt rund 4 Mio. € gekostet.

Neue Logistik für Wirtschaftsdünger-Umstieg notwendig

Für den Umstieg auf Biomethan aus Wirtschaftsdünger musste die BRAHA Bioenergie erst einmal ein Versorgungskonzept für Gülle und Mist aufbauen. Denn bislang lief die Biogasanlage ausschließlich auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen. Für den Strom hatten die Betreiber den „Trockenfermentationsbonus“ erhalten.

Mithilfe des Maschinenrings Zeven haben die Anlagenbetreiber Kontakt zu Tierhaltern im Landkreis sowie zu zwei Mutterkuhhaltern im Nachbarlandkreis Osterholz aufgenommen und Lieferverträge abgeschlossen. Für eine effiziente Transportlogistik separieren zwei Lohnunternehmer im Auftrag der BRAHA Bioenergie die Gülle auf den Rinderbetrieben: Die Dünnphase verbleibt auf den Betrieben zur Düngung von Grünland, die Feststoffe erhalten die Biogasanlagenbetreiber zur Vergärung. Die Betriebe befinden sich in einem Umkreis von 1 bis maximal 35 km rund um die Biogasanlage.

Investitionen in Transportlogistik für Biomethan

Für die Belieferung von Güllefeststoffen und Mist haben die Biogasanlagenbetreiber zwei Gas-Lkw und mehrere Absetzcontainer angeschafft. „Damit bringen wir an fünf Tagen die Woche leere Container zu den Betrieben und nehmen die vollen wieder mit“, beschreibt Hauschild. Da die Biogasanlage noch keine eigene CNG-Tankstelle hat, werden die Lkw an einer Erdgastankstelle eines benachbarten Tiefbauunternehmens betankt. Über einen Biomethanliefervertrag wird sichergestellt, dass der Kraftstoff zumindest bilanziell aus der eigenen Biogasanlage stammt. „Noch fließt die Transportlogistik nicht mit in die THG-Bilanz des Biomethans ein. Daher ist es momentan egal, ob ich die Lkw mit Diesel oder Bio-CNG betanke. Aber falls sich das einmal ändern sollte, sind wir vorbereitet“, erklärt er. Mittelfristig will er noch mehr Lkw anschaffen und dafür eine Slowfill-Tankstelle installieren.

Rund 50 % der Nährstoffe aus dem Gärrest können die Anlagenbetreibern auf ihren eigenen Flächen unterbringen. Die andere Hälfte muss dagegen zurück zu den Lieferanten.

Gülleseparation für die Biogasanlage

Die Kosten der Gülleseparation übernimmt die BRAHA, wofür sie im Gegenzug den Rohstoff kostenlos erhält. Für den Mist zahlen die Anlagenbetreiber aktuell 3 €/t an die Tierhalter. „Der Preis ist für das Separat eigentlich zu hoch, weil die Separation selbst ja schon mindestens 12 €/t kostet. Aber die Tierhalter möchten ja nicht nur Mist verkaufen, sondern auch bei der Gülle einen Vorteil haben, darum gehen wir diesen Weg“, sagt er. Auf diese Weise profitieren beide Seiten von dem Konzept.

Mit dem Wechsel im Substratmix konnte die BRAHA Bioenergie die Anbaufläche für Mais von ehemals 400 ha auf 200 ha halbieren.

Aminwäsche braucht flexible Wärmezufuhr

Wo Hauschild noch Probleme sieht bei dem Konzept: Die Aufbereitungstechnik der Aminwäsche ist ein Verfahren, das Wärme zur Regeneration benötigt. Denn während das aminhaltige Lösungsmittel CO2 und H2S aus dem Rohgas aufnimmt und so Biomethan herstellt, wird das CO2 durch Wärmezufuhr wieder frei gesetzt. Die Wärme stammt aus dem Abgasstrom der drei BHKW, da für die Regeneration 140 bis 170 °C benötigt werden. „Wir fahren die BHKW aber flexibel je nach Strompreis. Wenn wir die Anlage bei geringen oder negativen Strompreisen abschalten, reicht die Wärme für die Aminwäsche unter Umständen nicht aus“, sagt er. Es gibt zwar noch einen Gaskessel auf der Anlage, aber auch dessen Leistung könnte an die Grenzen kommen, wenn das BHKW steht.

Bei einer möglichen Anlagenerweiterung würde Hauschild statt der wärmebasierten Aminwäsche auf Membrantechnik setzen. „Festgelegt bin ich aber nicht, die Wahl wird davon abhängen, was in ca. fünf Jahren Stand der Technik ist“, sagt er.

Kooperationsmöglichkeiten für alte Biogasanlagen

Der Landkreis Rotenburg/Wümme ist nach dem Emsland der zweitstärkste Biogaskreis in Niedersachsen: Rund 150 Anlagen stehen hier. Viele davon erreichen in den nächsten Jahren das EEG-Ende. Auch im näheren Umkreis der BRAHA Bioenergie stehen rund 30 ältere Anlagen. „Eine Option ist, dass diese eine Rohgassammelleitung zu unserem Standort legen und wir gemeinsam Biomethan erzeugen und verkaufen“, sagt Hauschild. Den Vorteil, den er dabei sieht: Viele Anlagenbetreiber erzeugen Biogas parallel zur Tierhaltung, haben also weder Zeit noch das Fachwissen zur Biomethanproduktion. Eine Kooperation mit einem Betrieb, der bereits seit fast 20 Jahren Biomethan erzeugt, wäre eine Art Arbeitsteilung.

Insgesamt hält er das Konzept für sehr nachhaltig: „Wir brauchen zur künftigen Energieversorgung sowohl Strom als auch Gas. Darum sind wir mit diesem Konzept für die Zukunft gut aufgestellt!“

Eines der ersten Biogascluster

Wenn sich mehrere Biogasanlagenbetreiber zusammenschließen und Biogas über eine eigene Pipeline zu einer gemeinsamen Gasaufbereitung leiten, können sie in der Regel Kosten sparen und effizient Biomethan erzeugen. Eines der ersten dieser Biogascluster war die Anlage in Godenstedt: Als die Biomethananlage der BRAHA Bioenergie mit 600 m3 Aufbereitungskapazität im Jahr 2008 in Betrieb ging, hätte die Rohgasmenge der Anlage mit damals 680 kW installierter elektrischer Leistung nicht ausgereicht. Denn dafür wäre eine Biogasanlage nötig gewesen, die eine Leistung von umgerechnet 1,2 MW (elektrisch) hätte.

Biogasproduzenten bündeln Kapazitäten

Ähnlich ging es Landwirt Peter Martens, der damals in rund 4 km Entfernung mit zwei Berufskollegen eine Biogasanlage (MPO Biogas) mit 1,1 MW (elektrisch) betrieb. Aus diesem Grund beschlossen die Landwirte, das Rohgas aus beiden Anlagen gemeinsam zu Biomethan aufzubereiten und ins Gasnetz einzuspeisen. Dafür gründeten sie im Jahr 2009 gemeinsam die HPP Biogas GmbH. Die HPP hat die Rohgasleitungen bis zur Gasaufbereitung erstellt. Auch die Gasleistung von der Aufbereitung zum Netzverknüpfungspunkt gehört den Landwirten. HPP kauft im ersten Schritt von beiden Biogasanlagen jeweils 300 m3 Rohgas pro Stunde. Dieses Gas vermarktete die Gesellschaft anfangs an den Hamburger Ökogasanbieter „Lichtblick“, nach dessen Ausstieg aus dem Biomethangeschäft dann bis heute an E.ON Bioerdgas.

Rohgas wird teils weiterhin in BHKW genutzt

Beide Biogasanlagen liefern nur einen Teil des entstehenden Biogases als Rohgas an die Gasaufbereitung. Aus dem restlichen Gas erzeugen beide Anlagen in den bestehenden BHKW weiterhin Strom und Wärme. Peter Martens nutzt die anfallende Wärme in einem Nahwärmenetz, die BRAHA Bioenergie beheizt die Fermenter, drei Wohnhäuser und stellt Hochtemperaturwärme für die Aminwäsche bereit.

 

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