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Biogasforum Niedersachsen: Neue Substrate, Gärrestaufbereitung und Bio-LNG

Im zweiten Teil unseres Rückblicks zum Treffen des Biogasforums Niedersachsen haben wir die Vorträge zu alternativen Rohstoffen und zur Verwertung von Biogas als Kraftstoff zusammengefasst.

Lesezeit: 8 Minuten

Zur Vergärung von faserreichen bzw. cellulosebasierten (CbS) Materialien wie Stroh von Mais, Getreide, Hanf, Leinen oder Raps, Gras oder Rübenblättern sowie Landschaftspflegematerial sind neue Verfahren gefragt. „In Deutschland fallen allein 10 Mio. t Stroh pro Jahr an. Wenn wir davon nur 1 % für die Biogasproduktion nutzen könnten, wäre das ein sehr großes Potenzial“, erklärte Dr. Dirk Weichgrebe vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik (ISAH) der Universität Hannover. In diesem Jahr kommt als potenzielles Substrat der vertrocknete, stark verholzte Silomais in einigen Regionen dazu, der sich nicht mehr verfüttern lässt.

Hydrolyse imitiert Pansen

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Weichgrebe hat mit seinem Team untersucht, inwiefern der Verdauungstrakt der Kuh mit Blätter-, Lab- und Netzmagen sowie dem Pansen als Vorbild für die Vergärung von faserreichen Stoffen dienen kann. Die wichtigste Erkenntnis: Die Hydrolyse ist entscheidend für die gesamte Abbaugeschwindigkeit. Erst, wenn die Hydrolyse- und Acidogenesebaktieren die Biomasse in eine ausreichende Menge von Fettsäuren zerlegt haben, können die Archäen daraus im zweiten Schritt Methan produzieren.

Damit die Mikroorganismen aber sehr faserreiches Material abbauen können, ist andere Art der Hydrolysestufe gefragt. „Wir orientieren uns dabei am Wiederkäuen der Kuh“, sagt Weichgrebe. Dieses Verfahren trägt den Namen „Daumen“ (Design for Augmented Methanisation). Dabei wird die Hydrolysestufe mit Panseninhalt angeimpft. Der Inhalt aus dem Hydrolysebehälter wird zudem nicht komplett in den Fermenter gepumpt, wie es heute bei vielen zweistufigen Verfahren üblich ist. „Wir separieren den Hydrolyseinhalt und halten die Festphase zurück, während wir nur die Flüssigphase in den Fermenter geben“, erklärt der Wissenschaftler. Damit lässt sich die im Pansen vorherrschende Mikrobengemeinschaft, die sich u.a. durch eine hohe Cellulaseaktivität auszeichnet, aufbauen und – wie nachgewiesen – erhalten. Von Zeit zu Zeit wird auch eine Festphase als Gärrest aus der Hydrolyse entnommen.

Das DAUMEN-Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass die mit der Hydrolyse erzeugten kurzkettigen Fettsäuren in der zweiten Stufe mit Hilfe eines bei der Industrieabwasserbehandlung etablierten Fermenters in Methan umgewandelt werden. Somit sind die Verweilzeiten der Hydrolyse und der Methanisierung entkoppelt und können je nach Beladung minimiert werden. Diese Art der Hydrolyse eignet sich auch zur Kopplung an bestehende Biogasanlagen zur Erweiterung des Substratspektrums.

„Mit einer verbesserten Hydrolyse können wir die Abbaurate erhöhen“, lautet sein Fazit. In Abhängigkeit vom Einsatzstoff könnte man aus Teilen der Festphase auch ausschleusen und als Humusförderer im Boden oder zur Fasergewinnung bzw. Proteinproduktion verwenden.

Die Demonstration und Praxisumsetzung erfolgt jetzt gemeinsam mit der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Firma Biorestec bei der Agrargenossenschaft Bergland e.G. in Clausnitz (Sachsen) im dem der FNR geförderten Projekt DAUMEN 3.0 (www.daumen-process.de).

Projekt für mehr Gülleeinsatz

Im Landkreis Rotenburg/Wümme ist ein neues Projekt gestartet, um den Gülle- und Misteinsatz in Biogasanlagen zu erhöhen. „Der Landkreis ist prädestiniert, dort gibt es 145 Biogasanlagen“, sagt Sascha Hermus vom 3N Kompetenzzentrum aus Werlte (Niedersachsen).

Das Projekt „Nachhaltige Produktion von Biogas durch Mehreinsatz von Wirtschaftsdünger“ (NaProBiogas) baut auf einem Vorgängerprojekt auf, bei dem auch die Güllevergärung stärker angeregt wurde. Nach drei Jahren Laufzeit zeigte sich, dass die beteiligten Anlagen in dem Landkreis 46.000 t mehr Wirtschaftsdünger im Jahr eingesetzt hatten. Dabei hat sich gezeigt, dass u.a. das belastete Oberflächenwasser ein großes Problem ist: Es kommen teilweise erhebliche Mengen auf den Anlagen zusammen, die das Lagervolumen für den Gärrest belasten. „Ein Ziel des neuen Projekts ist es, dass wir das Wasser anders nutzen, um damit nicht das Gärrestlager zu belasten“, sagt Hermus.

Eine Schätzung zeigt, dass die Anlagen in den Landkreis rund 9400 ha Mais einsparen könnten, wenn sie mehr Gülle und Mist einsetzen. „Wir können zwar nicht alles mobilisieren, aber einen Großteil“, sagt Hermus. Das bedeutet aber auch, dass auf den Anlagen wesentlich mehr Fermenter- und Gärrestlagervolumen geschaffen werden muss.

In einem Expertentcheck hat Hermus zusammen mit Prof. Walter Stinner vom DBFZ sieben Betreiber von Biogasanlagen im Landkreis Rotenburg/Wümme befragt. Wichtige Erkenntnisse:

  • Das Oberflächenwasser ist Thema, muss zeitnah angegangen werden
  • Lagerbelastung ist ein wichtiges Thema. Die Lagerbelastung kostet Geld und steht der Güllevergärung im Wege.
  • Zwei Biogasanlagen haben großes Interesse, Torfersatz aus Gärrest zu produzieren.
  • Die Separation von Gärrest und die Verwertung der nährstoffarmen Flüssigphase auf arrondierten Flächen ist eine wichtige Option, um Gärrest grundwasserschützend zu verwerten.
  • Emissionseinsparungen sollten den Betreibern zugutekommen, die die Wirtschaftsdünger gasdicht vergären.

Gärrest als Torfersatz

Bisherige Untersuchungen haben ergeben, dass sich Gärrest als Torfersatz (Wirtschaftshumus) sehr gut eignet. „Auch ein hoher Nährstoff- oder Salzgehalt macht bei diesem Verfahren keine Probleme“, sagt Hermus.

Ulrich Geltz vom Unternehmen Geltz-Umwelttechnologie sieht in der Produktion von Torfersatz ein künftiges Standbein für Biogasanlagen. „Positiv sind die Struktur, die Wasserhaltefähigkeit, Luftdurchlässigkeit und das C/N-Verhältnis“, sagt er. Aber auch er weist auf hohe Gehalte von Nährstoffen, Salz, einen hohen pH-Wert sowie Keime und Krankheitserreger als mögliche Hemmnisse hin. Mit dem Verfahren „NutriSep“ soll jetzt in einem Pilotprojekt untersucht werden, wie sich Gärrest künftig als Torfersatz nutzen lässt.

Eindampfen von Gärrest

Zur Volumenreduktion setzen viele Biogasanlagenbetreiber auf die Gärrestaufbereitung. Ein gängiges Verfahren dazu ist die Trocknung oder das Eindicken via Verdampfung. Die Firma Biorestec hat das Verfahren weiterentwickelt und setzt auf das „fraktionierte Verdampfen“. Die Technik ist Teil des Projekts „Komplettaufbereitung von Gülle und Gärresten (KompaGG)“, das noch bis Juni 2023 läuft. Beteiligt sind neben Biorestec auch das ISAH, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Engler-Bunte-Institut und E&P Anlagenbau aus Berlin.

Bei dem Verfahren von Biorestec wird das bei der Verdampfung entstehende Kondensat in verschiedene Fraktionen aufgeteilt. Als erstes tritt eine Fraktion mit einem hohen Anteil von Ammonium aus, es folgt eine Fraktion mit einem mittleren Anteil und eine, die kaum Ammonium enthält und direkt vernebelt werden kann.

Die erste Fraktion (Ammoniakwasser mit 2 bis 4 % N) wird mittels Gegenstromdestillation (Rektifikation) weiter behandelt. Es entsteht eine Flüssigkeit mit einem N-Anteil von 10 bis 25 %. Sie ist inzwischen ein gefragter Rohstoff in der chemischen Industrie, z.B. für die Produktion von Harnstoff, Farben, Arznei- oder Reinigungsmittel. Ebenso ließe es sich in der Rauchgasreinigung einsetzen ähnlich bei beim Zusatz von Ad Blue in der Fahrzeugindustrie.

Die zweite Fraktion wird über die Umkehrosmose behandelt. „Der Vorteil bei diesem Vorgehen ist, dass man nicht das gesamte Kondensat behandeln muss, sondern nur einen gewissen Anteil“, sagt Dr. Paul Stopp von Biorestec.

Die erste Eindampfanlage für die Praxis hat Biorestec zusammen mit dem Anlagenhersteller Agrikomp entwickelt und bei der Biogasanlage am Agrikompstandort in Merkendorf (Bayern) installiert.

Verwertung als LNG

Das Pilotprojekt von 3N zu Bio-LNG (LNG steht für Liquefied Natural Gas, also verflüssigtes Biomethan) in Niedersachsen geht jetzt in das zweite Jahr. „Viele Ziele, die wir anfangs hatten, haben sich inzwischen durch das Marktgeschehen erledigt“, resümiert Michael Kralemann vom 3N-Kompetenzzentrum, das federführend für das Projekt ist. So war anfangs eine mobile Verflüssigungsanlage oder eine mobile Tankstelle geplant, weil es zum Projektstart erst zwei LNG-Tankstellen gab. „Inzwischen haben wir in Deutschland rund 130 Tankstellen. Im emsländischen Lathen ist im Rahmen des Projekts sogar die erste Tankstelle ohne Fördermittel entstanden“, sagt Kralemann.

Nach den bisherigen Erkenntnissen aus dem Projekt lässt sich ableiten, für welche Biogasanlagen die Kraftstoffproduktion interessant ist. Laut Kralemann könnten Betreiber darüber nachdenken, wenn sie folgende Voraussetzungen haben:

  • geringer Wärmeabsatz,
  • kontinuierlich verfügbare Leistung von mindestens 1,5 MW (elektrisch),
  • Verbund mit benachbarten Anlagen möglich,
  • bevorstehendes Ende der Stromvergütung gemäß EEG,
  • höherer Anteil von Abfall- und Reststoffen möglich,
  • räumliche und genehmigungsrechtliche Entwicklungsmöglichkeiten,
  • langfristiges Interesse an neuem Geschäftsfeld.

Wo Kralemann jetzt neuen Auftrieb sieht: Der Preis für fossiles LNG ist stark gestiegen, er liegt aktuell bei 4,30 €/kg. „Das ist sehr teuer für einige Spediteure. Mit Bio-LNG könnten wir jetzt eine klimafreundliche und günstigere Alternative bieten.“

Geschäftsfeld für neue und alte Biogasanlagen

Wie so etwas aussehen kann, zeigte Maximilian Ruhe von der Ruhe Agrar GmbH. In der Biogasanlage der Firma in Darchau ist die erste Verflüssigungsanlage für LNG auf einer Biogasanlage in Deutschland entstanden. Sie soll pro Tag 2,3 bis 3 t LNG produzieren. „Das Konzept ist für alle Post-EEG-Anlagen interessant, die keine Förderung mehr nach dem EEG bekommen“, sagt er. Es gibt aber auch Neubauprojekte und Bestandsanlagen, die einen hohen Anteil fortschrittlicher Substrate wie Reststoffe und Wirtschaftsdünger vergären und die aufgrund der höheren Wirtschaftlichkeit vorzeitig auf Bio-LNG oder Biomethan-Produktion umstellen.

Er bestätigt die Einschätzung von Michael Kralemann: Für Speditionen ist ein gleichbleibender, kalkulierbarer Preis wichtig. Diese Sicherheit könnten Biogasanlagenbetreiber mit Bio-LNG bieten. Aus Sicht der Biogasbranche kommt der hohe Erlös für Treibhausminderungsquoten dazu, der den Verkauf des Kraftstoffs weiter attraktiv macht. Noch höher ist dieser, wenn auch das bei der Biomethanproduktion anfallende CO₂ verflüssigt und vermarktet wird. „Das Anlagenkonzept ist heute schon für Anlagen ab 500 kW (elektrisch) wirtschaftlich“, sagt Ruhe. Künftig könnte er sich auch eine Hoftankstelle vorstellen, an der Landwirte dann ihre Traktoren betanken könnten. Am Standort der Ruhe Agrar in Darchau wird bis Jahresende eine solche Tankstelle realisiert und es werden ein Fendt und ein LKW auf LNG umgestellt.

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