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topplus Kraftstoffe der Zukunft

Biokraftstoffe bleiben das Rückgrat der Verkehrswende

Die Bioenergieverbände wehren sich mit vehement gegen Einschränkungen beim Einsatz von Biokraftstoffen. Ohne diese würden die Klimaschutzziele trotz des Ausbaus der Elektromobilität verfehlt.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Ukrainekrise zeigt, wie stark die EU und vor allem Deutschland abhängig von fossilem Gas sind. Die fehlenden Mengen sollen jetzt durch neue Lieferpartner ersetzt werden – u.a. durch Import von fossilem Flüssigerdgas (LNG). „Wenn wir auf fossile Energie setzen, werden wir die neuen europäischen Klimaschutzziele der erneuerbare Energien-Richtlinie und der europäischen Lastenteilungsverordnung nicht mehr erreichen können“, kritisierte der Vorsitzende des Bundesverbandes Bioenergie (BBE), Artur Auernhammer, auf der Pressekonferenz im Vorfeld des 20. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft 2023“, der am 23. und 24.1.2023 in Berlin stattfindet.

Er kann es daher auch nicht nachvollziehen, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özedemir zusammen mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke wiederholt die Bedeutung und damit die Zukunft von nachhaltig zertifizierten Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse in Frage stellen. „Biokraftstoffe sind für Klimaschutz unverzichtbar: Biodiesel, Bioethanol und Biomethan haben 2021 den CO₂-Ausstoß im Verkehr um rund 11,1 Mio. t vermindert, während Elektrofahrzeuge nur eine Minderung von etwa 25.000 t schafften. Die Einsparung der Biokraftstoffe im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen stieg 2021 von 83 % auf 84 %.“

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Bestand muss zum Klimaschutz beitragen

Bei allem Potenzial, dass in der Elektromobilität steckt: Zum Erreichen der Klimaschutzziele geht laut Auernhammer an den markteingeführten Biokraftstoffen kein Weg vorbei. Bis 2030 könnten sie insgesamt 175 Mio. t CO₂ im Verkehr einsparen. „Auch beim Erreichen der Ziele für die E-Mobilität werden 2030 die meisten Fahrzeuge noch mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein. Allein in Deutschland waren 2022 noch über 60 Mio. Verbrenner gemeldet“, sagt der Vorsitzende. Auch diese müssten einen steigenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Darum sollten heutige Biokraftstoffe durch fortschrittliche und synthetische Biokraftstoffe ergänzt werden. Alle anderen Alternativen hätten noch einen langen Weg bis zur Marktreife vor sich. „Wir brauchen dringend eine nationale Kraftstoff- und Antriebsstrategie, die alle Minderungsoptionen im Tank und in der Batterie berücksichtigt und keine weiteren Forderungen des Bundeslandwirtschaftsministers nach einem Verzicht auf Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse“, findet Auernhammer deutliche Worte.

Er kritisiert außerdem, dass bei der Forderung nach einer Abschaffung von Biokraftstoffen nicht geklärt sei, wie die Nachfrage nach gentechnikfreien, heimischen Eiweißfuttermitteln oder anderen Rohstoffen gedeckt werden soll. Denn Schlempe oder Rapsschrot, die bei der Biokraftstoffproduktion anfallen, würden der Ernährungsindustrie genauso fehlen wie der Industrie biobasierte Basis-Chemikalien wie Glycerin und Ethanol.

Keine Preissteigerungen durch Biosprit

Auernhammer widerspricht der Meinung, die Preissteigerungen im Lebensmittelbereich seien auf Biokraftstoffe zurückzuführen. „Verantwortlich ist die gestiegene Nachfrage nach Nahrungsmitteln, weil mit der Ukraine die fruchtbarste Region Europas vom Krieg betroffen ist. Rund 30 % der Anbauflächen sind dort nicht bestellt“, erklärt er. Zudem hätten sich Produktionsmittel wie Dünger, Diesel und Saatgut verteuert. „Für eine ausreichende Lebensmittelproduktion brauchen wir neben den erwähnten Eiweißfuttermitteln auch die Möglichkeit, die Produktionskapazitäten nutzen zu können. Die geplante Flächenstilllegung im Rahmen der europäischen Agrarreform sind da wenig hilfreich“, kritisiert er. Wir müssten die Ressourcen besser nutzen, auch im Einklang mit Natur- und Artenschutz.

Wirtschaftliche Entlastung

Zudem können heimische Biokraftstoffe die Volkswirtschaft und damit den Steuerzahler entlasten. Denn im Fall der Nichterfüllung deutscher Klimaschutzziele müssen Emissionsrechte von anderen EU-Mitgliedsstaaten zugekauft werden. Die Bundesregierung musste laut Auernhammer für den Zeitraum 2013 bis 2021 bereis 11 Mio. Emissionsrechte erstehen. Nutznießer waren Bulgarien, Tschechien und Ungarn.

Er nimmt auch die EU in die Pflicht: „Ständige Änderungen der EU-Politik und der unsichere Rechtsrahmen lähmen das Potenzial der pflanzenbasierter Biokraftstoffe sowie die Entwicklung fortschrittlicher Biokraftstoffe und fördern stattdessen virtuelle Mengen an erneuerbaren Energieträgern. Die Abhängigkeit der EU von fossilen Kraftstoffen wird so nicht beendet.“

Die EU müsse stattdessen stärker auf Zielerreichung in den Mitgliedsstaaten drängen. Die EU-Richtlinie über die Qualität von Kraftstoffen (FQD) und die Erneuerbare Energien Richtlinie der EU (RED II) seien wichtige Instrumente der EU-Gesetzgebung zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs. Einem Bericht der Europäischen Kommission zufolge hätten jedoch nur 11 der 27 Mitgliedsstaaten das Ziel der FQD erreicht, die Treibhausgasintensität von Kraftstoffen und Energie im Verkehr um mindestens 6 % zu senken.

Ebenso sei der Entwurf zur EU-Energiesteuerrichtlinie, die nachhaltig pflanzenbasierte Biokraftstoffe wie fossile Kraftstoffe behandelt, nicht nachvollziehbar und untergrabe die Klimaziele der EU sowie deren Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Positiv sei, dass die Überarbeitung der RED III als Teil des Fit for 55-Pakets ein höheres Reduktionsziel für Kraftstoffe vorsieht. Das seien 16 % gemäß des Vorschlags des EU-Parlaments bzw. 13 % des EU-Rats. „Das ist Bestätigung der Absicht der EU, den Verkehrssektor schneller zu dekarbonisieren. Alle andere Vorschläge und Umsetzungen des Fit-for-55-Pakets müssen sich auch an diesen Zielvorgaben ausrichten“, fordert er.

Steuerbefreiung muss bleiben

Der BBE-Vorsitzende drängt darauf, dass Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft wie Rapsöl weiterhin von der Energiesteuer befreit sind. „Wir haben allerdings einen Bundeshaushalt, der mit 300 Mrd. € neuen Schulden belastet ist. Das muss irgendwann zurückgezahlt werden. Die steuerpolitische Diskussion wird daher in den nächsten Monaten weiter zunehmen“, erwartet er. „Der Einsatz von Biokraftstoffen wäre nicht nur wichtig für den Biokraftstoffabsatz, sondern auch für die Landwirtschaft. Denn wegen der Leistungsanforderungen der Maschinen wird die Elektrifizierung in vielen Bereichen der Land- und Forstwirtschaft nicht möglich sein“, ergänzt Stephan Arens, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP). „Wir haben ans Landwirtschaftsministerium geschrieben, das jetzt einen Antrag auf Steuerentlastung stellen muss“, erklärt Arens. Es wäre laut EU-recht einfach möglich. In diesem Zusammenhang verweist er für weitere Informationen auf die Branchenvereinigung für Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft, die einen neuen Internetauftritt hat. Sie heißt jetzt "Plattform Erneuerbare Antriebsenergie in der Land- und Forstwirtschaft" und ist online zu erreichen unter: www.erneuerbar-tanken.de. Dort geht es auch um die Beweggründe der Umgestaltung/ Umbenennung.

Krise verändert Nachfrage nach E10

Im Rahmen der Energiekrise, die der Ukrainekrieg ausgelöst hat, hat sich auch die Nachfrage nach E10 verändert, also dem Benzin, dem bis zu 10 % Bioethanol beigemischt ist. Sowohl der Absatz von Bioethanol als auch der Marktanteil haben sich erhöht. „Wir hatten vor der Krise einen Marktanteil von 14 %, derzeit liegt E10 bei rund 25 %“, sagt Stefan Walter, Geschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft. Das hätte verschiedene Ursachen, aber vor allem am Preisabstand zu Super E5, der seit 2020 stabil bei 6 ct/l liege. „Die Mineralölindustrie hat Interesse an höherem Absatz von Ethanol, um die wachsende Quotenverpflichtung zur Minderung der Treibhausgase zu erfüllen“, erklärt der Geschäftsführer. Das führe dazu, dass mehr erneuerbare Kraftstoffe in den Markt kommen müssen. Der Ethanolabsatz sei bis Oktober 2022 gegenüber dem Vorjahr um 6 % gestiegen (neuere Zahlen liegen derzeit noch nicht vor).

Biogas wandert ab

Auch im Biogasmarkt gibt es starke Veränderungen – allerdings weniger aufgrund der Krise, sondern wegen der politischen Rahmenbedingungen. „Derzeit werden mehrere Neuanlagen zur Produktion von Biomethan als Kraftstoff gebaut. 2023 wird das Jahr sein, in dem sehr viel mehr Biomethan für den Kraftstoffmarkt erzeugt und angeboten wird“, erwartet Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. Das könnte andere Kraftstoffe ersetzen. Grund dafür sind die hohen Erlöse für die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote), die beim Absatz von Biomethan als Kraftstoff entstehen. Gerade Biomethan aus Gülle und Mist bieten ein sehr hohes THG-Minderungspotenzial und damit auch einen Quotenerlös, der höher ist als der reine Erlös für das Gas. Dass die Bundesregierung mit einer Steuer oder Ähnlichem in diesen Markt eingreift, erwartet Seide nicht. „Ich traue der Bundesregierung nach den Erfahrungen des letzten Jahres inzwischen zwar alles zu, aber sie sieht die Zukunft von Biogasanlagen auch nicht mehr im Strombereich“, erklärt er. Anders, als der Fachverband Biogas und andere Experten, will die Bundesregierung große Gaskraftwerke für den Spitzenausgleich im Strommarkt. „Ich sehe das nicht positiv. Aber die Folge der schlechteren Rahmenbedingungen im Strommarkt ist, dass sich die Betreiber eine Alternative suchen. Und das ist der Kraftstoffmarkt“, hält er fest.

Massive Verunsicherung

Der Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), Elmar Baumann, kritisiert die wiederholte Forderung von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir und Bundesumweltministerin Lemke, die Biokraftstoffnutzung zu beenden: „Das ist im Kern der Aufruf, das Klimaschutzziel im Verkehr zu verfehlen. Das wird nicht umsetzbar sein, weil die Ziele verbindlich sind.“ Was sie damit nur erreicht hätten, sei die massive Verunsicherung bei denen, die für die massive Transformation zwingend gebracht werden, also die Landwirtschaft und die Unternehmen der Bioökonomie.

Der Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“ findet am 23. und 24. Januar im Citycube in Berlin statt. Es gibt in mehreren Sessions über 70 Vorträge. Rund 600 Teilnehmer aus 32 Nationen sind gemeldet

Das vollständige Programm und Informationen zur Anmeldung finden Sie unter: www.kraftstoffe-der-zukunft.de

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