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Biomethananlagen kämpfen ums Überleben

Wegen gestiegener Rohstoff- und Energiekosten drosseln viele Biomethananlagen ihre Produktion, um einer Insolvenz zu entgehen. Schuld sind überholte Verträge. 

Lesezeit: 10 Minuten

Während die Bundesregierung im vergangenen Jahr hektisch nach Alternativen zu russischem Erdgas suchte und in wenigen Monaten schwimmende Flüssigerdgasterminals aufbaute, bangen heimische Biomethananlagen seitdem um ihre Existenz.

Grund: Im Schatten der Gaskrise haben sich vor allem die Rohstoffpreise für Biogasanlagen deutlich erhöht. Nach einer Kurzanalyse des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) zwischen Januar 2022 und Januar 2023 um 50 bis 150 %.

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Fixer Biomethanpreis

Diese Preissteigerungen haben die 9.500 Biogasanlagen mit Vorortverstromung im Blockheizkraftwerk (BHKW) genauso getroffen wie die rund 240 Anlagen, die das Rohbiogas auf Erdgasqualität (Biomethan) aufbereiten und ins Gasnetz einspeisen. Doch während die Stromproduzenten von den massiven Preissteigerungen an der Strombörse profitieren und damit einen Teil der Kostensteigerungen kompensieren konnten, sah es bei den Biomethanproduzenten anders aus.

Ein Beispiel ist die Bioenergie Schuby aus Schleswig-Holstein. Sie vergärt ausschließlich Zuckerrüben, die sie von verschiedenen Lieferanten zukauft. „Wir haben vor einigen Jahren einen zehnjährigen Liefervertrag mit einem großen überregionalen Gashändler abgeschlossen“, erklärt Dr. René Casaretto, Leiter Projektentwicklung und technische Abwicklung bei der Bioenergie Schuby, die zur bayerischen Niersberger-Gruppe gehört.

Auch viele andere Anlagenbetreiber hatten in der Zeit zwischen 2014 und 2019 zehnjährige Abnahmeverträge abgeschlossen, als Erdgas mit 2 bis 3 ct je kWh sehr günstig war. Der Biomethanpreis lag bei vielen Verträgen bei rund 6 ct/kWh für Biomethan auf Basis von Abfallstoffen und bei 6,5 bis maximal 8 ct/kWh für Biomethan aus nachwachsenden Rohstoffen (Nawaro).

Der Preis für Nawaro-Biomethan ergibt sich aus der Tatsache, dass das meiste Gas zum Betrieb von BHKW verwendet wird (siehe Übersicht). Deren Betreiber erhalten für den Strom eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Und wie bei Vorortverstromungsanlagen ist die Vergütung auch bei Biomethan-BHKW abhängig vom Inbetriebnahmedatum des BHKW sowie von den eingesetzten Rohstoffen der Gaserzeugungsanlage. Darum gibt es immer einen Zusammenhang zwischen EEG-Vergütung und Biomethanpreis – auch wenn ein Händler dazwischengeschaltet ist.

Massive Preissteigerungen

Bis zur Gaskrise 2022 verlief die Vermarktung unspektakulär. Aber mit dem russischen Lieferstopp und der Gasmangellage in Deutschland stiegen auch Preise für Düngemittel, Saatgut und Lebensmittel wie Weizen stark an – und daran gekoppelt auch die Preise für nachwachsende Rohstoffe.

Dazu kam der Preisanstieg für Strom. Diesen benötigen die Anlagen nicht nur wie andere Biogasanlagen für Rührwerke und Pumpen, sondern auch für strombasierte Aufbereitungsverfahren vom Rohbiogas bis zum Biomethan wie der Druckwasserwäsche. „Wir betreuen zwei Anlagen, bei denen der Strompreis von 15 auf 35 ct/kWh gestiegen ist“, sagt Cornelius Herb, Geschäftsführer der Regpower GmbH aus Regensburg. Bei 4 Mio. kWh Stromverbrauch beträgt die ungeplante Kostensteigerung damit rund 800.000 € im Jahr.

In einigen Regionen wie in Ostdeutschland ist zudem die Ernte zwei Jahre lang wegen der Trockenheit um bis zu 20 % schlechter ausgefallen. Viele Biogasanlagen mussten am Spotmarkt teure Rohstoffe dazu kaufen.

Viele Anfragen bei Händlern

Die Biomethanerzeuger wurden von diesen Entwicklungen kalt erwischt. Nach Recherche von top agrar haben etliche versucht, mit ihren Biomethanhändlern eine Preisanpassung zu verhandeln. In einem Fall gibt es in einem Biomethanabnahmevertrag eine Klausel, dass es ein Preisanpassungsrecht gibt, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse für eine Partei deutlich verschlechtern. Ironischerweise hatte der Biomethanhändler diese Klausel vor einigen Jahren selbst in den Vertrag aufgenommen, um sich gegen fallende Gaspreise abzusichern.

Im umgekehrten Fall dagegen scheint das nicht zu gelten. Mehrere Biomethanerzeuger hatten gehofft, dass die BHKW-Betreiber wegen der höheren Strom- und Wärmepreise auch mehr für den Brennstoff Biomethan bezahlen können und der Händler das an sie durchreicht – zumindest für einen Teil des Gases.

Aber auf Anfragen der Anlagenbetreiber reagierten Händler zum Teil mit scharfen Schreiben direkt von einer Anwaltskanzlei – nach top agrar-Recherche bei weitem kein Einzelfall. „Man hat regelrecht versucht, uns einzuschüchtern und die Marktmacht des Handels auszunutzen“, sagt ein Anlagenbetreiber, der wegen der außergewöhnlichen Lage seinen Liefervertrag gekündigt hatte, aber jetzt von dem Händler vor Gericht gezogen wird. Probleme wie diese gibt es laut Marktbeobachtern bei mehreren Handelsunternehmen.

Die Sicht der Händler

„Allgemein ist die Situation auf dem Biomethanmarkt angespannt und fordert aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise sowohl Lieferanten als auch unser Unternehmen heraus. So veräußern wir durch unser Geschäftsmodell der langfristigen Abnahme- und Lieferverträge Biomethan im Moment stark unter dem derzeitigen Marktpreisniveau“, teilt beispielsweise eine Sprecherin des Biomethanhändlers bmp greengas aus München Mitte Januar auf top agrar-Anfrage mit.

Der Händler sei gezwungen, Biomethanmengen zu aktuellen Spotmarktpreisen zu beschaffen, die die mit den Kunden vereinbarten Weiterverkaufspreise deutlich übersteigen. Folglich würden keine höheren Verkaufserlöse erzielt werden, die bmp an seine Lieferanten weitergeben könnten.

Aber nicht nur diese Aussage ärgern viele Betreiber: In einem Fall wird das Biomethan in eine Gastransportleitung eingespeist. Die nötigen Transportkapazitäten hat der Gashändler fest gebucht – und gibt sie nicht frei, sodass der Biomethanerzeuger kein Gas an andere Abnehmer vermarkten kann. Ein Eilantrag beim Landgericht zur Freigabe der Transportkapazitäten haben die Richter abgelehnt. „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand und können die Produktion so nicht aufrechterhalten“, sagt der Betreiber. Die Folge: Die Anlage hat die Gaseinspeisung komplett eingestellt.

Hohe Erlöse beim Kraftstoff

Was die Biomethanerzeuger fassungslos mit ansehen mussten: Während die Vermarktung als BHKW-Brennstoff keine Mehreinnahmen verspricht, gibt es eine sehr starke Nachfrage im Bereich Kraftstoff, wo zwischenzeitlich Preise von bis zu 40 ct/kWh zu erzielen waren – das Fünffache von dem Erlös für BHKW-Biomethan.

„Wir wollten daher das eigene Gas als Kraftstoff vermarkten und den Liefervertrag mit dem Händler mit Gas erfüllen, das wir am freien Markt zukaufen“, sagt Landwirt Thomas Balling, der unter anderem an der Biomethananlage im nordbayerischen Unsleben beteiligt ist. Damit hätten die Betreiber eine höhere Wertschöpfung erzielt – aber der Händler ließ sich nicht darauf ein.

„Wir hätten uns gewünscht, dass die Politik in der Gasmangellage eingreift und sich darum kümmert, dass Biomethan zu höheren Preisen verkauft werden kann“, sagt Regpower-Geschäftsführer Herb. Aber stattdessen hat die Bundesregierung fossiles Frackinggas aus USA oder Katar eingekauft, während heimische Biomethananlagen ihre Produktion drosseln mussten. „Wir haben im Sommer viele Briefe an Ministerien in den Ländern oder in Berlin geschrieben, aber sie haben nicht geantwortet oder gesagt, dass sie nichts tun können“, ergänzt Christian Bracklow, Geschäftsführer der VORN Bioenergy aus Regensburg, die mehrere Biomethananlagen bei der Betriebsführung betreut.

Das sagen Marktbeobachter

Ob ein Händler tatsächlich Verhandlungsspielraum hat, ist in der Branche umstritten: „In der Regel sind die entsprechenden Biomethanmengen tatsächlich bereits zeitnah nach Abschluss des ‚Einkaufsvertrags‘ mit dem Biogaserzeuger weiterverkauft. Der Biomethanhändler hat daher nur einen geringen Spielraum, Einkaufspreise für solche Mengen zu erhöhen, ohne selbst in eine wirtschaftliche Schieflage zu kommen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg.

Ähnlich sieht es Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer im Fachverband Biogas: „Nawaro-Biomethan wird meist über das EEG vermarktet. Hier sind also keine Preisexplosionen möglich gewesen wie beim Erdgas, sondern es hängt an der Marktprämie und den abgeschlossenen Verträgen des Stromproduzenten, aus denen dieser auch nicht so einfach herauskommt.“

„Verhandlungsspielraum ist vorhanden, da die Händler in der Regel nicht die komplette Menge langfristig absichern und teilweise variable Vergütungsmodelle zum Verkauf haben“, sagt dagegen Henning Dicks, Geschäftsführer vom Unternehmen agriportance aus Münster, das u. a. Biomethan zwischen Produzenten und Abnehmer vermittelt.

„Dazu kommt, dass ein Händler die Zehnjahresverträge mit den Lieferanten nicht alle in einem Jahr abgeschlossen hat und es jedes Jahr Neuverhandlungen gibt“, sagt Casaretto.

Und bei nur 240 Biomethananlagen in Deutschland ist die handelbare Biomethanmenge begrenzt. Zudem ist die Nachfrage nach Biomethan größer als das Angebot. Wenn eine Anlage wegen hoher Substratpreise pleite geht, fehlt das Gas dem Händler. Auch das spricht dafür, dass die Händler verhandlungsbereit sein müssten.

Nicht alles auf eine Karte

Biomethanerzeuger sollten aus der Krise lernen und bei Neuverhandlungen zum Gasverkauf nicht alles auf eine Karte setzen. „Wir haben viele größere Erzeuger, die mehrere Verträge gemacht haben und Gas in den BHKW-Markt oder als Kraftstoff vermarkten“, sagt Zoltan Elek, Geschäftsführer des Biomethanhandelsunternehmens Landwärme.

Eine neue Erlöskomponente ist zudem die Vermarktung von CO2, die immer mehr Fahrt aufnimmt. Denn bei der Gasaufbereitung von Biogas zu Biomethan fällt hochreines CO an, das bislang ungenutzt in die Luft gegangen ist. „Wir kennen auch Anlagen, die jetzt statt Mais nur noch Gülle und Mist einsetzen und das Gas als Kraftstoff vermarkten. Sie erzeugen zwar weniger Gas, haben aber wegen der hohen Treibhausgaseinsparung eine viel höhere Wertschöpfung als mit Nawaro-Biomethan“, sagt Elek.

Es gibt aber auch andere Abnehmer als die wenigen großen Biomethanhändler. „Wir haben gute Erfahrung mit Stadtwerken gemacht. Wir konnten in einem Fall im Vertrag Indexklauseln durchsetzen, bei denen die Biomethanpreise bei steigenden Rohstoff- oder Energiepreisen ansteigen“, sagt Bracklow. Diese Klauseln seien auch bei den Banken akzeptiert. Denn diese hätten auch kein Interesse daran, dass eine Anlage Insolvenz anmeldet.

Wichtige Vertragsklauseln

Wie die meisten der Ansprechpartner einräumen, wird man bei Neuverhandlungen um Zehnjahresverträge nicht herumkommen – vor allem nicht bei Neuanlagen, die mit dem Gasverkauf die Anlage refinanzieren wollen und bei denen die Banken Sicherheiten fordern.

„Es gibt in den Verträgen aber die Option, Preisanpassungsklauseln aufzunehmen, die gekoppelt an die Inflationsrate sind, oder Wirtschaftlichkeitsklauseln, die es den Vertragspartnern z. B. bei der Verteuerung der Substrate um XY-Prozent ermöglicht, die Preise anzupassen“, sagt Janet Hochi, Geschäftsführerin des Verbandes Biogasrat. Dies gilt für alle Vertragsparteien, also Biomethanerzeuger/Biomethanhändler und Biomethanhändler/Biomethanendkunde. Eine Alternative sind Preisanpassungsklauseln.

Mögliche Ausstiegsoptionen

Falls eine solche spezielle Preisanpassungs- oder Wirtschaftlichkeitsklausel nicht vereinbart worden ist, gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 313 unter strengen Voraussetzungen einen Anpassungsanspruch, wenn die „Geschäftsgrundlage“ weggefallen ist. „Das ist immer dann der Fall, wenn sich die bei Vertragsschluss von beiden Seiten zugrunde gelegten Umstände so massiv geändert haben, dass der Vertrag – hätte man das gewusst – so nie geschlossen worden wäre“, erklärt Rechtsanwalt Loibl.

Wenn dem so ist, gibt es nach Gesetz einen entsprechenden Vertragsanpassungsanspruch. Sollte das aber für den anderen unzumutbar sein, kann der Vertrag beendet werden. „Auf dieser Basis sollten Verhandlungen aufgenommen werden, wenn der Biogaserzeuger sonst in eine wirtschaftliche Schieflage gerät“, rät er.

Würden diese vom Biomethanhändler letztlich verweigert, sollte man in Erwägung ziehen, eine Vertragsanpassung vor Gericht einzuklagen, gerade vor dem Hintergrund, dass Gerichte erfahrungsgemäß meist eine Verhandlungslösung bzw. einen Vergleich vorschlagen. Wichtig hierbei ist laut Loibl, dass sich die Lage für den Erzeuger massiv verändert haben muss. Das ist nicht der Fall, wenn er beispielsweise die Einsatzstoffe, die heute eingebracht werden, noch zu Zeiten angeschafft hat, in denen die Preise „normal“ waren.

Ob der juristische Weg auch bei der Biogasanlage in Schuby zum Erfolg führen wird, ist offen. „Wir verlieren jeden Tag mehrere tausend Euro. Aber wenn wir bei den teuren Rohstoffen Biomethan unter Wert verkaufen, auch. Es ist mir unerklärlich, warum so etwas mitten in einer Gaskrise in Deutschland möglich ist“, fasst René Casaretto die aktuelle Lage zusammen.

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