Es ist zum Haare raufen: Zwei Studien zum gleichen Thema und zwei Ergebnisse, die unterschiedlicher nicht ausfallen können. Beide stammen von renommierten deutschen Agrarwissenschaftlern, die eine von Prof. Dr. Harald Grethe von der Universität Hohenheim und die andere von seinem Gießener Kollegen Prof. Dr. Peter Michael Schmitz. Während Grethe ausführlich beschreibt, warum die EU-Nachfrage nach Biosprit die Nahrungsmittelpreise nach oben treibt, kommt Schmitz zu einem ganz anderen Ergebnis. Der Gießener Agrarökonom ist sich sicher, dass der Einfluss des Ökokraftstoffes auf die Märkte und damit auch auf den Hunger in der Welt deutlich überschätzt wird.
Um die Ergebnisse zu bewerten, muss man die Auftraggeber kennen: Die der Uni Hohenheim wurde von Oxfam und der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegeben, beides erklärte Gegner der Biokraftstoffproduktion. Die aus Gießen vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie, die sich selbstredend für den alternativen Treibstoff stark machen. Dem neutralen Beobachter fällt sofort das alte Sprichwort ein: Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing...
Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist der Umgang der Verbände, der Nicht-Regierungs-Organisationen und der Kirchen mit den Ergebnissen. Man sucht sich offensichtlich die Ergebnisse raus, die gut ins Konzept passen. Nicht viel besser geht es in den Medien zu. Selbst die sonst sehr seriöse Süddeutsche Zeitung titelt: „Mörderischer Sprit“. Im Vorspann heißt es dann wörtlich: "Für Biosprit werden Unmengen an Grundnahrungsmitteln verbrannt und damit Umwelt und Menschenleben zerstört. Die deutsche Regierung verhält sich bislang wie ein Söldner der Agroindustrie."
Dabei belegen die beiden Studien erst mal nur eines: Ob Biosprit tatsächlich die Lebensmittelpreise treibt und so den Hunger in der Welt verschärft, ist umstritten. Nicht mehr und nicht weniger.
Angesichts der unsicheren Datenlage ist es gut, dass die EU die Neuregelung ihrer Biokraftstoffpolitik erst einmal verschoben hat. Denn auf Grundlage „gefühlter Wahrheiten“ sollte niemand eine Entscheidung fällen. Was die Branche dringend benötigt, sind handfeste und unumstrittene Studien. Erst dann sollte die EU sich auf einen weiteren Fahrplan einigen.