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topplus Streit um Wasserstoff als Kraftstoff

Brennstoffzellenautos: Verschwendung oder Chance?

Nach der Einigung auf eine Nationalen Wasserstoffstrategie ist unter Umwelt-, Energie- und Kraftstoffverbänden ein Streit um die effiziente Verwendung des Energieträgers entbrannt.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Bundesregierung will künftig mehr Wasserstoff im Verkehr einsetzen. Das zeigt die Nationale Wasserstoffstrategie, die das Kabinett diese Woche verabschiedet hat. Danach soll der Energieträger als Rohstoff für die Industrie dienen, die daraus synthetische Kraftstoffe (Powerfuels oder E-Fuels genannt) für den See- und Flugverkehr herstellt. Er kann aber auch eine Alternative im Straßenverkehr sein, wie es in dem Papier heißt. Die Bundesregierung hält die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen in verschiedenen Bereichen immer dann für sinnvoll, wo batterieelektrische Antriebe an ihre Grenzen stoßen: Im Öffentlichen Personennahverkehr (Busse, Züge), in Teilen des Straßenschwerlastverkehrs (LKW), bei Nutzfahrzeugen (z.B. für den Einsatz auf Baustellen oder in der Land- und Forstwirtschaft) oder in der Logistik (Lieferverkehr und andere Nutzfahrzeuge wie Gabelstapler). Auch in bestimmten Bereichen bei PKW könne der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein. Ob das sinnvoll ist oder nicht, hat in der Branche erhebliche Diskussionen ausgelöst.

Powerfuels international gehandelt

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Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena), begrüßt die Pläne zu „Powerfuels“, sieht darin aber ganz klar nicht nur einen Fokus im Verkehr: „Als eine der weltweit ersten geht die Nationale Wasserstoffstrategie deutlich über die Endanwendung Wasserstoff hinaus und bezieht die gesamte Bandbreite der strombasierten gasförmigen und flüssigen Energieträger und Grundstoffe ein. Das berücksichtigt die Chancen von beispielsweise synthetischem Methan, Kerosin, Methanol und Ammoniak.“ Laut Kuhlmann werden Powerfuels im weltweiten Handel eine wichtige Rolle spielen. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland den Übergang zu klimaneutral erzeugten Energieträgern und Rohstoffen nicht allein bewältigen könne, seien gute Modelle der internationalen Zusammenarbeit besonders wichtig.

Wasserstoff könne zur nachhaltigen Minderung von CO₂-Emissionen überall dort beitragen, wo gas-basierte Energie die beste Option sei, erklärt Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Das seien industrielle Prozesse, die Schwerlast-Mobilität und der Wärmesektor. „Denn die hier benötigten Mengen und Spitzenleistungen werden durch das deutsche Verteilnetz effizient vor Ort bereitgestellt“, sagt er.

Heute schon wettbewerbsfähig

Für Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV), bietet sich Wasserstoff für den landgebundenen Verkehrssektor an: „Grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte sind im Vergleich zu anderen Optionen der Treibhausgasemissionen im konventionellen Verkehrssektor bereits heute wettbewerbsfähig. Es fehlt jedoch an der geeigneten Regulierung. Wir fordern daher, dass die Bundesregierung die nationalen Ziele für den Anteil der erneuerbaren Energien für die in den Verkehr gebrachten Kraftstoffe auf mindestens 20 Prozent anhebt und zusätzlich eine Unterquote von 5 Prozentpunkten für sogenannte E-Fuels einführt.“ Zudem sei die Anrechnung von mitverarbeiteten grünem Wasserstoff bei der Kraftstoffproduktion auf die vorgenannten Ziele anzurechnen. Die Bundesregierung würde auf diese Weise einen Markt für grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte von über 15 Gigawatt schaffen, ohne dass es dafür weiterer Fördermittel bedarf.

Dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) fehlen in der Wasserstoffstrategie konkrete Hinweise zur Förderung von mit Wasserstoff und Brennstoffzellen betriebenen Fahrzeugen im ÖPNV. Diese Fahrzeuge seien leicht zu versorgen, denn sie weisen einen regelmäßigen und planbaren Verbrauch auf und benötigen nur wenige Tankstellen. Zudem würde vor allem der Einsatz von Zügen, Bussen, Straßenbahnen oder Taxen mit Brennstoffzellen auch erheblich zur Luftverbesserung und Lärmminderung in den Städten beitragen.

Auch PKW mit Brennstoffzellentechnik bieten laut VDI mehrere Vorteile gegenüber Batteriefahrzeugen: Sie erzielen erheblich leichter und kosteneffizienter große Reichweiten, ihre Betankungszeiten seien mit dem heutigen Standard für Benzin oder Diesel vergleichbar und wesentlich höhere Nutzlasten sind möglich.

Geringe THG-Minderung mit heutigem Strommix

Nach Berechnungen des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) würde die im Konjunkturprogramm und voraussichtlich auch in der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vorgesehene deutsche Wasserstoffproduktion im Jahr 2030 ausreichen, um über 7 Millionen Brennstoffzellen-Pkw zu betanken. Allerdings wäre dies nicht genug, um den Individualverkehr mit seinen derzeit 47,7 Millionen Autos zu dekarbonisieren. „Um den dürftigen Klimaschutzbeitrag des Straßenverkehrs bis 2030 merklich zu verbessern, müssen alle alternativen Antriebe und Kraftstoffe genutzt werden. Dazu gehören neben Wasserstoff und Elektromobilität auch Biokraftstoffe“, sagte Elmar Baumann, Geschäftsführer beim VDB. Er mahnte an, dass Wasserstoff aus erneuerbaren Energien produziert werden müsse, damit er tatsächlich zum Klimaschutz beiträgt. Im Jahr 2019 erreichten die Erneuerbaren einen Anteil von 42,7 Prozent am deutschen Strommix. „Würden die Regeln für Biokraftstoffe auch auf Wasserstoff angewendet, dürfte er beim heutigen Strommix noch nicht auf die deutsche Förderung angerechnet werden, weil seine Treibhausgasminderung zu gering ist“, sagte Baumann.

Damit Biodiesel, Bioethanol und Biomethan unter die deutsche Förderquote fallen, müssen sie den Treibhausgasausstoß mindestens um 50 Prozent im Vergleich zu fossilem Kraftstoff verringern. Biokraftstoffe mindern die Emissionen um bis zu 90 Prozent. „Wir begrüßen den Ausbau von Wasserstoff sehr. Allerdings müssen noch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass es sich um eine nachweisbaren und nennenswerten Klimaschutzbeitrag handelt“, sagte Baumann.

Kritik: Wasserstoff hat im Pkw nichts zu suchen

Es gibt jedoch auch erhebliche Kritik an den Plänen von H₂ als Kraftstoff: „Grüner Wasserstoff hat in Pkw und Heizungen nichts zu suchen. Denn die Mengen sind begrenzt und müssen dort zum Einsatz kommen, wo keine Alternativen bereitstehen“, fordert Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Außerdem würden die Abnehmer fehlen: Zwar seien allein in den Jahren 2006 bis 2016 rund 700 Mio. € Fördergelder in das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ geflossen und weitere vielstellige Summen sind in Aussicht gestellt. „Aber keiner der deutschen Autobauer bietet auch nur ein Serienmodell mit diesem Antrieb an. Was die Hersteller interessiert, ist synthetischer Kraftstoff aus Wasserstoff als lebensverlängernde Maßnahme des Verbrennungsmotors.“ Das sei weder nachhaltig noch klimafreundlich und erweise dem Technologiestandort Deutschland einen Bärendienst. Politik und Industrie müssen sich anstelle von E-Fuels und Wasserstoff auf batterieelektrische Antriebe konzentrieren. Bis 2025 müsse sich Deutschland vom Verbrennungsmotor verabschieden. Die DUH fordert, dass Wasserstoff nur für die Bereiche eingesetzt werden dürfe, in denen es keine Alternative zu fossilen Energien gäbe, wie zum Beispiel der Industrie.

Hinsichtlich ihrer Energieeffizienz seien Elektrofahrzeuge klar im Vorteil gegenüber Fahrzeugen mit synthetischen E-Fuels, die mittels Strom aus Wasser und Kohlendioxid produziert werden, betont auch Arne Fellermann, Abteilungsleiter Klimaschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Fahrzeuge mit synthetischen Kraftstoffen verbrauchen laut BUND mehr als das 3,5- bis Fünffache an Strom für dieselbe Wegstrecke. Dennoch hält die Bundesregierung daran fest, dass E-Fuels für Pkw eingesetzt werden können. „E-Fuels sind keine Alternative für die Verkehrswende“, sagt er. „Es ist unverständlich, warum die Bundesregierung trotz der Alternative E-Mobilität weiter am Verbrennungsmotor festhält. Synthetische Kraftstoffe sind ein klimapolitischer Irrweg, da ihre Herstellung extrem viel Strom verbraucht und damit äußerst ineffizient ist.“ Synthetische Kraftstoffe sollten nur für den unvermeidbaren Flug- und Schiffsverkehr genutzt werden.

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