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topplus Kritik an Umsetzung Energiewende

Bundesrechnungshof mahnt: BMWi muss bei der Energiewende mehr steuern

Nach einer Bilanz des Bundesrechnungshofs ist die sichere und bezahlbare Stromversorgung zunehmend in Gefahr.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Bundesregierung steuert den Transformationsprozess im Energiesektor weiterhin unzureichend. Dadurch könnte die Energiewende Privathaushalte und Unternehmen finanziell überfordern, befürchtet der Bundesrechnungshof. „Seit unserer letzten Bilanz in 2018 hat sich zu wenig getan, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Das ist ernüchternd und gefährdet eine sichere und bezahlbare Stromversorgung“, bilanziert der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller. „Die Bezahlbarkeit ist noch immer nicht messbar bestimmt; die Versorgungssicherheit lückenhaft erfasst. Ob Bürger und Wirtschaft künftig verlässlich mit Strom versorgt werden, unterliegt Risiken, die die Bundesregierung nicht vollständig im Blick hat“, stellt Scheller fest. Hohe Strompreise für Privathaushalte und für kleinere und mittlere Unternehmen würden die Akzeptanz des Generationenprojektes aufs Spiel setzen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden. Darum schlägt der Bundesrechnungshof vor, das System der staatlichen Umlagen und Entgelte grundlegend zu reformieren.

Monitoring des BMWi lückenhaft

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Das Monitoring des BMWi ist nach Ansicht der Behörde lückenhaft: Aspekte zur Versorgungszuverlässigkeit und Systemsicherheit wie Netzausbau und Speicher, Netzwartung, Netzstabilität oder Versorgungsausfälle deckt es nicht oder nur unzureichend durch Indikatoren ab.

Zahlreiche andere Aspekte wirken sich erheblich auf die zukünftige Versorgung mit Strom aus. Das Monitoring muss daher auch Szenarien untersuchen, die aktuelle Entwicklungen und bestehende Risiken zuverlässig und realistisch erfassen und abbilden:

  • So hat die Bundesregierung den geplanten Kohleausstiegbislang nicht richtig berücksichtigt. Das hinterlässt eine Kapazitätslücke von bis zu 4,5 Gigawatt– die Leistung von vier großen konventionellen Kraftwerken.
  • Gleichzeitig verursachen die neuen Pläne zur Wasserstoffgewinnungeinen erheblichen Strommehrbedarf. Dieser muss gedeckt werden.
  • Außerdem haben der stockende Netzausbauund eingeschränkte grenzüberschreitende Austauschkapazitäten Einfluss auf eine sichere Versorgung.
  • Zudem muss das BMWi für seine Berechnungen auch Jahre mit extremem Klimaberücksichtigen, in denen Wind und Sonne erheblich weniger Strom erzeugen.

Stresstests fehlen

Trotz dieser Unabwägbarkeiten hat das BMWi in seiner Bewertung kein „Worst-Case“-Szenario untersucht. Ein solcher Stresstest, in dem mehrere Risikofaktoren zusammentreffen, ist aber notwendig - für eine realistische Erfassung und Bewertung der Versorgungssicherheit, für eine belastbare Risikoanalyse. „Das BMWi beugt diesen realen Gefahren für eine sichere Stromversorgung nicht wirksam vor,“ sagte Scheller. „Es muss sein Monitoring dringend vervollständigen.“

Mit dem derzeitigen System der staatlich geregelten Preisbestandteile werden die ohnehin hohen Strompreise weiter ansteigen. Zahlreiche Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Strompreise: u. a. die Nachfrage nach Strom, der weitere Ausbau erneuerbarer Energien, der Netzausbau und die CO₂‑Bepreisung. Die staatlich geregelten Preisbestandteile mit Umlagen, Steuern und Netzentgelten machen bereits 75 % der Strompreise aus und tragen daher wesentlich zu dem hohen Preisniveau bei, vor allem durch die EEG-Umlage. Als Konsequenz liegen die Preise für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland europaweit an der Spitze. Dieser Trend wird sich laut Bundesrechnungshof weiter verstärken: Wasserstoffstrategie und Einbeziehung von Verkehr (z. B. Förderung der Elektromobilität) und Wärme (wie der Ersatz von Öl und Gasheizungen durch „klimafreundliche Anlagen“ oder „erneuerbare Wärme“) in die Energiewende generieren zusätzliche Nachfrage nach Strom. Auch die Kosten für den weiteren Netzausbau und den Ausbau erneuerbarer Energien werden auf den Strompreis noch aufgeschlagen. Beides treibt den Strompreis absehbar weiter in die Höhe.

Deshalb gilt es, dass System der staatlich geregelten Preisbestandteile grundlegend zu reformieren. Das BMWi muss prüfen, wie es eine umfassende Preisreform vorantreiben kann, um die Letztverbraucher künftig zumutbar finanziell zu belasten. Dazu muss es endlich bestimmen, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Stromversorgung versteht. Anhand von Indikatoren hat es festzulegen, bis zu welchem Preis Strom als preisgünstig gilt.

Auch mittelständische Wirtschaft fordert Preisreform

„Die momentane Gestaltung des Strommarktes nimmt zu viel Rücksicht auf fossile Stromversorger, die nicht willens sind, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Dies erzeugt immense Zusatzkosten, die u.a. die EEG-Umlage und die Kosten des Übertragungsnetzausbaus hochtreiben“, kommentiert Prof. Dr. Eicke R. Weber, Vorsitzender der Kommission „Energie und nachhaltiges Wirtschaften“ im Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. Es sei an der Zeit, den Strommarkt daran anzupassen, dass nicht mehr einige große Erzeuger den Strombedarf decken, sondern viele kleine und mittlere, die bei vernünftigen Rahmenbedingungen in der Lage wären, die Strompreise erheblich zu reduzieren.

BEE sieht Vorschläge als „nicht zielführend“

Die vom Bundesrechnungshof angeführten Argumente bewertet der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) als nicht zielführend: „„Jahr für Jahr werden die gleichen Vorwürfe zu Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit in einem von erneuerbaren Energien getragenen System geäußert und mit jedem Jahr verlieren sie weiter an Substanz“, erklärt BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. Während sich die Stromerzeugung aus regenerativen Energien in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hätten und mit 47 % inzwischen die tragende Säule seien, sei die Versorgungssicherheit im Strombereich stabil geblieben und belege im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Gleichzeitig seien die Kosten seit Inkrafttreten des EEG rapide gesunken. „Viele Technologien sind heute wettbewerbsfähig und taugen nicht mehr als Sündenbock für hohe Stromkosten. Diese sind vor allem auf eine Systematik zurückzuführen, die die Erneuerbaren immer noch nicht ins Zentrum gestellt hat“, unterstreicht Peter. Die Energieerzeugung aus Wind und Sonne zähle heute zu den günstigsten Formen der Stromerzeugung, so dass in diesem Jahr lediglich mit einer Erhöhung der EEG-Umlage von 0,1 Cent je Kilowattstunde zu rechnen sei. „Diese Vorteile müssen nun auch bei den Privathaushalten und kleineren Betrieben ankommen“, fordert die BEE-Präsidentin.

Industrieprivilegien in den Bundeshaushalt

Dafür müssten endlich konkrete Lösungen umgesetzt werden. In einem ersten Schritt schlägt der BEE vor, die Industrieprivilegien über den Bundeshaushalt zu finanzieren, mit einer Ersparnis von 1,5 Cent je Kilowattstunde, sowie die Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Minimum zu senken, mit einer Ersparnis von 2 Cent je Kilowattstunde. Des Weiteren sollten Anreize für die Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage gesetzt, die Einspeisung aus inflexiblen fossilen Kraftwerken begrenzt und faire Wettbewerbsbedingungen für Erneuerbare geschaffen werden.

Die von der Bundesregierung vorgenommene Querfinanzierung der EEG-Umlage habe dagegen wie erwartet dazu beigetragen, dass das EU-Notifizierungsprozedere für die beihilferechtliche Genehmigung zu Verzögerungen bei der Veröffentlichung von Ausschreibungsergebnissen durch die Bundesnetzagentur und damit zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bei den Projektierern führe. "Die Bundesregierung muss sich vehement dafür einsetzen, dass die EU schnell grünes Licht gibt“, so Peter abschließend, die gleichzeitig mitteilte, dass sich der BEE inzwischen auch direkt an die EU-Kommission gewandt habe.

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