topplus Schlafender Riese

CDU-Politiker: Biogas wird künstlich klein gehalten

Biogasanlagen könnten heute schon 15 bis 20 % zur erneuerbaren Energieerzeugung beitragen, wenn man die Leistung der bestehenden Anlagen verdoppeln würde. Stattdessen bremst man sie aus.

Lesezeit: 4 Minuten

Der baden-württembergische Landtag hat angeregt über die Bedeutung und Zukunft von Biogas debattiert. Für den Umweltsprecher der CDU-Fraktion und Vorsitzenden des Landesfachausschusses für Energie, Umwelt und Klimaschutz der Partei, Raimund Haser, sind Biogasanlagen ein absolut unterschätzter Faktor in der Energiewende.

Gegenüber dem Staatsanzeiger beklagt der Politiker, haben die Diskussionen im Landtag gezeigt, dass die kritischen Debatten nicht die Realität widerspiegeln. „Die Anlagen, über die wir heute sprechen, sind so konzipiert, dass sie gezielt in schwachen Stromzeiten den Ausgleich liefern und damit auch die Preise erzielen, die sie benötigen. Zweitens sind sie der Wärmelieferant schlechthin. Keine andere erneuerbare Energie kann so viel Wärme erzeugen – und zwar als Nebenprodukt.“

Wir drosseln und legen Steine in den Weg

Haser schätzt ihr Gesamtvolumen in Deutschland im Vergleich zu den 21 Gigawatt aus der Kraftwerksstrategie zwar nur als marginal ein, aber in den regionalen Netzen seien Biogasanlagen wichtige Stromdienstleister. Er empfiehlt, sie stärker einzubinden, um den Anlagenpark maximal zu nutzen. „Stattdessen drosseln wir sie – sie produzieren weniger als sie könnten – und legen bei der Genehmigung Steine in den Weg. Ich bin überzeugt: Biogas ist der schlafende Riese der Energiewende.“

Bis zu ein Viertel zu Strom/Wärmebedarf beitragen

Laut Haser könnten Biogasanlagen heute schon 15 bis 20 % zur erneuerbaren Energieerzeugung beitragen, wenn man die Leistung der bestehenden Anlagen verdoppeln würde. Das sei ohne Neubau möglich.

Mit der zusätzlichen erneuerbaren Wärme könnte Biogas langfristig bis zu einem Viertel der erneuerbaren Energien bei Strom und Wärme liefern. „Besonders in Baden-Württemberg kann durch den Einsatz von Reststoffen, wie etwa Grasschnitt am Straßenrand oder Lebensmittel-Reste, einen großen Beitrag leisten, ohne zusätzliche Flächen zu beanspruchen“, sagt Haser. Dass das nicht heute schon genutzt wird, begründet der CDU-Politiker mit Restriktionen, die nicht aus dem Energiewirtschaftsrecht, sondern aus dem Abfallrecht stammen.

Land sollte mutiger sein

Haser sieht für Baden-Württemberg durchaus Möglichkeiten, das Thema Biogas selbst voranzutreiben. „Wir könnten bei der Genehmigung mutiger sein, ohne Umwelt oder Menschen zu gefährden. Natürlich gibt es Regeln aus dem Abfall- oder Wasserrecht. Aber teilweise muss man sich fragen, ob die Auflagen und die Genauigkeit noch zeitgemäß sind. Ein Beispiel ist die Anschlussnutzung von Gärrestelagern. Die Gülle darf der Landwirt lagern. Die Gärreste aus der Biogasanlage sind Abfall und dürfen nicht mehr gelagert werden. Dafür gibt es keinen fachlichen Grund“, so Haser.

Andere EU-Staaten seien da schon weiter. In Dänemark beispielsweise speisen viel mehr Anlagen ins Gasnetz ein. Hier wird der Vorteil, dass Gas speicherbar ist, genutzt. Und diese Infrastruktur ist bereits vorhanden, erklärt er gegenüber der Zeitung weiter.

Zwei Fehlentwicklungen bei der Windkraft

Interessant ist seine Aussage, dass Haser den Netzausbau an zwei Stellen für überdimensioniert hält. So hält er es für falsch, bei der Offshore-Windkraft immer weiter hinaus in die Nordsee zu gehen. Das habe die Anlagen und den Netzanschluss extrem verteuert und führe zu sehr hohen Netzkosten.

Er plädiert für eine Neubewertung des Windkraftausbaus für Regionen, in denen schon zu viel Windkraft ist. „Zum anderen müssen wir uns den Netzausbau anschauen. Hinter den aktuellen Ausbauplänen steckt die Idee, dass jede erzeugte Kilowattstunde theoretisch über das Netz transportiert werden können muss. Damit wird die Infrastruktur nicht für den dauerhaften Betrieb gebaut, sondern für den absoluten Peak. Und das ist oft Strom, den dann aktuell niemand braucht, wenn er eingespeist wird.“

Steuern, wann wer Strom liefern muss

Stattdessen müsse die Politik stärker schauen, was wirklich für die Netzstabilität vor Ort notwendig ist, was es braucht, um Überkapazität abzufangen und wo Überkapazitäten vor Ort abgeregelt werden müssen. „Heute wird eine Region mit Biogasanlage, Windkraft und Photovoltaik im Netz so behandelt, als würden alle drei Anlagen gleichzeitig die maximale Strommenge liefern. Das ist Unsinn. Man muss definieren: Wie viel Leistung kann man zum Beispiel zu 80 % der Zeit garantieren? Wenn die Photovoltaik den Strom erzeugt, muss die Biogasanlage nicht gleichzeitig Strom einspeisen. Windkraft ist wetterbedingt, gerade im Winter oder an Randzeiten wird sie stärker gebraucht als tagsüber. Mit solchen Anreizmodellen „Speise möglichst stabil ein!“ könnte man viel Geld beim Netzausbau sparen. Es gilt, das Netz intelligenter statt absolut zu planen“, so Haser.

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