Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

News

Chaos bei der Energiewende

Die Energiewende in Deutschland als eines der zentralen Projekte der Bundesregierung befindet sich auf Schlingerkurs. Politik, Wirtschaft und Verbänden diskutieren zunehmend kontrovers über Kosten und Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Wer, welche Position vertritt und wie die Bürger den Ausbau der neuen Energien sehen, haben wir für Sie zusammengestellt.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Energiewende in Deutschland als eines der zentralen Projekte der Bundesregierung befindet sich auf Schlingerkurs. Politik, Wirtschaft und Verbänden diskutieren zunehmend kontrovers über Kosten und Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Wer welche Position vertritt und wie die Bürger den Ausbau der neuen Energien sehen, haben wir für Sie zusammengestellt.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Netzausbau hakt


Ein zentrales Problem der Energiewende ist der Netzausbau. Zwar akzeptieren laut einer bundesweit repräsentativen Studie zum Naturbewusstsein 2011 des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) die meisten Deutschen zwar die Energiewende und den damit einhergehenden Ausbau der erneuerbaren Energien, erhebliche Vorbehalte gibt es allerdings gegen den Bau neuer Hochspannungsleitungen.


Die Politik tritt auf der Stelle


Ein erneuter „Energiegipfel“ im Bundeskanzleramt blieb vergangene Woche ohne konkretes Ergebnis. Bundesumweltminister Peter Altmaier und sein Kollege im Wirtschaftsressort, Dr. Philipp Rösler, kündigten abermals eine grundlegende Reform des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) an, ließen aber einmal mehr Zeitplan und Inhalte offen. Während Rösler noch in dieser Legislaturperiode eine Novelle des EEG wünscht, will Altmaier zunächst im Herbst einen Verfahrensvorschlag machen und „dann weitersehen“.


Preisauswirkungen von Bioethanol „äußerst gering“


Unterdessen rang sich das Bundeslandwirtschaftsministerium zu einem klaren Bekenntnis zu E10 durch. In seiner Antwort auf eine schriftliche Frage der stellvertretenden Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, bekräftigte der Parlamentarische Staatssekretär vom Agrarressorts, Peter Bleser ein Festhalten an der bisherigen Biokraftstoffpolitik. Bleser nannte den Einfluss von Bioethanol in Deutschland und Europa auf die Weltmarktpreise von Mais und Getreide „äußert gering“. Einem kurzfristigen Verkaufsstopp für E10, wie ihn Bundsentwicklungsminister Dirk Niebel gefordert hatte, erteilte der CDU-Politiker eine Absage. Ein nationales Verbot des Inverkehrbringens scheide aus europarechtlichen Gründen aus, heißt es in der Antwort.


Wenig Akzeptanz für Energieholzgewinnung


In der BfN-Studie kommt der Energiepflanzenanbau gut weg. Die Mehrzahl der Befragten hat demnach keine Einwände gegen den Anbau von Raps und Mais für energetische Zwecke. Auch der Bau von Biogasanlagen wird akzeptiert. Die meisten Deutschen nehmen hin, dass die Maßnahmen der Energiewende zu Veränderungen im Landschaftsbild führen werden. Im Hinblick auf den Ausbau von Windkraftanlagen im Meer liegt dieser Anteil bei 87 %; bei Windenergieanlagen an Land sind es 79 % der Bevölkerung und bei Solaranlagen außerhalb von Siedlungen 77 %.


Demgegenüber würden aber lediglich 42 % der Befragten eine Zunahme von Hochspannungsleitungen akzeptieren. Überwiegend kritisch wird auch der vermehrte Holzeinschlag in Wäldern zur Gewinnung von Energieholz bewertet. Hier liegt die Zustimmung lediglich bei 35 %. Die Autoren begründen das mit der besonderen Verbundenheit der Deutschen mit dem Wald. Die Studie differenziert nicht zwischen der abstrakten Haltung gegenüber dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Konstellation, dass die Menschen konkret von Projekten in ihrem näheren Lebensumfeld betroffen wären. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass die Zustimmung bei direkter Betroffenheit zurückgeht. Beispielsweise äußern sich der Befragung zufolge 44 % der Ostdeutschen kritisch bis ablehnend gegenüber Windenergieanlagen auf dem Land. Im Westen, wo im Vergleich erheblich weniger Windräder stehen, sind lediglich 12 % kritisch eingestellt.


Abstimmung nötig


Altmaier sprach sich vergangene Woche auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Erneuerbare Energien" in Berlin gegen einen Masterplan zur Energiewende aus. Mit einer genauen Festlegung einzelner Schritte würde man das Ergebnis bereits festlegen und notwendige genaue Teilschritte zurückrechnen, so seine Argumentation. Dadurch würde man aber mögliche neue Entwicklungen und Innovationen ausschließen. Zur Untermauerung seines Standpunktes verwies der CDU-Politiker auf die rasante und nichtvorhersehbare Technikentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte im Bereich von Computern und Mobilfunkgeräten. Gleichwohl gelte es, für die Energiewende ein Gesamtkonzept zu finden sowie Leitplanken und Meilensteine zu setzen. Zum Erfolg der Wende gehöre auch, die Erneuerbaren marktfähig zu machen.


Der Bundesumweltminister warnte des Weiteren davor, die Energiewende durch einen zu schnellen Ausbau der Erneuerbaren zu verteuern. Der beschleunigte Ausbau würde die EEG-Umlage erhöhen. Zudem fielen mehr Kosten in kürzerer Zeit an, wenn der Netzausbau schneller vonstatten gehe müsse. So müssten Zahlungen, die ursprünglich für vier Generationen gedacht worden seien, von nur einer getragen werden. Auch die unterschiedlichen Zielsetzungen der einzelnen Bundesländer verteuerten die deutsche Energiewende, so Altmeier. Daher sei es unbedingt notwendig, ein gemeinsames Konzept zu finden und sich auf Zielkorridore zu einigen.


Kein Alleingang Deutschlands


Eine bessere Abstimmung in der Europäischen Union mahnte EU-Energiekommissar Günther Oettinger auf der Handelsblatt-Tagung an. Am Beispiel der Stromspeicher machte Oettinger deutlich, dass Deutschland auf seine europäischen Partner angewiesen sei. Auch beim Netzausbau sei eine verstärkte EU-weite Kooperation notwendig. So könnte auf lange Sicht vermieden werden, dass Strom noch teurer werde. Ein deutscher Alleingang werde dagegen „schief gehen“, prophezeite der Energiekommissar. Zudem stelle der Ausbau der erneuerbaren Energien die gerade für den Industriestandort Deutschland so bedeutsame Versorgungssicherheit vor neue Aufgaben. Hier könnte ein Kapazitätenmarkt weiterhelfen, der allerdings von der Bundesregierung unverständlicherweise abgelehnt werde.


Bezüglich des geforderten Verkaufsstopps von Superkraftstoff mit einem Ethanolanteil von 10 % (E10) warnte Oettinger vor einem unüberlegten Zick-Zack-Kurs der deutschen Politik. Schließlich benötigten Investitionen und Forschung langfristig sichere Rahmenbedingungen. Der EU-Kommissar räumte mögliche nichtnachhaltige Effekte beim Anbau der Rohstoffe für die Herstellung von Biokraftstoffen ein. Um nachhaltige Biokraftstoffe der zweiten oder gar dritten Generation aus landwirtschaftlichen Reststoffen beziehungsweise Lebensmittelabfallstoffen zu generieren, seien jedoch Biodiesel und Bioethanol der ersten Generation als „Türöffner“ notwendig.


Im Vorfeld des Energiegipfels im Bundeskanzleramt hatte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ein Ende der Subventionen für den Anbau von Pflanzen zur Kraftstoffherstellung gefordert. Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode erklärte, die Regierung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel müsse im Zuge der Energiewende Schluss damit machen, „den ökologisch wie ökonomisch unsinnigen Anbau von Pflanzen für die Biospritproduktion auch noch mit Steuergeldern zu fördern - erst recht, weil dieser den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln noch verschärft“. Die Verbraucherschützer verlangen ein Verbot von E10 sowie aller anderen zwangsweisen Biospritbeimischungen, für die Energiepflanzen statt Nahrungsmitteln auf den Äckern angebaut werden. Außerdem dürften für den Anbau von Energiepflanzen keine Flächensubventionen mehr ausgezahlt werden.


VDB widerspricht foodwatch


Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) erwiderte auf die Foodwatch-Forderung, das angestrebte Beimischungsverbot von Biokraftstoff würde dazu führen, dass bis zu 2,3 Mio. t zusätzliche Tierfuttermittel nach Deutschland eingeführt werden müssten. Etwa diese Menge an eiweißreichen Futtermitteln falle derzeit bei der Herstellung von Biokraftstoff in Deutschland als Kuppelprodukt an. Die entstehende Lücke müsste dann mit noch mehr Importen aus den USA und Südamerika geschlossen werden. „Aus offensichtlicher Unkenntnis der Marktzusammenhänge fordert Foodwatch entgegen der eigenen Position indirekt den Einsatz von mehr Tierfuttermitteln aus Übersee in deutschen Ställen“, gab VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann zu bedenken. Außerdem würde bei einem E10-Stopp wieder mehr Erdöl im Verkehrsbereich eingesetzt. Fossile Kraftstoffe würden aber in immer schmutzigeren und umweltschädlicheren Verfahren gewonnen, und unterlägen - im Gegensatz zu den gesetzlichen Vorgaben für Rohstoffe von Biokraftstoffen - keinerlei Nachhaltigkeitsregeln.


Ausbremsen fatal


Mit Blick auf die Positionierung von Bundesumweltminister Altmeier zum Ausbautempo warnte der Geschäftsführer des Biogasrat+, Reinhard Schultz, davor, jetzt die Erneuerbaren auszubremsen; dies wäre fatal. Zwar sei der zunehmende Anteil volatiler Energiequellen im Gesamtsystem zweifellos eine große Herausforderung für alle Akteure, doch davor zurückzuschrecken brauche man nicht. Die Branche verfüge über die technologischen Mittel, um auch das Problem der Systemstabilität zu meistern, und das bei beherrschbaren Kosten.


Der Ausbau der Netze im Nah- und Fernbereich sei sicherlich ein wichtiger Baustein, räumte Schultz ein. Letztlich gehe es aber darum, durch die Kombination unterschiedlicher Maßnahmen eine konsistente Gesamtstrategie für den Umbau der Energieversorgung zu entwickeln, die technologische Vorteile gezielt und effizient nutze. Das heiße auch, die richtige Technologie am richtigen Standort einzusetzen und nicht - je nach Trend - auf einzelne „Heilsbringer“ zu setzen, die völlig unabhängig von den jeweiligen Standortbedingungen umgesetzt würden. Es gelte, Lösungen zu entwickeln, die das Gesamtsystem im Blick hätten, die also die Infrastruktur sowie Flächen-, Rohstoff- und Energiepotentiale und auch Nutzungskonkurrenzen stärker berücksichtigten und auf eine umfassende Integration der Erneuerbaren in das Versorgungssystem abzielten.


Effizientes Fördersystem notwendig


Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) sprach sich dafür aus, eine effizientere Finanzierung der Energiewende auf den Weg zu bringen. Nach Ansicht von VCI-Hauptgeschäftsführer Dr. Utz Tillmann ist es angesichts der ausufernden Kosten und einer immer heftigeren Verteilungsdebatte Zeit, die Systemfrage zu stellen: „Die Politik muss die Kostenbremse ziehen, sonst wird die Energiewende scheitern. Verbraucher und Wirtschaft können nicht immer höhere Lasten für ein ineffizientes Fördersystem schultern.“ Tillmann nahm die Ausnahmeregelungen für besonders energieintensive Unternehmen in Schutz. Trotz Entlastungsregeln trage beispielsweise die Chemiebranche mit mehr als 1 Mrd. Euro jährlich zu den Kosten der Energiewende bei, vor allem über das EEG. Für die Ausnahmeregelungen gebe es unter dem derzeitigen Fördersystem keine Alternative. Außerdem mahnte der VCI-Präsident eine bessere Abstimmung der Energiepolitik zwischen Deutschland und der EU an. Während die Bundesregierung die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie absichern möchte, mache sich das Bundesumweltministerium auf EU-Ebene weiter für Regelungen stark, die der Wettbewerbsfähigkeit schadeten. Altmaier sollte seine Unterstützung für ein verschärftes EU-Klimaziel überdenken und die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz wettbewerbsfreundlich umsetzen, so Tillmann. (AgE)

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.