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topplus Debatte um Klimaschutz im Verkehr

Das Aus für Biokraftstoffe ist klimapolitische Sackgasse

Bei einem Pressegespräch machten verschiedene Experten von Verbänden auf die Bedeutung von Biodiesel, Ethanol und Biomethan für Klimaschutz und Landwirtschaft aufmerksam.

Lesezeit: 5 Minuten

Der Verkehr bleibt das klimapolitische Sorgenkind der Bundesregierung: Zum zweiten Mal in Folge hat der Sektor Verkehr im Bundesklimaschutzgesetz festgesetzten Ziele verfehlt. Die Emissionen lagen um knapp 9 Mio. t CO₂ über den gesetzlich erlaubten Emissionswerten, zeigen die aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes. „Für die kommenden Jahre ist zu erwarten, dass der erlaubte Emissionspfad bis zum Jahr 2030 weiter überschritten wird“, sagte Stephan Ahrens, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) bei einem Pressegespräch im Vorfeld der Agrarministerkonferenz.

Trotz dieser sehr angespannten Situation befürchten Verbände wie die UFOP, der Bundesverband Bioenergie, der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) und der Deutsche Bauernverband (DBV) eine weitere fehlerhafte Weichenstellung zum Nachteil für das Klima: Das Bundesumweltministerium will Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse wie Raps, Bioethanol oder Biomethan nicht mehr als Klimaschutzoption anerkennen. Dabei tragen sie jedes Jahr mehr als 10 Mio. t CO₂-Einsparung im Verkehrssektor bei, davon allein 7,5 Mio. t durch Biokraftstoffe, die auf Anbaubiomasse basieren, teilt die UFOP mit.

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Gespräche über Alternativen

Im Koalitionsausschuss am kommenden Sonntag wird auch über die künftige Rolle klimafreundlicher Energieträger im Verkehrssektor wie z.B. E-Fuels und möglicherweise auch über die Biokraftstoffe beraten. Zehn Verbände der Agrar- und Ernährungswirtschaft haben in der vergangenen Woche ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht (https://www.ufop.de/index.php/download_file/view/12186/2081/), in dem sie vor den Konsequenzen dieser Absenkung der Obergrenze von Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse warnen. „Das Papier zeigt ganz eindeutig, dass ein Produktionsstopp auch die Lebensmittelsicherheit einschränken würde. Aber viel wichtiger ist, dass Biokraftstoffe zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen beitragen. Dieser Fokus geht in der Diskussion komplett verloren“, kritisiert Ahrens.

Elektromobilität reicht nicht

Die Bundesregierung will mit dem Ausbau der Elektromobilität die Klimaschutzziele erreichen. „Selbst mit optimistischen Annahmen von 15 Mio. batterieelektrischen Fahrzeugen und 80 % erneuerbare Energien im Strommix kann die Elektromobilität im Jahr 2030 nur knapp die Hälfte der nach Klimaschutzgesetz nötigen Treibhausgaseinsparung schaffen“, sagt VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann. Und das auch nur mit künstlicher Mehrfachanrechnung der Elektrofahrzeuge – eine industriepolitische Fördermaßnahme, die dem Klimaschutz nichts bringt.

Das macht deutlich: Ohne Biokraftstoffe ist Klimaschutz im Verkehr nicht zu erreichen. Würden nur 1 Mio. weniger E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen fahren, wären 500.000 t Biokraftstoffe mehr nötig, um diese Lücke zu decken. Rund 640.000 t wären zusätzlich nötig, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix 2030 nur 70 statt 80 % beträgt.

Auch CO₂ fehlt

Was Bundesumweltministerin Steffi Lemke bei ihrer Ankündigung auch nicht bedacht hat: Kraftstoffhersteller sind verunsichert und scheuen die Investition in fortschrittliche Kraftstoffe. Zudem fehlt CO₂ für die Produktion von E-Fuels: Denn diese strombasierten künstlichen Kraftstoffe sollen aus Wasserstoff produziert werden, der mithilfe der Elektrolyse aus Wind- und Solarstrom entsteht. Neben Wasserstoff ist aber auch „grünes“ CO₂ nötig, das aktuell nur bei der Produktion von Bioethanol oder der Aufbereitung von Biogas zu Biomethan entsteht. „Mit der Abschaffung von herkömmlichen Biokraftstoffen kappt Lemke auch den Weg zu E-Fuels“, fasst Baumann zusammen.

Wird Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen, verstößt es auch gegen die verbindliche Lastenteilungsverordnung der EU. Das bedeutet: Deutschland muss CO₂-Zertifikate kaufen. „Bei Kosten von 50 bis 100 €/t CO₂ wird das unserer Schätzung nach Kosten von 1,6 bis 2,2 Mrd. € jährlich verursachen“, warnt Baumann.

Für die Landwirtschaft wichtig

Auch aus landwirtschaftlicher Sicht sind Biokraftstoffe essentiell, erklärt Udo Hemmerling, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie und Vize-Generalsekretär des DBV:

  • Sie bieten Abwechslung in der Fruchtfolge.
  • Sie sorgen für Eiweißfuttermittel, die nicht importiert werden brauchen.
  • Mit der Produktion von Biogas lässt sich der Aufwuchs von Blühstreifen nach der Blüte verwerten und damit die Biodiversität steigern. „Hier wünschen wir uns mehr Offenheit, damit die Biogasanlagenbetreiber den Aufwuchs auch verwerten dürfen“, sagt er.
  • Der anfallende Gärrest sorgt für Dünger als Ersatz für Mineraldünger, die im Rahmen der Erdgaskrise extrem teuer geworden sind.

Hemmerich begrüßt, dass die SPD-Fraktion sich erstmals seit über einem Jahrzehnt wieder für Biokraftstoffe ausspricht und auch höhere Beimischquoten von Biodiesel zu Diesel und Bioethanol zu Benzin durchsetzen will.

Vergleich zwischen PV und Biogas ist falsch

In der Debatte um Biokraftstoffe kommt immer wieder auch das Argument, eine Freiflächen-Photovoltaikanlage könne pro Hektar mehr Strom erzeugen als der Aufwuchs von Energiepflanzen. „Es stimmt, dass die Photovoltaik pro Hektar und Jahr rund 1 Mio. kWh erzeugt, während wir mit Energiepflanzen nur 40 bis 80.000 kWh schaffen“, räumt er ein. Aber dafür kann die Biogasanlage auch nachts oder im Winter permanent Strom und Wärme erzeugen. „Außerdem speichern die Pflanzen CO₂ aus der Luft und sind künftig die einzige grüne Kohlenstoffquelle für die Gesamtwirtschaft“, sagt er. Zudem gäbe es auf dem Acker immer wieder Fraktionen, die man nicht im Lebensmittelbereich nutzen könne, dafür aber energetisch.

Steuerbefreiung muss wieder kommen

Er spricht sich auch vehement dafür aus, dass Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft wieder von der Energiesteuer befreit werden. Von daher begrüßt er die Forderung von Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber im Vorfeld der Agrarministerkonferenz, sich mehr für reine Biokraftstoffe in der Landwirtschaft einzusetzen. „Wir brauchen auch für schwere Arbeitsmaschinen einen Umstieg von Diesel auf nachhaltige Kraftstoffe. Doch noch ist nicht klar, welche Antriebstechnologie und welcher Kraftstoff sich durchsetzen werden.“ Hierfür wäre es wichtig, dass sich Deutschland in Brüssel dafür einsetzt, dass eine Steuerbefreiung im Beihilferecht wieder möglich ist.

„Wir führen derzeit viele Gespräche mit Bundestagsabgeordneten. Wir wünschen uns aber, dass wir künftig weniger über die abstrusen Sackgassenvorschläge des Bundesumweltministeriums reden, sondern darüber, wo Biokraftstoffe künftig schwerpunktmäßig eingesetzt werden sollten, d.h. in der Land- und Forstwirtschaft, in der Binnen- und Küstenschifffahrt und im Straßengüterverkehr, der weiter ungebremst wächst“, resümiert VDB-Geschäftsführer Baumann.

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