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„Die Planung zum Smart Meter-Einbau war von Anfang an falsch!“

Marion Nöldgen, Deutschland-Chefin des Stromanbieters Tibber, erläutert, warum das OVG-Urteil zu Smart Meter vorherzusehen war und Schweden beim Rollout ein Vorbild sein kann.

Lesezeit: 6 Minuten

Frau Nöldgen, Sie kritisieren, dass der flächendeckende Einbau von intelligenten Stromzählern (Smart Meter Rollout) nur schleppend verläuft. Was hätte man besser machen können?

Nöldgen:Der Gesetzgeber hat das Thema von Anfang an falsch geplant. So haben beispielsweise die für den Einbau zuständigen Netzbetreiber oder Messstellenbetreiber keinen Anreiz, den Zähler zu installieren. Sie dürfen beim Pflichteinbau je nach Zählergröße nur 20 bis 100 € berechnen. Weil der Gesetzgeber aber wiederum die Sicherheitsanforderungen an Smart Meter extrem streng definiert hat, sind diese sehr teuer und 100 Euro pro Jahr deckt die Kosten nicht. Außerdem ist der smarte Zähler nur für Kunden vorgesehen, die über 6000 kWh Strom verbrauchen. Das trifft in Deutschland auf fast keinen Privathaushalt zu. Aber gerade diese könnten mit einem Smart Meter von der Energiewende profitieren.

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Inwiefern?

Nöldgen:Als Beispiel kann ich unser Geschäftsmodell nehmen: Tibber bietet als eines der ersten Unternehmen in Deutschland digitale Stromtarife an. Wir verkaufen Strom, verdienen aber nicht an der Kilowattstunde, sondern geben den Strom zu Einkaufspreisen an die Verbraucher ab. Den günstigen Börsenstrompreis nutzen Gewerbe- und Industriebetriebe in Deutschland schon länger, nur für Privathaushalte gab es dazu noch keine Tarife. Sie haben damit einen Anreiz, Strom in den Zeiten zu nutzen, in denen er besonders günstig ist. Das geht aber nur mit einem intelligenten Zähler.

"Verbraucher können von günstigen Tarifen profitieren"

Können Sie das an einem Beispiel erläutern? Wie funktioniert das genau?

Nöldgen:Ein Smart Meter sorgt für mehr Transparenz beim Netzbetreiber, beim Stromanbieter, aber auch beim Verbraucher. Bei den früheren Ferraris-Zählern mit der drehenden Scheibe können Sie nur nachträglich ablesen, wieviel kWh der Haushalt verbraucht hat, aber nicht sekundengenau. Besonders praktisch ist der Einsatz eines smarten Zählers beim Laden eines Elektroautos: Wenn der Kunde nach Hause kommt, hängt er die Fahrzeugbatterie an die Ladestation oder die Steckdose. Aber die Ladung beginnt nicht sofort. Wir als Stromanbieter würden die Ladung starten, wenn die Preise sehr günstig sind, also etwa im Zeitraum zwischen 2 und 5 Uhr morgens. Ohne Smart Meter können wir nicht wissen, dass das Auto zur Ladung bereitsteht. Eine andere interessante Möglichkeit ist das Heizen mit der Wärmepumpe in Verbindung mit einem Pufferspeicher: Auch sie kann den günstigen Strom in Zeiten nutzen, in denen der Verbrauch gering und die Preise niedrig sind.

Welche Vorteile hätte ein Smart Meter für Landwirte?

Nöldgen:Er ist immer in den Fällen interessant, in denen man den Verbrauch einer größeren Strommenge in Zeiten verschieben kann, in denen der Strom aus dem Netz günstig ist. Bei einer Waschmaschine bringt das bei jährlichen Kosten von nur etwa 100 € eher weniger. Aber bei höheren Stromverbräuchen wie z.B. in der Landwirtschaft wird das interessant. Ein weiterer Anwendungsfall sind Solaranlagen mit Batterie: Mithilfe des Smart Meters ist es möglich, den Eigenverbrauch zu optimieren. Dann kann der Haushalt oder Betrieb Strom aus dem Netz in Zeiten nutzen, in denen er günstig ist und in Hochpreiszeiten dagegen den eigenen Solarstrom aus der Batterie.

"Urteil sorgt für Chaos"

Nöldgen:Nein. Dazu muss man sich das Urteil genau anschauen: Geklagt hatte ein privater Anbieter eines Smart Meters. Denn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist beauftragt, Smart Meter Gateways, also die Zähler zusammen mit einer Kommunikationseinheit, zu zertifizieren. Wenn drei zertifizierte Gateways am Markt sind, kann der flächendeckende Einbau, also der Rollout, beginnen. Das war im Januar 2020 der Fall. Nicht zertifizierte Geräte durften ab da nur noch in Ausnahmefällen installiert werden. Das klagende Unternehmen bietet zwar auch einen Zähler an, der aber nicht zu den zertifizierten Geräten gehört. Die Richter haben sich in dem Eilbeschluss jetzt auf die Seite des Unternehmens gestellt. Sie haben aber auch betont, dass die vom BSI zertifizierten Geräte nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Ein endgültiges Urteil steht zwar noch aus. Aber jetzt dürfen auch nicht zertifizierte Geräte weiter verbaut werden.

Was bedeutet das für den Markt?

Nöldgen:Wir erleben immer mehr Chaos, was zur Verunsicherung bei den Kunden führt. Allein bei uns gehen pro Woche über 100 Anfragen ein, bei denen die Kunden nach einem smarten Zähler fragen und ihn freiwillig installieren würden. Hier müsste der Gesetzgeber festlegen, dass bei einem Verbrauch unter 6000 kWh ein Smart Meter Gateway mit abgespeckten Funktionen möglich ist. Auch für die Netzbetreiber wäre es wichtig, dass der Einbau vorangeht, um die schwankende Erzeugung von Wind- und Solarstrom und den Verbrauch besser zu koordinieren. Bei der wachsenden Zahl von Elektroautos wird das aus Netzbetreibersicht immer wichtiger. Aber auch aus Sicht der Solaranlagenbesitzer, die jetzt nach und nach aus der EEG-Förderung fallen. Denn sie suchen nach Möglichkeiten, ihren Strom intelligent selbst zu verbrauchen und mit Batterie und Elektroauto zu verbinden. Bei all dem fragen wir uns, warum Deutschland sich nicht an Ländern wie Norwegen oder Schweden orientiert hat.

Schweden als Vorbild

Was ist dort anders gelaufen?

Nöldgen:Unser Unternehmen wurde in Norwegen gegründet und ist auch in Schweden aktiv, daher haben wir guten Einblick in diese beiden Länder. Schweden hat den Rollout bereits 2009 abgeschlossen, Norwegen im Jahr 2018. In beiden Ländern gibt es nur noch intelligente Stromzähler. Norwegen ist z.B. das Land mit der höchsten Elektroauto-Dichte weltweit und das Netz bricht dort nicht zusammen. Schweden hat klare Vorgaben zu Smart Meter mit einer klaren Frist festgelegt, in der alle Zähler ausgetauscht sein mussten. Sie sind standardisiert mit einer festen Schnittstelle, an der man die Daten einfacher auslesen kann. In Deutschland haben wir jetzt ein Wirrwarr von verschiedenen Anbietern. Wir verzetteln uns hier mit technischen Details, die komplett an der Praxis vorbeigehen, wie das Urteil zeigt. Das macht den Einbau teuer, sehr langwierig, nicht planbar und verhindert Innovationen im Markt. Wir hoffen daher sehr, dass der Gesetzgeber jetzt schnell reagiert und eine bessere Lösung präsentiert.

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