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„Die Rolle von Biogas im Strommarkt wird wichtiger“

Biogasanlagen helfen, Wind- und Solarenergie schneller ins Stromnetz zu integrieren, erklärt Johannes Päffgen, Leiter Energiehandel bei Next Kraftwerke.

Lesezeit: 5 Minuten

In den ersten vier Monaten dieses Jahres haben erneuerbare Energien einen Anteil von 56% am Strommix in Deutschland erreicht. Allein Windenergie deckte knapp 35% ab. Welche Rolle spielen Biogasanlagen noch?

Päffgen: Bei einem hohen Anteil erneuerbarer Energien sind eine gute Prognose und Flexibilität wichtig. Gute Prognosen helfen bei der Planung, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen; Flexibilität dagegen, um kurzfristig auf eine schwankende Nachfrage oder Angebot reagieren zu können. Beides bieten Biogasanlagen an. Flexible Biogasanlagen, deren Leistung bei hoher Wind- und Solarstromproduktion und somit niedrigen Preisen gedrosselt werden, übernehmen heute schon eine wichtige Rolle, die künftig an Bedeutung gewinnt.

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Wie Analysen des Strommarkts zeigen, sind zwar viele Biogasanlagen heute flexibilisiert, produzieren aber trotzdem überwiegend konstant Strom.

Päffgen: Unserer Erfahrung nach gibt es bei der Regelenergie und bei der flexiblen Einspeisung in den vergangenen Jahren ein stetiges Wachstum. Wir sind einer der wenigen Direktvermarkter in Deutschland, der noch eine flexible Vermarktung von Biogasstrom anbietet. Wir arbeiten derzeit mit 360 Anlagen mit einer installierten Leistung von rund 350 MW zusammen, die bedarfsorientiert Strom einspeisen. Trotzdem gibt es natürlich auch Anlagenbetreiber, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis des flexiblen Betriebs als negativ bewerten und deshalb aktuell ihre Anlagen nicht flexibel betreiben. Dabei kann Flexibilität wirtschaftlich attraktiv sein – vor allem, wenn vermehrt konventionelle Kraftwerke vom Netz gehen. Wir wollen daher den Bereich bei uns weiter ausbauen.

Heute erwirtschaften aber selbst sehr flexible Anlagen selten einen Mehrerlös von 2 ct/kWh am Strommarkt.

Päffgen: Wir haben in Deutschland Überkapazitäten an Strom. Das wird sich mit dem zunehmenden Ausstieg von Kohle- und Atomkraftwerken ändern. Dann steigt die Nachfrage nach Flexibilitätsoptionen, davon sind wir überzeugt – und das erhöht die Anreize, Fahrpläne oder Prozesse flexibel zu gestalten. Zusätzlich fehlen heute regulatorische Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass die Verbraucher ihren Stromverbrauch an die Produktion anpassen. Wir sehen dennoch in unserer alltäglichen Arbeit, dass es sich auch jetzt schon lohnt, auf Flexibilität zu setzen. Ein Indikator für das Erlöspotenzial einer flexiblen Fahrweise sind die durchschnittlichen Spreads, also die Abweichung der Stundenpreise eines Monats vom Monatsmittelwert. Wenn man diese betrachtet, lagen sie in den letzten beiden Jahren ein ganzes Stück über denen der vorhergehenden Jahre.

Sind Biogasanlagen die wichtigste Flexibilitätsoption?

Päffgen: Natürlich gibt es auch weitere Optionen, die zukünftig eine Rolle spielen werden. Dazu gehören zum Beispiel die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sowie Stromspeicher und -wandler oder auch Flexibilität auf Verbrauchsseite. Wir gehen davon aus, dass von den Flexibilitätsoptionen rund um Wind- und Solarenergie die günstigsten Flexibilitäten zuerst abgerufen werden. Welche das sein werden, können wir heute aber noch nicht absehen.

Inwiefern sind Stromspeicher, Power-to-X-Anlagen oder Lastverschiebungen eine Lösung, um erneuerbare Energien besser integrieren zu können?

Päffgen: Wir haben in unserem Pool bereits mehrere Power-to-X-Anlagen. Sie können überschüssigen Wind- und Solarstrom als Gas oder Wärme speichern und bei Bedarf wieder in Strom umwandeln. Deshalb sind sie sehr gut für ein Stromsystem mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien geeignet.

Batterien werden derzeit hauptsächlich in der Primärregelleistung eingesetzt. Dabei ist eine schnelle Reaktion erforderlich, aber tendenziell weniger Speicherkapazität. Eine Verschiebung von überschüssigem Wind- und Solarstrom über einen längeren Zeitraum in Zeiten mit geringem Angebot war bisher nicht wirtschaftlich. Bei Power-to-Gas-Anlagen scheitern Großprojekte derzeit oft noch an den regulatorischen Rahmenbedingungen.

Immer noch werden viele Windräder abgeregelt, vor allem im Norden. Auch Biogasanlagen und Solarparks sind davon betroffen. Wie lassen sich erneuerbare Energien künftig flexibler ins Stromsystem einbinden?

Päffgen: Die Anlagen werden abgeregelt, weil der Strom nicht transportiert werden kann. Für uns ist u.a. der Netzausbau unverzichtbar, um den Windstrom in den Süden zu transportieren. Auch sollte die Bereitstellung von Flexibilität schon auf Verteilnetzebene angereizt werden.

Wir nehmen an den Forschungsprojekten C/sells und DA/RE teil, die genau dieses Thema behandeln. Sie beschäftigen sich damit, Ungleichgewichte im Netz bereits vor Ort, auf Ebene des Verteilnetzes auszugleichen, damit es gar nicht erst zu Engpässen im Übertragungsnetz kommt.

Auch virtuelle Kraftwerke können mit ihrer Steuerungstechnik hier einen wichtigen Beitrag leisten. Im Rahmen der Forschungsprojekte haben wir zum Beispiel schon gezeigt, dass wir in der Lage sind, unsere Anlagen flexibel regional zu regeln. Doch außerhalb von Forschungsprojekten muss das regulatorisch erst noch ermöglicht werden. Mit der fortschreitenden Energiewende werden diese Lösungen immer wichtiger. Damit können auch Abregelungen von Anlagen in bestimmten Regionen vermieden werden.

Konventionelle Kraftwerke übernehmen ja nicht nur die Stromversorgung, sondern sind auch für die Regelleistung bzw. Frequenzhaltung sowie Blindleistung im Netz zuständig. Inwiefern können erneuerbare Energien dieses übernehmen?

Päffgen: Erneuerbare Energien leisten schon seit Jahren einen Beitrag zur Netzstabilität. Wir bieten mit unseren Anlagen in Form eines virtuellen Kraftwerks seit 2011 Regelenergie aus erneuerbaren Energien an – Primärregelleistung, Sekundärregel-leistung und Minutenreserve. Darunter sind Biogasanlagen, Wasserkraftanlagen, PtX-Anlagen, Batterien – sie alle können das tun, weil sie steuerbar sind. Auch für die Blindleistung gibt es alternative Technologien zu den Großkraftwerken. Hier wird zum Beispiel gerade die Leistung aus Wind- und PV-Anlagen geprüft.

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