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E-Radlader: Ein Beweis für regionale Autarkie

Energie- und Landwirt Kay Thomsen bezieht so gut wie keine Kilowattstunde Strom aus dem Netz. Einer seiner Hauptverbraucher ist ein selbst umgerüsteter E-Radlader.

Lesezeit: 8 Minuten

Ein Radlader Liebherr 508 stereo ist die am häufigsten genutzte Arbeitsmaschine auf dem landwirtwirtschaftlichen Betrieb von Kay Thomsen aus Boren im Kreis Schleswig-Flensburg an der Schlei. Dort muss er täglich die kleine Biogasanlage mit 150 kWel füttern oder auch mal Baumstämme bewegen.

Ursprünglich war der 17 Jahre alte Radlader mit einem 49 kW/67 PS Dieselmotor von John Deere ausgestattet. Etwa 6 l Dieselkraftstoff pro Stunde verbrauchte er bei der Arbeit. „Der Motor lief zuverlässig, doch irgendwann leckte und räucherte er. Das störte mich. Außerdem hatte ich eine Vision im Kopf: Ich wollte energieau­tark werden“, sagt Kay Thomsen.

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Gebrauchter Elektromotor aus Nissan Leaf

Also überlegte der Energiewirt, seinen Liebherr-Radlader mit einem elektrischen Antrieb auszustatten. Da der Hersteller einen solchen Antrieb nicht anbietet, musste er selbst aktiv werden. Thomsens Idee war, allein schon aus Nachhaltigkeitsgründen, einen gebrauchten Elektromotor sowie die Akkus aus einem E-Auto zu verwenden. „Ich dachte mir, die Komponenten eines Kompaktklasse-Pkw Nissan Leaf könnten infrage kommen“, so die Gedanken von Kay Thomsen. Bei seiner Suche nach Informationen und Unfallautos lernte er Alexander Lührmann von der Firma ESDI aus Herford in Nordrhein-Westfalen kennen. ESDI rüstet vornehmlich Oldtimer-Pkw zu Elektroautos um. Die Umrüstung des Liebherr 508 wurde ein Pilotprojekt.

Nachdem ein gebrauchter Nissan Leaf E-Motor mit 80 kW gefunden war, ging es an den Umbau. Anstelle des ursprünglichen Dieselmotors füllen nun Batteriepakete, der E-Motor und Elektronik den Motorraum im Heck des Radladers. Ein Adapter verbindet die Welle der Hydraulikpumpe im Liebherr-Radlader mit der Antriebswelle des nachgerüsteten Elektromotors. „Diese Verbindung ist eine Schwachstelle“, gesteht Kay Thomsen. Durch die Belastungen beim Arbeiten mit dem Radlader waren schon nach 200 Betriebsstunden die Zähne in dem Flanschadapter verschlissen.

Adapter für Antriebswellen verstärkt

„Die Zähne im Flansch sind weich, weil das Härten der speziellen Verzahnung schwierig ist“, gibt der Umrüster zu. „Andererseits ist es aber auch gut so. Denn ansonsten würde womöglich eine der Antriebswellen brechen. Der Verschleiß im Adapter ist eher verkraftbar“, sagt der Energiewirt.

Zusammen mit seiner Landmaschinenwerkstatt suchte Kay Thomsen nach einer Lösung. Problematisch ist die recht kurze Welle am Motor mit nur 4 cm Länge. Nachdem der Adapter nicht nur aufgesteckt, sondern zusätzlich auf der Wellenverzahnung verklebt und mit einer Schraube fixiert wurde, soll die Verbindung jetzt viel länger durchhalten.

Elektronik ausgetrickst

Ein weiteres, vorher nicht geahntes Problem betraf die Elektronik. Der Radlader ist nicht gefedert, und bei der Entnahme von Silage wird er manches Mal gut durchgerüttelt. Diese im Pkw bei Straßenfahrt nicht üblichen Stöße hielten die Kondensatoren im Batteriewechselrichter nicht aus. Hier konnte die Firma ESDI schnell Abhilfe schaffen. Die Elektronik des Nissan-E-Motors war ursprünglich nicht vergossen. Nun ist sie durch eine Vergussmasse geschützt, sodass es hier keine Schwierigkeiten mehr gab.

Die Leistungselektronik des E-Motors ließ der Umrüster ansonsten unangetastet. Jedoch sollte der Antriebsstrang auch nach dem Einbau in den Radlader weiterhin denken, er sei in einem Nissan Leaf. Hierfür entwickelte Alexander Lührmann ein eigenes Steuergerät, das die entsprechenden CAN-Bus-Informationen ausgibt und den vollen Funktions- und Sicherheitsumfang des Motors erhält. Außerdem begrenzte er die Leistung des Motors auf 60 kW, da 80 kW für die Antriebstechnik im Liebherr 508 unter Umständen zu viel gewesen wären.

Gebrauchte Tesla-Akkus unter und auf der Haube

Den Strom für den Elektromotor liefern gebrauchte Akkus aus dem Tesla Model S mit insgesamt 85 kWh Speicherkapazität. Ein 30 kWh-Paket ist im Motorraum des Radladers eingebaut, und weitere 55 kWh-Speicher sind in einem Kasten auf dem Heck des Radladers untergebracht. Eine Akkuladung reicht für vier Stunden und bei weniger anstrengender Arbeit auch länger.

Die Akkus lassen sich über einen Gleichstromanschluss mit bis zu 20 kW Ladeleistung innerhalb weniger Stunden wieder aufladen. Alternativ ist auch langsames Laden mit Wechselstrom und einem 16 A-Stecker mit nur 4 kW Ladeleistung möglich. Über das Lademanagement an der Ladestation kann Kay Thomsen vorher festlegen, ob die Akkus zu 80 oder 100 % oder nur mit Überschussstrom geladen werden sollen. Außerdem lässt sich die Ladeleistung stufenlos regulieren.

Spannung muss immer im Blick sein

Wichtig ist, dass der Fahrer des Radladers während der Arbeit immer das Display des Batteriemanagements für die Stromversorgung des Elektromotors im Blick behält. Schließlich lässt sich ein leerer Akku nicht mit einem Reservekanister wieder füllen. Sondern es muss immer so viel Reststrom im Akku bleiben, dass der Radlader den Weg bis zur Ladestation schafft.

Das zusätzlich in der Kabine montierte Display zeigt den Ladezustand (state of charge, kurz SOC), die Hochvoltspannung bei Leistungsanforderung sowie die Batteriespannung und -temperatur an. Selbstverständlich sollte der SOC-Wert niemals auf 0 % sinken.

Aber auch die Hochvoltspannung darf laut Umrüster nicht unter 280 V fallen, sonst verweigert der Elektromotor seinen Dienst, wie Kay Thomsen einmal leidvoll erfahren musste. „Solche Fehler macht man nur einmal“, betont er. „Ich hatte beim Zusammenschieben von altem Gras und Erde nur auf den Ladezustand (SOC) geachtet. Der Wert fiel plötzlich von noch 60 % auf nur 19 %. Somit blieb ich aus Strommangel an einer Wiesenböschung außerhalb des Betriebsgeländes liegen.“

„Das war eine Folge der hohen Leistungsentnahmen. Ein Sicherheitsmechanismus schützt das Batteriesystem vor Schäden durch Tiefenentladung“, erklärt der Umrüster.

Radlader arbeitet effizient

Der Radlader „kämpft“ jeden Tag, wie der Energiewirt sagt. Täglich wird die Maschine bis zu zehnmal gestartet. Rund 970 Betriebsstunden hat der Radlader mit E-Motor in drei Jahren schon gearbeitet. Dabei verbrauchte er etwa 20 kWh Strom pro Betriebsstunde. Das heißt, pro Jahr braucht der Radlader bis zu 6.300 kWh Strom. Diesen Strom erzeugt Kay Thomsen mit Wind und Sonne komplett selbst.

Und noch einen Vorteil hat die Umrüstung: Der Energieverbrauch des Radladers ist deutlich gesunken – er beträgt nur noch rund ein Drittel des ursprünglichen Energiebedarfs. Das liegt an dem deutlich höheren Wirkungsgrad des E-Motors im Vergleich zum Dieselmotor. Der dieselbetriebene Radlader brauchte umgerechnet rund 60 kWh Energie pro Betriebsstunde.

Was uns sonst noch auffiel:

  • Der Radlader hat keine Straßenzulassung. Bei Umrüstung von Fahrzeugen mit Straßenzulassung arbeitet die Firma ESDI mit dem TÜV Nord zusammen.
  • Der Elektromotor und dessen Leistungselektronik sind wassergekühlt.
  • Der Umrüster ESDI kann aus der Ferne auf die Steuerelektronik im Radlader zugreifen.

Fazit: Gelungener Beweis für Umrüstung

„Die Umrüstung des Liebherr 508 stereo hat so viel gekostet wie der Radlader bei seiner Anschaffung selbst“, sagt Kay Thomsen. Dennoch bereut er nicht, diesen Schritt gegangen zu sein. Der Radlader arbeitet leise ohne zu räuchern und zudem deutlich energieeffizienter als mit dem ursprünglichen Dieselmotor. Regionale Energie-Autarkie, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind die Leitgedanken des Energiewirts aus Schleswig-Holstein. Zu beweisen, dass die Umsetzung möglich und keine Utopie ist, ist ihm mit seinem Beispiel gelungen. Sein nächstes Projekt ist die Umrüstung seines Fendt 718, der wie der Radlader täglich im Einsatz ist.




Reportage: Die Stromerzeugung im Betrieb Thomsen

Den Strom für den Radlader sowie für die insgesamt fünf Elektroautos der Familie erzeugen eine kleine Windkraftanlage mit 30 kW Nennleistung und Photovoltaikanlagen mit 50 kWp. Insgesamt verbrauchen der Radlader, die Autos, der landwirtschaftliche Betrieb und der Haushalt rund 100.000 kWh Strom im Jahr. Um diesen hohen Verbrauch vollständig mit selbsterzeugtem Strom abdecken zu können, hat Kay Thomsen stationäre Batteriespeicher installiert, die zusammen rund 225 kWh Überschussstrom zwischenspeichern können. Auch hierfür hat er gebrauchte Tesla-Akkus verwendet.

Der 75 kWh-Akku aus dem Tesla Model 3 im Batteriehaus an der kleinen Windkraftanlage nimmt Lastspitzen auf. Das Energiemanagementsystem speist die kurzfristig, bei starken Böen anfallende hohe Strommenge mit bis zu 35 kW Leistung direkt in die Batterie ein. Die mittlere Verbrauchsleistung des Hofes beträgt hingegen nur 7 kW. Also reduziert das Energiemanagement die Entladeleistung entsprechend, sodass die geladene Batterie permanent wenig Leistung abgibt, egal wie viel die kleine Windenergieanlage produziert. Zusätzlich speichern Pufferbatterien mit insgesamt 150 kWh Kapazität weiteren Überschussstrom der Windenergieanlage und den Strom von den PV-Dächern. Diese Batterien stammen aus dem Tesla Model S.

Das Zusammenspiel zwischen den Batterien muss gut abgestimmt sein. Ist die Pufferbatterie voll, kann die Windkraft-Batterie ebenfalls PV-Strom speichern. Um dies umzusetzen, hat Kay Thomsen keine Kosten und Mühen gescheut. Allein die Windkraft-Batterie mit Haus und Elektroanschluss hat 19.000 € gekostet.

Den Strom der Biogasanlage vermarktet Kay Thomsen über einen Stromhändler direkt. Die Biogasanlage ist auch der einzige Verbraucher des Betriebs, der noch immer Strom aus dem Netz bezieht: rund 5 kWh pro Jahr für das Starten der BHKW-Motoren.

Das Energiemanagement kann Kay Thomsen am PC oder an Tablets einsehen. In dem Managementsystem könnte er auch die Stromproduktion, z.B. bei einem Stromausfall, auf Inselbetrieb umschalten. Dann müsste jedoch auch die Biogasanlage vom Netz gehen, und das Gas müsste abgefackelt werden. Insofern ist Kay Thomsen trotz seiner Stromautarkie weiterhin auf den Netzbetreiber angewiesen. Denn schließlich will er seinen selbsterzeugen Strom nicht nur selbst verbrauchen, sondern auch möglichst viel davon verkaufen.

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