Als „wichtigen Durchbruch für die Biogasbranche“ bezeichnet Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie, den Entwurf zum Biomassepaket, der am Mittwoch im Ausschuss für Energie und Klima des Deutschen Bundestages beschlossen wurde und am Freitag ins Parlament eingebracht wird.
In intensiven Verhandlungen hätten die Fraktionen auf den letzten Metern noch wichtige Verbesserungen an dem Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) vorgenommen. Der ursprüngliche von der Branche als misslungen erachtete Vorschlag aus dem BMWK hatte jedoch zu viele Baustellen, die in der Kürze der Zeit nicht umfassend aufgearbeitet werden konnten. Daher muss die nächste Regierung dringende Korrekturen vornehmen.
Was sich jetzt ändern soll
Durch die Anhebung des Ausschreibungsvolumens auf 1.300 MW in 2025 und 1.126 MW in 2026 (zzgl. des nicht bezuschlagten Volumens aus der Biomethan-Ausschreibung) in Kombination mit dem von 65 auf 100 Euro/kW erhöhten Flexibilitätszuschlag und der Verlängerung des zweiten Vergütungszeitraums erhalten Tausende bestehende Biogasanlagen grundsätzlich eine Perspektive als flexibles Rückgrat der Erneuerbaren Energieversorgung, wertet das Hauptstadtbüro die Einigung.
Auch hinsichtlich der Praktikabilität der neuen Anforderungen an die Flexibilisierung konnten wichtige Verbesserungen erzielt werden. Die abgesenkte Überbauungsanforderung ist mit einer dreifachen Überbauung immer noch ambitioniert, aber deutlich praxisnäher als die ursprünglich vom BMWK geforderte vierfache Überbauung. Auch wurde die Frist zur Umsetzung der Anforderungen auf 3,5 Jahre verlängert.
Zudem wurde zum Schutz kleinerer Bestandsanlagen eine Bagatellgrenze von 350 kW eingeführt, unterhalb der weiterhin eine doppelte Überbauung ausreicht. „Die erreichten Verbesserungen ermöglichen überhaupt erst, dass die skizzierte Vision eines flexibilisierten Biogasanlagenparks in greifbare Nähe rückt“, ordnet Rostek die Maßnahmen ein.
Was sich noch ändern muss
„Dennoch stellt der Bundestag die gesamte Branche vor eine Mammutaufgabe. Wir wollen flexibel und systemdienlich fahren – aber es muss eben auch wirtschaftlich und praktikabel sein.“ Klar ist aber auch: In der Kürze der Zeit war es laut Rostek nicht möglich, über die vielen verschiedenen Aspekte des Gesetzesentwurfs und ihre Wechselwirkungen fundiert zu diskutieren. So würde die fehlende Übergangsregelung für die Ausschreibungen in diesem Jahr sowie die drastische Systemumstellung bei der Vergütungsfestsetzung anhand von Betriebsviertelstunden die Branche vor große Herausforderungen stellen und werfe weiterhin fachliche Fragen auf.
Ein weiteres No-Go ist die aus Sicht der Branche kontraproduktive erneute Absenkung des Maisdeckels: „Wir kritisieren massiv die sachlich nicht begründbare erneute Begrenzung des Maisdeckels. Das ist unnötige Symbolpolitik nicht nur auf Kosten der Wirtschaftlichkeit der Anlagen, sondern auch zu Lasten des eigentlichen Jobs, den diese übernehmen sollen. Energiedichte Substrate wie der Mais sind gerade im Winter unverzichtbar, um die Dunkelflauten dann auch sicher abdecken zu können“, führt Rostek aus.
Das Resümee
Unterm Strich bleibe die Zukunftsperspektive also noch schemenhaft, resümiert die Verbandsvertreterin. „Das Biomassepaket war ein entscheidender Schritt. Die neue Bundesregierung muss jedoch zügig den eingeschlagenen Weg weiter beschreiten. Der Reformstau in der Branche ist enorm. Die Regularien für die Flexibilisierung von Biogas sind noch nicht ausgewogen; von Holz oder Biomethan war in diesem Paket nicht einmal die Rede. Auch die Situation von kleinen güllebetonten Anlagen muss direkt in der neuen Legislaturperiode auf den Prüfstand. Es bleibt also weiterhin viel zu tun - die Kuh ist noch nicht vom Eis“, schließt Rostek.
Probleme aus der Praxis
Die Vorschläge aus Berlin sorgen auch in der Praxis für gemischte Gefühle, wie top agrar-Leser berichten:
In vielen Regionen sind die Stromnetzkapazitäten erfüllt. „Ich kann nicht weiter flexibilisieren, weil das Stromnetz derart voll ist, dass ich nicht einspeisen darf. Vom Netzbetreiber wurde ein Zeitkorridor von 8 bis 10 Jahren in den Raum gestellt, bis der Netzengpass behoben ist“, schildert uns ein Anlagenbetreiber.
Immer noch nicht geklärt ist für viele norddeutsche Anlagenbetreiber die unsichere Lage zur Vergütungshöhe. Denn die EWE Netz will Betreibern, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, nur die Vergütungskomponente zahlen, die vom Netzbetreiber im Schnitt der letzten drei Jahre ausgezahlt wurde. Erlöse über die Direktvermarktung sollen bei der Festlegung der Vergütung keine Rolle spielen. „Das wird wohl erst gerichtlich geklärt werden müssen“, befürchtet ein Anlagenbetreiber.
Schon jetzt befürchten einige Betreiber Lieferengpässe bei den BHKW, die zur Flexibilisierung nötig sind. Wenn jetzt Hunderte Anlagen in kurzer Zeit wegen des höheren Volumens einen Zuschlag erhalten und schnell umbauen wollen, könnte sich das Problem verschärfen und die Umsetzungsfrist zu knapp werden.
Die Probleme in der Praxis zeigen, dass trotz des höheren Ausschreibungsvolumens noch viele Fragen offen sind.
So sieht es die Bundesregierung
Die Perspektive eines wirtschaftlichen Weiterbetriebs einer Biogasanlage nach dem Ende der EEG-Förderung hängt immer von den betriebswirtschaftlichen Umständen im jeweiligen Einzelfall ab. Das erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14584) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu den Perspektiven der Energieerzeugung aus Biogas. 4.979 Biogas-Anlagen und 180 Biomethan-Anlagen werden nach Angaben der Regierung bis 2030 das Ende des zwanzigjährigen Förderzeitraums nach dem EEG erreichen.
Biomasse bleibe aber eine begrenzte und wertvolle Ressource. Gerade im Vergleich zur günstigen und zunehmenden Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen sei die reine Stromgewinnung aus Biomasse sehr teuer, heißt es in der Antwort. Ihre Chance im klimaneutralen Stromsystem liege daher vor allem im flexiblen Einsatz.
„Perspektivisch heißt das aber auch, dass Biomasse ihre Möglichkeiten zum flexiblen Einsatz und zur Ergänzung von Wind und Sonne voll ausspielen muss, um neben Solar- und Windenergie wettbewerbs- und förderfähig bleiben zu können“, schreibt die Bundesregierung.
Deswegen würden die vorgeschlagenen Änderungen deutlich wirksamere Anreize für einen flexiblen und systemdienlichen Betrieb der Anlagen setzen. Ziel sei, dass die Biogasanlagen insbesondere dann einspeisen, wenn die volatilen Energieerzeuger Wind und Photovoltaik nicht ausreichend Strom bereitstellen können.