Während Windräder im Norden ihren Strom nicht loswerden, springen zeitgleich teure Gaskraftwerke im Süden an: Es liegt auf der Hand, dass Höchstspannungsleitungen im Übertragungsnetz fehlen. Doch die geplanten Erdkabel betrachten viele Landwirte skeptisch. Betroffene fragen sich nicht nur, wie sich die Erwärmung der Kabel auf Pflanzen, Bodenstruktur und Wasserhaushalt auswirkt. Viele fragen sich, wie der Bau abläuft und wie die Entschädigung geregelt ist. Wir haben uns für Sie umgehört.
Der Stromleitungsbau boomt
Insgesamt ist in Deutschland ein Ausbau von rund 16.800 km Trassen für das Hochspannungsstromnetz beschlossen. Von den Trassen in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur sind bereits 2.700 km genehmigt, rund 1.100 km davon sind Erdkabel. Für viele Landwirte keine guten Aussichten: Quer durch die Landschaft entstehen bis zu 1,60 m tiefe Gräben, die Großbaustelle ist 20 bis 40 m breit.
Erdkabel oder Freileitung?
Weil die Erdkabel so stark in den Boden eingreifen, würden viele Landwirte die Freileitung bevorzugen. Dafür sprechen sich auch die Bauernverbände aus. Die Gründe:
Die Freileitungstechnik ist seit über 100 Jahren bekannt. Wie reparaturanfällig die neuen Erdkabel sind, weiß heute keiner. Besonders sensibel sind die Muffenstationen, wo die Höchstspannungskabel im Abstand von 1.000 bis 1.300 m verbunden sind.
Eine Freileitung kann die beim Stromtransport entstehende Wärme leicht abgeben. Bei Erdkabeln erwärmt sich der umgebende Boden.
Es gibt noch jede Menge Forschungsbedarf, z. B.: Wie wirkt sich die Wärme auf die Pflanzen aus? Welche Auswirkung hat das Bettungsmaterial der Kabel auf die Wasserführung?
Ein Erdkabel ist je nach Gelände deutlich teurer als eine Freileitung. Bei der Leitung Wahle-Mecklar geht der Netzbetreiber TennetTSO z. B. von fast zehnmal so hohen Kosten aus.
Gerade wegen der immensen Kosten keimt immer wieder die Hoffnung auf, dass sich die Politik vom Erdkabel verabschiedet. Der Erdkabel-Vorrang trat für bestimmte Trassen im Jahr 2015 auf Druck von Bürgerinitiativen in Kraft. Jetzt wieder umzusteuern, würde teuer, denn die Planung vieler Erdkabel ist bereits abgeschlossen. Für die langen Gleichstromleitungen (HGÜ) wie dem SuedLink ist deshalb davon auszugehen, dass es beim Erdkabel bleibt. Wechselstromtrassen verlaufen meist nur kurz unterirdisch, z. B. in der Nähe von Wohnbebauung. Erdkabel können auch für Landwirte von Vorteil sein: „Freileitungen ziehen ein weiträumiges Bauverbot nach sich, für Wohnbebauung sind das 400 m auf beiden Seiten der Leitung, bei Streusiedlungen je 200 m,“ so Achim Hübner vom Landvolk Göttingen, „dieses Bauverbot könnte z.B. auch Ställe verhindern.“
Wie die Verfahren ablaufen
Die Planung der großen Stromtrassen wird immer schneller. Sind mehrere Bundesländer betroffen, legt die sog. Bundesfachplanung einen etwa 1.000 m breiten Trassenkorridor fest. In den Antragsterminen können sich die Betroffenen zum Trassenverlauf etc. äußern. Es folgt das Planfeststellungsverfahren mit Festlegung des Leitungsverlaufs, Vorschriften zum Bodenschutz etc.. Landwirte und Eigentümer sollten hier unbedingt eine Stellungnahme einreichen, rät Achim Hübner vom Landvolk. Sonst haben sie später kaum Ansatzpunkte, sich gegen den Trassenverlauf zu wehren. Das kann z. B. zu Problemen führen, wenn die Trasse zu nah am Betrieb ist, Drainagen kreuzt etc. Nach der Bauphase folgt die Rekultivierung z. B. durch Anbau von Zwischenfrüchten wie Luzernen, teils folgt noch eine Zwischenbewirtschaftung.
Erwärmung, Bodenverdichtung: Was Erdkabel bedeuten
Sind Erdkabel im Boden, dürfen Landwirte auf dem Schutzstreifen u. a. keine Bäume pflanzen oder Gebäude bauen. Wenn Sie tiefwurzelnde Nutzpflanzen wie Spargel oder Wein anbauen, sprechen Sie dies beim Netzbetreiber an. Auch ob Sie z. B. landwirtschaftliche Mieten mit Zuckerrüben über dem Erdkabelgraben anlegen, dort Weidehütten bauen oder Kulturen mit Vliesen abdecken dürfen, sollten Sie abklären.
Wie sich die Erwärmung und die Zerstörung der Bodenstruktur auf den Ertrag auswirken, hat u. a. die Uni Göttingen mit dem Ingenieurbüro Geries und TennetTSO in einem Versuchs-Erdkabelgraben mit künstlich erwärmten Leitungen im Boden untersucht. Es ergaben sich in Ertragseinbußen von 5 bis 15 % in Winterweizen und Wintergerste. Dabei stellten Dr. Hartmut Geries und sein Team keine Unterschiede zwischen Warm- und Kaltversuch fest. Die Erwärmung der Leitungen führte aber zu einer ca. 2 Grad höheren Temperatur im Oberboden in 30 cm Tiefe, die im Jahr 2023 auf der Testfläche zu einer ein bis zwei Wochen verfrühten Abreife des Bestandes führte. Dieser Effekt blieb 2024 aus. Weitere Ertragserhebungen und ergänzende Untersuchungen werden seit 2022 auf einem Erdkabelabschnitt der Trasse Wahle-Mecklar erhoben.
Viele Landwirte weisen darauf hin, dass das Testfeld unter optimalen Bodenbedingungen gebaut ist. Schwierig sei auch, die Ursachen der Ertragsveränderungen auseinander zu halten, wie z. B. die Wirkung von Vorbegrünung und dem anschließenden Luzerneanbau.
Bodenschutz beim Bau
Die Bodenkundliche Baubegleitung (BBB) erstellt für den Trassenbau z. B. ein Bodenschutzkonzept, kartiert den Boden vor und nach der Baumaßnahme zur Beweissicherung und dokumentiert die Maßnahmen während des Baus. Nach Bauabschluss gibt der Bewirtschafter das Abnahmeprotokoll der BBB frei. Welches Gewicht die Stimme der BBB auf der Baustelle hat, ist z.B. Bestandteil der Planfeststellung.
Der Bodenschutz beginnt häufig schon vor dem Trassenbau mit der Anlage einer Grasnarbe auf dem Arbeitsstreifen. Das soll z. B. Hamster vergrämen und die Tragfähigkeit verbessern. Beim Bau ist z. B. wichtig,
die Bauarbeiten ruhen zu lassen, wenn der Boden wassergesättigt ist;
die Baustraßen mit Stahlplatten oder Schotter und Flies zu errichten;
Ober- und Unterboden aus dem Graben mit dem Bagger sorgsam getrennt zu entnehmen und zu lagern;
bei nassen Bodenbedingungen den Bau zu stoppen – die BBB kann auch feuchtigkeitssensible Bereiche in den Bauzeitenplänen berücksichtigen oder evtl. eine Drainage rechts und links des Leitungsgrabens veranlassen –
und
beim Verfüllen Unter- und Oberboden vorsichtig getrennt einzubauen.
Was erhält der Eigentümer?
Netzbetreiber müssen für jedes Flurstück eine Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen. Für diesen sogenannten Schutzstreifen wird eine Entschädigung gezahlt. Die Schäden im wesentlich breiteren Arbeitsstreifen erhalten eine gesonderte Vergütung. Der Eigentümer erhält für den Schutzstreifen:
gesetzlich festgelegte Vergütung,
eventuell zusätzliche Vergütung aus Rahmenverträgen der Bauernverbände plus
eventuell individuell mit dem Netzbetreiber ausgehandelte Zahlungen.
Die gesetzliche Vergütung regelt seit 2019 das Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsbaus. Die Sätze gelten nur für Höchstspannungsleitungen nach Bundesbedarfsplangesetz und Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLag). Eigentümer erhalten für Freileitungen 25 % vom Verkehrswert des Bodens, für Erdkabel 35 %.
Dazu kommt ein Beschleunigungszuschlag, der wiederum 75 % der Dienstbarkeitsentschädigung beträgt, mindestens jedoch 0,5 €/m² und max. 2 €/m². Den Zuschlag erhält der Eigentümer, wenn er spätestens acht Wochen nach erstmaligem Zugang der schriftlichen Angebotsunterlagen durch den Netzbetreiber die Dienstbarkeitsbewilligung notariell beglaubigen lässt. Für den Aufwand gibt es pauschal 500 € Aufwandsentschädigung. Bei Freileitungen gibt es zusätzliche Entschädigungen für den Maststandort. Wer die Prozentsätze durchrechnet (siehe Übersicht 1) stellt fest, dass es je laufendem Meter Freileitung eine höhere Entschädigung als für Erdkabel gibt – angesichts der Belastungen durch ein Erdkabel kaum nachvollziehbar. Ursache ist die im Grundbuch eingetragene Schutzstreifenbreite von 40 bis 70 m für Freileitungen und nur 15 bis 25 m für Erdkabel.
Entschädigung für Pächter
Für Pächter ist vor allem die Entschädigung für Ertrags- und Folgeschäden wichtig – die Rahmenvereinbarungen sehen hier unterschiedliche Sätze vor. Wichtig ist, dass der Netzbetreiber auch in den Jahren nach dem Bau Ertragschäden übernimmt. Deshalb sollten Sie keinesfalls eine abschließende Entschädigungszahlung unterschreiben.
Rahmenvereinbarungen
In den Rahmenvereinbarungen haben einige Landesbauernverbände deutliche Verbesserungen über die gesetzliche Regelung hinaus ausgehandelt. Je nach Rahmenvereinbarung profitieren die Landwirte zum Beispiel von mehr Bodenschutz, pauschaler Entschädigung für Ertragsausfälle, aktuelleren Verkehrswerten und längeren Fristen, etwa für den Beschleunigungszuschlag. Die Vereinbarungen enthalten auch Nachentschädigungsklauseln für den Fall, dass vor Inbetriebnahme neue gesetzliche Entschädigungsregeln in Kraft treten. Allerdings ist niemand verpflichtet, die Vereinbarung zu unterschreiben. Es ist zum Beispiel auch möglich, mit einem privaten Rechtsanwalt einen eigenen Vertrag auszuhandeln. Allerdings sind nicht alle Netzbetreiber in gleichem Umfang bereit zu Vertragsverhandlungen und auch nicht jeder Landesbauernverband bietet eine Rahmenvereinbarung an.
Wann wieder ackern?
Ist der Graben verfüllt, folgt die Rekultivierung und eine bis zu dreijährige Zwischenbewirtschaftung, die vom Netzbetreiber entschädigt wird. Auf Sandböden kann die Dauer kürzer sein. Dr. Volker Wolfram, erfahrener Gutachter und Sachverständiger aus Guxhagen geht aus seiner langjährigen Praxis heraus davon aus, das die Schäden über einen Zeitraum von mindestens 10 bis 15 Jahren andauern. Er macht aber auch klar, dass es stark auf die Sorgfalt des Bewirtschafters bei der Rekultivierung und in den ersten Jahren nach der Leitungsverlegung ankommt.