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Erste Bio-LNG-Anlage startet Produktion

Im September startete auf einer Biogasanlage in Darchau die deutschlandweit erste Bio-LNG-Produktionsanlage. Dort produziert sie nun dezentral aus Gülle und Mist bis zu 3 t Bio-LNG täglich.

Lesezeit: 8 Minuten

Im niedersächsischen Darchau östlich der Elbe betreibt Ruhe Agrar über die zur Unternehmensgruppe gehörende Agrarvereinigung e.G. Darchau eine Biogasanlage mit einer Leistung von 2,7 MWel. Über ein Fernwärmenetz versorgt die Anlage auch 280 Haushalte mit Wärme. Nun ist mit der Inbetriebnahme der Green Line Liquid Anlage von Ruhe Biogas ein Geschäftsfeld hinzugekommen: Die Produktion von verflüssigtem Biomethan, kurz Bio-LNG genannt, wobei LNG für Liquefied Natural Gas steht.

Mitte September hat Ruhe Biogas die Anlage mit einer Produktionsleistung von bis zu 3 t Bio-LNG pro Tag angefahren. Diese Menge holt der Tankstellenbetreiber Q1 täglich per Tanklastzug ab, um seine LNG-Tankstelle in Hannover-Lehrte damit zu beliefern. Auf diese Weise kommt das Unternehmen seiner THG-Quotenpflicht nach.

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Anlagentechnik in Modulen

Die Green Line Liquid Anlage in Darchau erzeugt aus 270 Nm³ Rohbiogas stündlich 105 kg Bio-LNG. Sie hat dabei eine elektrische Leistungsaufnahme von ungefähr 210 kW. Darüber hinaus bietet Ruhe Biogas größere Anlagen an, die je nach Ausstattung bis zu 1.000 Nm³ Biogas pro Stunde verarbeiten können, oder auf Wunsch auch mehr.

Die Anlagentechnik umfasst sowohl die Vorbehandlung des Rohbiogases und die Aufbereitung zu Biomethan als auch die anschließende Methanverflüssigung zu Bio-LNG und einen Lagertank plus Übergabestation für das Befüllen von Tanklastzügen. Darüber hinaus bietet Ruhe Biogas Service eine Anlage zur Verflüssigung von Kohlendioxid (CO2) einschließlich Lagertank an.

Fakten zu Bio-LNG

• Bio-LNG ist ein flüssiger Kraftstoff mit hoher Energiedichte. Sein Heizwert liegt bei 13,7 kWh/kg, der von Mineralöldiesel bei 11,8 kWh/kg. Jedoch bezogen auf das Volumen erreicht LNG nur ca. 60 % des Energiegehalts von Dieselkraftstoff.

• Dem Bio-LNG aus Gülle und Mist werden bis zu 100 g CO2äq/MJ gutgeschrieben. Im Vergleich dazu verursacht das Verbrennen von Mineralöldiesel Treibhausgase von rund 94 g CO2/MJ.

• Aus dem in Deutschland anfallenden Wirtschaftsdünger (ca. 170 Mio. t Frischmasse) ließen sich durch Vergären in Biogasanlagen mit anschließender Methanaufbereitung und -verflüssigung jährlich rund 3,1 Mio. t Bio-LNG erzeugen und so etwa 37 % des Energieverbrauchs im Schwerlastverkehr decken.

Schritt 1 zum Bio-LNG: die Vorbehandlung

In der Vorbehandlung wird das Rohbiogas zuerst durch ein Aktivkohlebett geleitet. Die Kohle adsorbiert Schwefelwasserstoff (H2S) und flüchtige organische Verbindungen aus dem Gas. Dann erhöht ein Gebläse den Druck des Gases auf rund 200 mbar. Ein Kühlaggregat mit Wärmetauscher kühlt das Biogas, und Kondensat wird abgeschieden. Anschließend durchströmt das gefilterte Gas eine Trocknungsanlage und das Gas wird entfeuchtet.

Von dem Aktivkohlefilter geht das Gas durch ein weiteres Kühlgerät und einen zweiten Kondensatabscheider. Ein Gebläse hält den Anlagendruck auf 50 mbar und sorgt so für einen positiven Fluss.

Das nun schon entfeuchtete Gas durchströmt jetzt noch Trocknungsbetten, die mit Calciumcarbonat den Wassergehalt im Gas auf unter 10 ppm bzw. einen Taupunkt unter -10 °C senken. Erst wenn das Gas so trocken ist, geht es weiter zur Biomethan-Aufbereitung. Konnte der Taupunkt nicht erreicht werden, lässt die Anlagensteuerung das Gas wieder zurück zur Gas-Trocknungsanlage fördern.

Schritt 2 zum Bio-LNG: die Methan-Aufbereitung

Für die Biomethan-Aufbereitung nutzt Ruhe Biogas das Verfahren der Vakuum-Druckwechsel-Adsorption, das die im Biogas enthaltenen Gase Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) trennt. Dieses der LNG-Verflüssigung vorgeschaltete Verfahren hat den Vorteil, dass anschließend für die LNG-Produktion nur das Methan komprimiert und dann auf -155 °C gekühlt werden muss.

In drei parallel geschalteten Behältern finden die Adsorption von CO2, die Regeneration des Füllmaterials und die Druckbeaufschlagung statt. Jeder einzelne dieser drei Prozessschritte dauert fünf Minuten. „Der Prozess muss so langsam stattfinden, damit es keine Turbulenzen in den Behältern gibt“, erklärt Boris Drewes, Geschäftsführer bei Ruhe Biogas.

Die Behälter sind mit synthetischer Zeolithe gefüllt. Das Gas wird während der Adsorptionsphase mit 150 bis 180 mbar Druck durch die Behälter geschickt. Der Füllstoff in den Behältern hat die Eigenschaft, bei diesen Drücken CO2 zu binden. Das CH4 hingegen strömt ungehindert hindurch. Den nötigen Unterdruck für die Regeneration erzeugen fünf Vakuumpumpen. Eine Boosterpumpe unterstützt die anderen Pumpen beim Erzeugen des Vakuums.

Das aufbereitete Gas wird dann weiter zur LNG-Verflüssigung geschickt. Das CO2-reiche Gas hingegen wird bei etwa 750 bis 800 °C durch das Verfahren der regenerativen thermischen Oxidation (RTO) wie Abgas nachbehandelt. Hierbei setzt sich das noch enthaltene restliche Methan von CH4 zu CO2 um.

Schritt 3 zum Bio-LNG: die Verflüssigung

Für die Verflüssigung erhöht ein Schraubenkompressor zunächst den Druck des Gases auf 14,5 bar. Um dem Gas weiteres Wasser sowie das restliche CO2 zu entziehen, geht es nun erst noch einmal durch eine Druckwechsel-Adsorptionsanlage (diesmal ohne Vakuum). Das Füllmaterial der drei Behälter ist auch hier synthetisches Zeolithen. Durch diese Feinreinigung sinkt der Wassergehalt im Gas von etwa 10 ppm auf unter 1 ppm und der Gehalt an CO2 unter 50 ppm. Das sind die Grundvoraussetzungen, um das Biomethangas verflüssigen zu können.

Von der Feinreinigung geht das Gas zur nächsten Druckstufe. Dort komprimiert ein Kolbenkompressor das Biomethan von vorher 14,5 auf 110 bar. Das komprimierte Gas wird danach über eine Kühleinheit vorgekühlt und anschließend zum Herzstück der Anlage, zur sogenannten Coldbox geleitet. Dort geschieht nun die Verflüssigung des Methangas nach dem Linde-Hampson-Verfahren. Das komprimierte Gas kühlt in der Coldbox auf mindestens -150 °C ab, indem es durch Drosselventile, die sogenannten Joule-Thomson-Ventile, gedrückt wird. Dabei kühlt das Gas stark ab, sodass es schließlich flüssig wird. Mit Temperatursensoren wird der Prozess in der Coldbox ständig überwacht. Auch diese Sensoren sind redundant vorhanden, um bei Ausfall eines Sensors den Betrieb der Anlage nicht unterbrechen zu müssen.

Wird z.B. beim Anfahrprozess die geforderte Temperatur im verflüssigten Gas noch nicht vollständig erreicht, leitet die Anlagensteuerung das flüssige Gas automatisch über einen Verdampfer, und das verdampfte Gas geht zurück zur Gas-Trocknungsanlage in der Vorbehandlung.

Schritt 4 zum Bio-LNG: Lagern und Tanken

Wie stark das Biomethan bei der Verflüssigung zum Bio-LNG verdichtet wurde, verdeutlicht die Leitung von der Coldbox zum Lagertank. Sie hat nur 15 mm Durchmesser.

Der zum Lieferumfang gehörende Lagertank für die Anlagen mit bis zu 3 t täglicher Bio-LNG Produktionskapazität fasst 60 m³. Dorthinein passen somit 26,1 t Bio-LNG. Der Behälter ist doppelwandig. Ähnlich wie bei den Tanklastzügen für den Transport des LNGs zur Tankstelle ist zwischen dem Innenbehälter aus Edelstahl und dem Außenbehälter aus Schwarzstahl ein luftleerer Raum, der die Wärmeübertragung aus der Umgebungsluft in den Innentank mit dem tiefkalten Flüssiggas verhindert.

Die LNG-Übergabestation der Green Line Liquid Anlage hat zwei parallele Tankanschlüsse. Das durch Turbulenzen beim Tanken entstehende sogenannte Boil-off-Gas wird über eine weitere Leitung vom Tankwagen in die Anlage zurückgeführt. Damit sich der Lagertank bei niedrigem Füllstand nicht zu stark erwärmt, sollte immer eine Restmenge von etwa 10 % im Tank bleiben.

Rechnen sich die Kosten?

Etwa 4 Mio. Euro (Preise ohne MwSt.) sind an Investitionskosten für die kleinste Green Line Liquid Anlage zu veranschlagen. Für die Errichtung der ersten Pilotanlage erhielt die Agrarvereinigung e. G. Darchau Zuschüsse in Höhe von 55 % der Investitionskosten aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Bis Ende des Jahres soll in Darchau zusätzlich das im Prozess anfallende CO2 verflüssigt werden. Das Anlagenmodul von Ruhe Biogas für die CO2-Verflüssigung wird weitere 1,8 Mio. Euro kosten. Flüssiges CO2 wird beispielsweise in der Industrie für die Herstellung von Schutzverpackungen benötigt oder findet auch in Gewächshäusern Anwendung. Auch für die Produktion von synthetischen Kraftstoffen, den sogenannten E-Fuels, wird CO2 gebraucht.

Ob sich die Investition rechnet, muss die Zukunft zeigen. Die THG-Quoten lassen sich momentan für rund 400 Euro pro t eingespartem CO2äq handeln. Demgegenüber stehen einerseits die Anschaffungskosten und andererseits die Kosten für den benötigten Strom. „Alle Kompressoren und Pumpen in der Anlage laufen Frequenzumrichter-gesteuert, so dass der Strombedarf ca. 1,95 bis 2 kWh pro kg LNG beträgt. Zum Vergleich: Große LNG-Produktionsanlagen liegen bei etwa 1,6 kWh/kg LNG“, sagt Boris Drewes.

Was sonst noch auffiel:

  • Ruhe Biogas hat die dem sogenannten Micro-Scale-Bereich zuzuordnende Green Line Liquid Anlage gemeinsam mit der italienischen Firma Ecospray Technologies entwickelt. Ecospray als Hersteller für Umwelttechnologie ist Lieferant der Technik. Das Unternehmen setzt sich vor allem für die Dekarbonisierung der Schifffahrt ein.
  • Der Hersteller garantiert für mindestens 95 % der Zeit einen störungsfreien Anlagenbetrieb.
  • Zwischenzeitliche Abschaltungen z.B. zu Wartungszwecken sollten nicht länger als einen Tag dauern, weil sich sonst die Behälter und alle anderen Anlagenkomponenten erwärmen. Die Temperaturänderungen würde das Material unnötig belasten.
  • Für den Fall eines Stromausfalls gibt es eine zum Lieferumfang gehörende Notstromversorgung, die dreißig Minuten lang die Stromversorgung für den Anlagenbetrieb aufrechterhält. Danach verhindern Sicherheitsarmaturen Überdruck im System durch sich ausdehnendes Gas.
  • Zur Steigerung der Produktionskapazität in den größeren Anlagen setzt Ruhe Biogas anstelle zweistufiger Kolbenkompressoren dreistufige ein.

Fazit: Interessante Option für Biogasanlagenbetreiber

Mit der Green Line Liquid Anlage von Ruhe Biogas lässt sich Bio-LNG im kleinen Maßstab erzeugen. So bleibt die Wertschöpfung in der Region. Das Potenzial des aus Mist und Gülle hergestellten Kraftstoffs ist groß, weil Mineralölunternehmen für das Erreichen der bis 2025 vorgegebenen Klimaziele ihren Beitrag durch Inverkehrbringen alternativer Kraftstoffe leisten müssen. Damit ist die Bio-LNG-Produktion eine interessante Option für Biogasanlagenbetreiber. Ob es sich rechnet und ob sich die Technik bewährt, kann die gerade in Betrieb gegangene Pilotanlage nun beweisen.

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