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Fachgespräch zur Kernenergie: Renaissance der Atomkraft bleibt eine Mär

Deutschland steigt aus, das Ausland baut neue Atomkraftwerke: Warum das nicht stimmt und welche Gefahren Laufzeitverlängerungen haben, zeigte ein Fachgespräch der Grünen.

Lesezeit: 6 Minuten

„Deutschland beschloss nach Fukushima das Aus für die Kernenergie – doch anderswo werden viele neue Reaktoren gebaut“: Das schreibt der Spiegel in seiner Ausgabe vom 6. März und wiederholt damit die in vielen Medien wiedergegebene Behauptung, es gäbe eine weltweite Renaissance der Atomkraft. Doch die Fakten sprechen dagegen. „Zwischen 2011 und 2020 sind weltweit 63 neue Atomkraftwerke in Betrieb gegangen, aber 59 abgeschaltet worden“, erklärt Mycle Schneider, Atomenergieexperte und Herausgeber des jährlichen „Word Nuclear Indudstry Status Report“. Wie Schneider auf dem Fachgespräch „10 Jahre nach Fukushima – Atomrisiko Europa?“ von Bündnis 90/Die Grünen am 11. März (dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Japan), deutlich machte, ist China derzeit das einzige Land, in dem nennenswert neue Atomkraftwerke gebaut werden – allein 37 von den 63 Neubauten in der Zeit nach Fukushima.

Anteil der Kernkraft am Energiemix sinkt seit Jahren

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„Wir haben heute 412 Reaktoren auf der Welt, in den letzten 30 Jahren hat es dabei kaum eine Veränderung gegeben“, machte er deutlich. Weitere Zahlen, die die Entwicklung verdeutlichen:

  • Der Anteil der Kernkraft an der globalen Stromproduktion ist von 17,5 % im Jahr 1996 auf etwas über 10 % im Jahr 2019 gesunken.
  • Allein Frankreich und die USA produzieren etwa die Hälfte des Atomstroms auf der Welt.
  • Im Jahr 2020 sind 0,4 GW an neuer Kernkraftleistung ans Netz gegangen im Vergleich zu 248 GW an erneuerbaren Energien.
  • Das Jahr 2019 war das erste weltweit, an dem erneuerbare Energien (ohne Wasserkraft) mehr Strom produziert haben als alle Kernkraftwerke zusammen.
  • Jeder achte Reaktor, der in den Bilanzen als „im Bau“ auftaucht, wird nicht fertiggestellt.

„Interessant ist auch, dass 9 von 10 Reaktoren in Atomwaffenstaaten gebaut oder von Firmen errichtet werden, die in Atomwaffenstaaten ansässig sind“, machte er auf einen sicherheitspolitischen Aspekt aufmerksam.

Wind und Solar deutlich konkurrenzfähiger

Auch die jetzt vielfach angepriesenen kleinen Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR), die in weniger als vier Jahren und damit sehr günstig gebaut werden könnten, seien laut Schneider eine Nebelkerze: Seiner Auswertung nach haben sich die geplanten Bauzeiten der zwei bislang erstellten SMR auf über 12 Jahre ausgedehnt. „Dazu kommt, dass die Stromgestehungskosten bei Atomkraftwerken seit 2009 um 33 % gestiegen sind, während sie bei der Windkraft um 70 %, bei der Solarenergie sogar um 90 % gefallen sind“, zeigte Schneider auf.

Außerdem habe sich gezeigt, dass die Atomkraft keineswegs verlässlich Strom produziert: Eine Analyse der französischen Reaktoren mache deutlich, dass jeder Reaktor im Schnitt an 96 Tage im Jahr wegen Reparaturen oder ungeplanter Stillstände keinen Strom produziert habe. „Auch in Deutschland haben Atomkraftwerke nur eine Auslastung von etwa 70 %. Es ist falsch, die Kernkraft als grundlastfähig anzusehen“, stimmte ihm Prof. Christian von Hirschhausen zu, Atomenergieexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung (DIW).

Gefährliche Laufzeitverlängerung

Hirschhausen kritisiert, dass beim European Green Deal in vielen Szenarien die Kernenergie konstant bis 2050 einen festen Anteil von rund 15 % der inländischen Energienachfrage decken soll. „Das ist nicht nur unnötig, sondern auch unrealistisch, da es für die vielen, 40 Jahre alten Reaktoren eine Laufzeitverlängerung geben müsste“, sagte er. Diese seien nicht nur teuer, sondern auch gefährlich. „Auch in anderen Ländern ist es möglich, die Laufzeitverlängerung zu vermeiden, ohne dass das Licht ausgeht. Der Strombedarf kann selbst im Januar durch erneuerbare Energien in Kombination mit Speichern und der Integration ins europäische Netz abgefangen werden“, zeigte er anhand von Szenarien. Er sieht Kernkraft auch nicht als CO2-neutrale Lösung an, um den Kohleausstieg schneller vollziehen zu können. „Die Kernkraft bleibt gefährlich. Das sieht man allein daran, dass sie nicht versicherbar ist“, unterstrich er. Dazu käme, dass die Betriebskosten von älteren Kernkraftwerken steigen. „Laufzeitverlängerungen sind daher nur über staatliche Subventionen möglich“, so der Experte.

Keine Ergänzung zu erneuerbaren Energien

Juliane Dickel, Atomenergieexperten beim BUND, sieht die Gefahr, dass Betreiber von Atomkraftwerken mit der Produktion von „Gelbem Wasserstoff“ eine Hintertür finden, um die Kraftwerke weiter laufen zu lassen. Laut Andreas Molin, Leiter der Abteilung "Allgemeine Koordination von Nuklearangelegenheiten" im österreichischen Umweltministerium, können Atomkraftwerke auch keine Brückentechnologie sein, sie seien nicht kompatibel zu erneuerbaren Energien. „Weil die Kernenergie extrem kapitallastig ist, muss ein Reaktor ohne Unterbrechung laufen und nicht im Lastwechselbetrieb, wie es für die Integration von erneuerbaren Energien nötig wäre“, erklärte er.

Immer noch viel Forschungsgeld

Trotz der offensichtlichen Nachteile und der sinkenden Bedeutung der Kernkraft zur Energieversorgung fließt immer noch viele Geld in die Forschung. „Im Energieforschungsprogramm bis 2020 sind 5,3 Mrd. € in die atomare Forschung geflossen. Für die gesamte restliche Energieforschung zu erneuerbaren Energien, Effizienz, Speichern usw. standen nur 5,9 Mrd. € zur Verfügung“, kritisiert Sylvia Kotting-Uhl, Grüne-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag.

Auch sie hält eine Laufzeitverlängerung für ein hohes Risiko: „Nach 30 Jahren Laufzeit steigt das Risiko für Störfälle exponentiell an. Die Druckwasserreaktoren verspröden wegen des ständigen Neutronenbeschusses.“ Darum sieht sie es sehr kritisch, wenn ein Druckwasserreaktor wie in Borssele/Niederlande aus dem Jahr 1973 mehr als 50 Jahre in Betrieb sein soll. Ihr Credo: „Die Laufzeitverlängerung von Uralt-Reaktoren ist unnötig, weil die Alternative mit erneuerbaren Energien vor uns liegt. Wir müssen Japan und anderen Ländern zeigen, dass die Energiewende möglich ist.“

Das aufgezeichnete Fachgespräch (rund 2 Stunden) können Sie hier abrufen: https://www.youtube.com/watch?v=C4dX3H9H34Q

"Kernkraft bleibt unzuverlässig und gefährlich"

„Auch in Deutschland hat es seit den 1960er Jahren eine Vielzahl von Störfällen gegeben, unter anderen in den Kernkraftwerken Greifswald, Unterweser, Philippsburg und Krümmel“, heißt es in dem DIW-Wochenbericht „Zehn Jahre nach Fukushima – Kernkraft bleibt gefährlich und unzuverlässig.“ Die Ausfallzeiten seien zwar geringer als in anderen Ländern, dennoch lägen diese sehr hoch, selbst bei den jüngeren Kraftwerken, die 2021 und 2022 vom Netz genommen werden.„Die hohen Sicherheitsrisiken und fluktuierende Fahrweise von Kernkraftwerken ist in der energiewirtschaftlichen Analyse bisher weitgehend vernachlässigt worden“, schreiben von Hirschhausen und seine Co-Autoren in den Bericht, den Sie hier abrufen können.

Sein Fazit: „Kernkraft ist seit jeher stark anfällig für Störungen und Unfälle, das zeigen nicht nur die Reaktorunglücke in Fukushima und Tschernobyl, sondern auch der tägliche Betrieb mit hohen Ausfallzeiten. Kernkraft ist als Energiequelle gefährlich und unzuverlässig und daher auch vom ökonomischen Standpunkt nicht zukunftsträchtig.“

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