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EU-Klimaschutzpaket

Falsche Anreize: Forscher kritisieren Nutzung von Holz und Biokraftstoffen

Mit dem Paket „Fit for 55“ würden in der EU mehr wertvolle Flächen für die Bioenergiegewinnung genutzt – auf Kosten von CO₂-Speicherung und Biodiversität. Die Holzbranche sieht das anders.

Lesezeit: 6 Minuten

Landnutzungs- und Klimaforscher kritisieren die EU-Pläne zur CO₂-Reduzierung im Rahmen des Pakets „Fit for 55“. In einem Kommentar im Fachjournal „Nature“ weist ein Team von Wissenschaftlern, darunter Dr. Thomas Kastner vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt, auf die Versäumnisse und Risiken der geplanten Regelungen hin.

Verlagerung der Nahrungsmittelproduktion

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Das „Fit for 55“-Paket enthalte viele sehr gute Ansätze – gleichzeitig würden durch falsche Anreize in der EU aber künftig noch mehr wertvolle Flächen für den Holz- statt Nahrungsmittelanbau sowie für die Gewinnung von Bio-Kraftstoffen genutzt. Dies treibe unter anderem die Auslagerung der Nahrungsmittelproduktion ins Ausland und damit die Abholzung von Wäldern weiter voran, so die Forscher. Die Förderung der Bioenergie wirke sich so negativ auf CO₂-Speicherung und Biodiversität aus.



Bis zum Jahr 2050 soll die Europäische Union klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Rahmen des europäischen „Green Deal“ das Maßnahmenpaket „Fit for 55“ auf den Weg gebracht − bis 2030 sollen so die CO₂-Emissionen in der EU um 55 % gegenüber dem Wert von 1990 reduziert werden. Nachdem im November eine Einigung für den Sektor Landnutzung erzielt wurde, gibt es deutliche Kritik von Forschern aus diesem Bereich.

In ihrem jetzt erschienenen Kommentar kritisieren fünf Wissenschaftler den im Maßnahmenpaket vorgesehenen Umgang mit Bioenergie. Sie weisen mit Nachdruck auf die verdeckten Gefahren hin, wenn in der EU und darüber hinaus künftig noch mehr Flächen für die Bioenergiegewinnung genutzt und dafür weitere Teile der Nahrungsmittelproduktion ins Ausland verlagert werden. Statt CO₂-Einsparung drohe in der EU und global der weitere Verlust von CO₂-Speichern und Biodiversität, so die Wissenschaftler.

„Biomasse ist nicht pauschal klimaneutral“



„Das Problematische am „Fit for 55“-Paket ist, dass der Anbau von Biomasse generell für CO₂-neutral erklärt und deshalb gefördert wird“, erläutert Thomas Kastner vom Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrum Frankfurt und fährt fort: „Bioenergie ist aber nicht CO₂-neutral. Die EU ignoriert die Folgen gesteigerter Landnutzung.

Einerseits stehen Flächen, die für die Produktion von Bioenergie genutzt werden, nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung.“ Lebensmittel müssten importiert werden, wofür in anderen Ländern wiederum Wälder abgeholzt würden. Das Problem werde so nur verlagert. Gleichzeitig fehlten zur Bioenergiegewinnung genutzte Flächen als CO₂-Speicher und Lebensraum für gefährdete Arten.


Nach Berechnungen der EU werden 2050 in Europa 22 Mio. ha Agrarland und damit 20 % aller Anbauflächen zur Produktion von Biokraftstoff genutzt. Für denselben Zweck und die Bewirtschaftung von Nutzwäldern verschwinde bis dahin etwa die Hälfte naturnaher Wiesenflächen. So verliere Europa in signifikantem Umfang Flächen, die zur Erhaltung der Artenvielfalt und als CO₂-Speicher von Bedeutung seien.

Falsche Anreize

Gleichzeitig würden falsche Anreize für Energie-Kunden gesetzt: „Die Industrie, Energie- und Transportunternehmen erhalten Emissionsgutschriften für die Nutzung von Bioenergie, unabhängig von den tatsächlichen Auswirkungen auf die CO₂-Bilanz. Dabei führt beispielsweise der Abbau von Holz zur Energiegewinnung nachweislich auf Jahrzehnte zu einer höheren CO₂-Konzentration in der Atmosphäre“, kritisiert Erstautor des Kommentars Timothy D. Searchinger vom Center for Policy Research on Energy and the Environment der Universität Princeton (USA).



Die Forscher sehen aber auch Potenziale, um bis 2050 bis zu 17 Mio. ha Anbauflächen „einzusparen“. Dazu müsste Europa unter anderem den Biokraftstoffverbrauch in moderatem Umfang auf das Level von 2010 senken. Der geringere Flächenverbrauch würde es erlauben, Moore zu renaturieren und Altwälder zu erhalten – als wichtige CO₂-Speicher und Raum für biologische Vielfalt.

Realistische Berechnung nötig



Um das „Fit for 55“-Paket zu verbessern und falsche Anreize zu reduzieren, plädieren die Forscher dafür, die CO₂-Bilanz von Bioenergie realistischer zu berechnen: „Die EU sollte die CO₂-Opportunitätskosten der Bioenergie – also das durch die Landnutzung entgangene CO₂-Speicher-Potenzial − in die Berechnungsgrundlagen für alle Klima- und Energiegesetze einbeziehen“, schlägt Kastner vor. „Landnutzung ist nie ‚umsonst‘, für das Klima und die CO₂-Bilanz hat sie immer einen Preis. Der muss in den EU-Klimazielen abgebildet sein. Nur so können die geplanten Maßnahmen effektiv den Klimaschutz und die Biodiversität fördern.“

Positiver Effekt auf die CO2-Bilanz

Mitunter wird beim Heizen mit Holz das entstehende Kohlenstoffdioxid kritisiert. Doch basiert dieser Kritikpunkt auf einer Betrachtungsweise, die den sogenannten CO₂-Kreislauf nicht beachtet bzw. bewusst ausblendet. Darauf weist der HKI Industrieverband Haus-, Heiz- und Küchentechnik e.V. hin.

Der CO2-Kreislauf besagt, dass das beim Heizen mit Holz freigesetzte Kohlenstoffdioxid von nachwachsenden Bäumen aufgenommen wird, sodass ein geschlossener Kreislauf entsteht. Beim Heizen mit Brennholz wird nur so viel Kohlenstoffdioxid freigesetzt, wie auch beim natürlichen Zersetzungsprozess von Holz im Wald entstehen würde. Zudem wird in Deutschland seit 300 Jahren eine nachhaltige Forstwirtschaft betrieben. Das heißt, es wächst mehr Holz nach, als entnommen wird. Daher spielt die Wachstumsgeschwindigkeit eines einzelnen Baumes keine Rolle. Es wird mehr Kohlenstoff gebunden als bei der Verbrennung abgegeben wird. Die Auswirkungen der Holzverbrennung auf die Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre sind laut HKI somit gleich Null.

Ganz anders verhält es sich bei den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas. Hier wird Millionen Jahre gebundener Kohlenstoff zusätzlich in die Atmosphäre ausgestoßen, mit den bekannten Folgen für die Erderwärmung. Der Einsatz von Holz in modernen Feuerstätten reduziert den Verbrauch von Öl und Gas und somit die Kohlenstoffdioxid-Emissionen aus fossilen Energieträgern.

Brennholz ist Nebenprodukt

Die deutschen Haushalte nutzen jährlich ca. 17 Mio. Festmeter Holz zur Wärmeerzeugung. Im Regelfall wird hierfür Kronen- oder Stammholz verwendet, das qualitativ schlechter gewachsen und daher für Möbel oder Bauholz nicht geeignet ist. Brennholz ist also Holz, das bei der notwendigen Durchforstung der Wälder oder in Sägewerken als Nebenprodukt anfällt.

Da jeder Festmeter Brennholz einen Energiegehalt von rund 240 Litern Heizöl besitzt, würden rein rechnerisch vier Mrd. l Öl eingespart. Zum Vergleich: Vier Mrd. l entsprechen der Kraftstoffmenge, die ca. 6 Mio. Kleinwagen jedes Jahr in Deutschland verbrauchen.

Ohne Brennholz wären Bauholz und Möbel teurer

Die Nutzung als Wärmeenergie ist somit eine sinnvolle Verwertung. Zudem stellt der Verkauf von Brennholz eine wichtige Einnahmequelle für Forstbetriebe und Sägewerke dar, da rund 50 % der geernteten Hölzer aufgrund der minderen Qualität nicht zu Möbeln oder Bauholz verarbeitet werden können. Werde dieses Restholz nicht als Brennholz, Pellets oder Holzbriketts verkauft, wären höherwertige Hölzer entsprechend teurer, da den Holzproduzenten und Sägewerken eine wichtige Einnahmequelle fehlen würde, so der Verband.

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