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Gasmangellage: Bürokratie behindert Biogasanlagen

Die Bundesregierung hat die Höchstbemessungsleistung bei Biogasanlagen aufgehoben. Rechtsanwalt Philipp Wernsmann aus Ibbenbüren gibt Tipps, wie Sie Gesetzeskonflikte vermeiden können

Lesezeit: 6 Minuten

Im Jahr 2022 hat die Bundesregierung beschlossen, dass Biogasanlagen mehr Strom und Gas produzieren dürfen, als ursprünglich genehmigt wurde. Denn die meisten Anlagen haben noch viel Potenzial und könnten die Leistung kurzfristig erhöhen.

Doch die Gesetzesänderung ist noch kein Freibrief. Denn hätte die Bundesregierung es ernst gemeint, hätte sie sich näher mit der Genehmigungspraxis und den vielen Auflagen beschäftigen müssen. Wir haben dazu mit Rechtsanwalt Philipp Wernsmann aus Ibbenbühren gesprochen, worauf Anlagenbetreiber achten sollten.

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Analog zu dem europäischen Plan „RePowerEU“ will auch die Bundesregierung Biogas als Ersatz für russisches Erdgas stärker fördern und hat die Höchstbemessungsleistung aufgehoben. Um was geht es dabei?

Wernsmann: Die Höchstbemessungsleistung hat der Gesetzgeber mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2014 für alle Biogasanlagen eingeführt. Damals wollte die Bundesregierung die Produktion von Biogas begrenzen, damit die vermeintlich teuren Anlagen bei Vergütungssätzen von ca. 20 bis 22 ct/kWh ihre Leistung nicht erweitern.

Die Höchstbemessungsleistung ist für jede Anlage individuell und legt die jährliche Strommenge fest, für die ein Anspruch auf EEG-Vergütung besteht. Mit der Novelle des Energiesicherungsgesetzes vom 08.10.2022 ist die Begrenzung jetzt bis Ende 2023 aufgehoben. Damit erhalten die Betreiber die EEG-Vergütung auch für den Strom, den sie über diese Grenze hinaus produzieren.

Das ist doch sehr positiv oder wie bewerten Sie das?

Wernsmann: Grundsätzlich ist die Aufhebung der Höchstbemessungsleistung zu begrüßen. Zumindest bis Ende 2023 können Anlagenbetreiber die Leistung ihrer Anlage erhöhen und erhalten dann auch die gesetzliche Vergütung nach dem EEG.

Da die Marktpreise an der Strombörse im Jahre 2022 in 7 Monaten unterhalb von 20 Cent/kWh lagen, dient das EEG als Sicherheitsnetz. Zu beachten ist aber, dass ab einer jahresdurchschnittlichen Leistung (=Bemessungsleistung) von mehr als 500 kW der Gülle- und Emissionsminderungsbonus entfällt und die Grundvergütung und der Nawaro-Bonus geringer ausfallen.

Sollten also im Laufe des Jahres die Strombörsenpreise sinken und die Stromerzeugung massiv ausgeweitet werden, so wird die EEG-Vergütung geringer ausfallen. Angesichts der gestiegenen Preise für die Substrate ist das bei der Einsatzplanung zu berücksichtigen. Durch Terminvermarktung oder flexible Stromerzeugung lassen sich aber höhere Preise erzielen.

Darf der Betreiber denn mehr Inputstoffe einsetzen? Auch die Menge ist ja oft im Genehmigungsbescheid gedeckelt.

Wernsmann: Je nach Verwaltungspraxis der Bundesländer und der Behörden sind in den Genehmigungsbescheiden die Einsatzstoffe und deren Mengen verbindlich festgelegt. Wechsel der Einsatzstoffe waren teilweise mit einer Anzeige nach § 15 BImSchG möglich. Für Erhöhungen der Einsatzstoffe wurde bisher in der Regel eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG gefordert.

Insbesondere der Nachweis der Gärrestlagerung und -verwertung hat bisher zu zeitraubenden Genehmigungsverfahren geführt. Werden die verbindlichen Vorgaben des Genehmigungsbescheides nicht eingehalten, kann die Behörde den Betrieb insoweit untersagen.

Welche Möglichkeiten hat denn der Betreiber, unkompliziert von der Aufhebung der Höchstbemessungsleistung zu profitieren?

Wernsmann: Bisher hat der Gesetzgeber für Biogasanlagen, anders als beispielsweise für Windenergieanlagen, keine ausdrücklichen gesetzlichen Erleichterungen vorgesehen. Das bedeutet: die Fachgesetze und Regeln wie TA-Luft, DüngeVO oder die Verordnung über Anlagen im Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) sind weiterhin einzuhalten. Dementsprechend gilt die neunmonatige Lagerkapazität für Gärrest weiter.

Lediglich die bauplanungsrechtliche Grenze von max. 2,3 Nm³ Biogaserzeugung jährlich für privilegierte Biogasanlagen im Außenbereich ist bis Ende 2024 aufgehoben.

Gibt es denn keine Erleichterungen für Anlagenbetreiber, die jetzt wie vom Gesetzgeber gewünscht die Stromproduktion erhöhen wollen?

Wernsmann: Doch, die gibt es. Die Vollzugshinweise der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI, letzter Stand vom 31.10.2022) sehen die Möglichkeit des Anzeigeverfahrens vor, wenn bestimmte Vorgaben eingehalten werden. Zunächst soll es nur für temporäre Leistungserhöhung gelten, für die keine baulichen Veränderungen erfolgen müssen. Weiterhin müssen die Gasfackel und die BHKW für die erhöhten Gasmengen ausgelegt sein.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass die Vorgaben der Vorgaben der TA Luft zur hydraulischen Verweilzeitdauer bzw. zum Restgaspotenzial der Gärreste unverändert eingehalten werden und die ordnungsgemäße Verwertung der Gärreste sichergestellt sein muss.

Wie soll der Anlagenbetreiber also vorgehen?

Wernsmann: Ich empfehle, die Anzeige unter Beachtung der der von der LAI genannten Punkte einzureichen. Einzelne Bundesländer haben bereits entsprechende Formulare bereit gestellt. Insbesondere zur Verweilzeit und Gärrestlagerkapazität und -verwertung muss sich der Anlagenbetreiber Gedanken machen.

Was kann passieren, wenn der Anlagenbetreiber die Leistung einfach so erhöht?

Wernsmann: Davor ist zu warnen: Wer mehr Biogas produziert als genehmigt, begeht entweder eine Ordnungswidrigkeit oder bei BImSchG-genehmigungsbedürftigen Anlagen möglicherweise sogar eine Straftat. Ob Behörden oder Staatsanwaltschaft jetzt ein Auge zudrücken werden, kann man nicht sagen. Im schlimmsten Fall werden die zusätzlichen Erlöse, die der Anlagenbetreiber mit der nicht genehmigten Leistung erzielt hat, von der Staatsanwaltschaft ganz oder teilweise eingezogen.

Gibt es weitere Erleichterungen für Anlagenbetreiber?

Wernsmann: Wer z.B. eine Biogasanlage flexibilisieren will und deswegen jetzt einen Antrag auf Erweiterung nach § 16 oder Repowering § 16b BImSchG stellt, kann sich auf § 31g BImSchG berufen: Wegen der Gasmangellage kann die Behörde trotz einzelner noch fehlender Unterlagen die Genehmigung erteilen. Nach § 31i oder § 31g BImSchG ist der Betrieb des BHKW möglich, auch wenn Ad Blue für die Abgasreinigung fehlen sollte und damit die Grenzwerte der TA Luft bzw. der 44. BImSchV nicht eingehalten werden. Dafür reicht ein einfacher Antrag bei der Behörde.

Auch mit dem §16 b soll sich die Genehmigung beschleunigen: Bei der Modernisierung von Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung, wozu auch Biogasanlagen zählen, soll die Behörde besonders schnell vorangehen und nicht alles prüfen müssen. So wäre denkbar, dass z.B. bei Errichtung eines weiteren BHKW zur flexiblen Stromerzeugung nur die Lärmentwicklung bei Nachbarn vor Ort zu prüfen ist, aber nicht naturschutzfachliche Gutachten.

Wie lautet jetzt Ihr Fazit: Kann Biogas zur Bewältigung einer Gasmangellage beitragen?

Wernsmann: Technisch ja. Aber wenn die Behörden die Praxis der letzten Jahre weiterführen, wird die gewünschte ‚Entfesselung‘ von Biogasanlagen unter bürokratischem Papier erstickt werden.

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