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Gutachten zum EEG: Kürzung des Biogas-Flexzuschlags ist verfassungswidrig

Mit einer unerwarteten Änderung im EEG zum Flexzuschlag fällt die Bundesregierung Tausenden Biogasanlagen in den Rücken. Die Begründung ist nach Ansicht von EEG-Experten haltlos.

Lesezeit: 7 Minuten

Mit einer kurzfristig aufgenommenen Änderung eines Paragraphen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) will die Bundesregierung eine Doppelförderung von Biogasanlagen vermeiden: Biogasanlagen, die bereits die Flexprämie für Investitionen in ein größeres BHKW oder einen zusätzlichen Gasspeicher erhalten haben, erhalten jetzt in der zweiten Vergütungsperiode für diese Leistung keinen Flexzuschlag mehr, sondern nur für die die Leistung, die sie erst nach dem Wechsel neu installieren. Die Änderung war aus Sicht des Gesetzgebers nötig, weil die EU-Kommission beihilferechtliche Bedenken anmelden und die nötige Notifizierung des EEG 2021 versagen würde – das vermuten zumindest Energierechtsexperten. Was genau zu der Kürzung geführt hat, bleibt dagegen weiterhin ein Rätsel. „Das Parlament hat sich jedenfalls überfahren gefühlt, das sagen die Bundestagsabgeordneten, mit denen wir sprechen“, erklärte Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk „Flexperten“ auf einem Workshop am Mittwoch.

Betreiber beauftragen ein Rechtsgutachten

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Feststeht, dass die Flexibilisierung in der Praxis seit dem Inkrafttreten des Gesetzes jäh gestoppt wurde. Bereits kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag hatten erste Betreiber massive Bedenken angemeldet. „Wir hatten schon früh Kontakt zu Betreibern, denen jetzt sechsstellige Beträge fehlen, mit denen sie fest gerechnet haben“, erklärt Dr. Hartwig von Bredow, Rechtsanwalt bei der Kanzlei von Bredow, Valentin, Herz aus Berlin. Wegen der großen Zahl an Betroffenen gründete sich schnell eine Interessengemeinschaft von Betreibern, die das Ingenieurbüro Energethik aus Osnabrück zusammen mit den Flexperten gebündelt haben und die bei der Kanzlei ein Rechtsgutachten in Auftrag gaben. Von Bredow und seine Kollegin Veronika Widmann suchten Antworten auf die Fragen:

  1. Wie ist der Paragraph auszulegen?
  2. Welche Folgen hat das für Biogasanlagenbetreiber?
  3. Ist die Regelung überhaupt notwendig aus Sicht der EU-Behilferegelung?
  4. Ist die Regelung verfassungskonform?

Das Ergebnis des jetzt vorliegenden, 59-seitigen Rechtsgutachtens ist eindeutig: Der §50a Absatz 1 Satz 2 im EEG 2021 ist weder verfassungskonform noch stellt erin derin der vorangegangenen Versioneine unerlaubte Beihilfe in Form einer Doppelförderung dar.

1. Wie ist der Paragraph auszulegen?

Schon das Verständnis der Regelung ist selbst für Fachjuristen kaum möglich: Der Anspruch (auf den Flexzuschlag) verringert sich für die Anlagenbetreiber, die für ihre Anlage die Flexibilitätsprämie nach § 50b dieses Gesetzes oder nach der für sie maßgeblichen Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Anspruch genommen haben, auf 65 Euro pro Kilowatt installierter Leistung und Jahr, die gegenüber der Inanspruchnahme der Flexibilitätsprämie zusätzlich flexibel bereitgestellt wird.

„Der Wortlaut ist das reinste Chaos. Was bedeutet beispielsweise flexibel bereitgestellte Leistung? Laut Gesetzesbegründung sollen 50 % der bisher flexibel bereitgestellten Leistung bereits amortisiert sein. Das spiegelt sich aber im Gesetz nicht wider“, nennt von Bredow nur wenige der fraglichen Stellen. Zusammen mit Juristen des Fachverbandes Biogas haben er und seine Kollegen nur eine einzige Auslegung ausgemacht, die nach dem Wortlaut möglich und auch praktikabel ist: Den Flexzuschlag sollen Betreiber nur noch für die Leistung erhalten, die sie ausschließlich für die Anschlussförderung hinzugebaut haben.

Aber das ist nach jetziger Rechtslage formal gar nicht möglich: Für die Flexibilisierung ein Umweltgutachten vorgeschrieben, das man

vor Beginn der zweiten Vergütungsperiode vorzulegen hat. In dem Fall bekommt der Betreiber für die neue Zusatzleistung auch automatisch eine höhere Flexprämie im ersten Vergütungszeitraum. „Diese kann er ja nicht einfach ablehnen“, sagt von Bredow.Auch wenn er die Flexprämie dann nur für wenige Tage erhält, gilt streng genommen: Ihm steht nach dem EEG 2021 kein Flexzuschlag für diese Leistung zu.

2. Welche Folgen hat das für Biogasanlagenbetreiber?

Die Anwälte haben verschiedene Fälle in der Praxis vorgefunden, bei denen Anlagenbetreibern zwischen 400.000 und 1,3 Mio. € an Zuschlägen fehlen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Betreiber, die an einer Ausschreibung teilgenommen und einen Zuschlag für die zweite Vergütungsperiode erhalten haben. Sie haben die Flexprämie nur für sehr kurze Zeit erhalten. Da sie im Vertrauen auf den Flexzuschlag investiert haben, sind sie am meisten von der Gesetzesänderung betroffen.
  • Betreiber, die aus Sorge vor einem möglichen Wegfall der Flexprämie im EEG 2014 noch schnell vor Inkrafttreten des Gesetzes (August 2014) die Flexprämie beantragt hatten. Viele haben dann aber so wie nichts hinzugebaut und damit auch kaum von der Flexprämie profitiert. Doch auch sie würden keinen Flexzuschlag erhalten.
  • Betreiber, die schon in der ersten Vergütungsperiode richtig viel investiert hatten, um die Anlage mehrfach zu überbauen: Für viele ist die Flexprämie allein nicht auskömmlich. Darum haben sie fest mit dem Flexzuschlag in der zweiten Vergütungsperiode gerechnet, um die Ausgabe zu refinanzieren.

3. Ist die Regelung notwendig aus Sicht der EU-Behilferegelung?

„Es ist schon erstaunlich, dass die Frage jetzt aufkommt, nachdem die Regelung jahrelang unstrittig war“, wundert sich von Bredow. Sie war seit 2017 Grundlage vieler Konzepte und Leitfäden, wie z.B. dem offiziellen Leitfaden zur Flexibilisierung der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR). „Alle Konzepte setzen voraus, dass man erst die Flexprämie in Anspruch nehmen kann und anschließend den Flexibilitätszuschlag in uneingeschränkter Höhe, wenn man in die Anschlussförderung wechselt. Nur so rechnen sich bestimmte Flexkonzepte“, sagt der Anwalt.

Er betont den formalen Unterschied beider Förderinstrumente:

  • Die Flexprämie ist eine Kompensation für den freiwilligen Verzicht, die gesamte Anlage zur Stromproduktion zu nutzen und zugleich ein Anreiz, zu investieren und die Voraussetzung zu schaffen, damit die Anlage für einen flexiblen Strombetrieb genutzt werden kann.
  • Der Flexzuschlag ist eine Kompensation dafür, dass die Höchstbemessungsleistung auf 50 % (im EEG 2021 sogar auf 45 %) reduziert worden ist. Er ist ein Ausgleich für den erzwungenen Verzicht bzw. das Verbot, die gesamte Anlage zur Stromproduktion zu nutzen.

Zudem dient der Flexzuschlag dazu, beim Übergang in die zweite Vergütungsperiode neben der Modernisierung für den zehnjährigen Weiterbetriebweitere gesetzliche Auflagen zu erfüllen: Neue Anforderung bezüglich Genehmigung oder im EEG (Beispiel Umrüstung zum Substratwechsel wegen des Maisdeckels) oder Auflagen wie die 44. BImSchV, die den Einbau eines SCR-Kats notwendig macht.

Nach Ansicht der Anwälte liegt damit keine Doppelförderung vor. „Das wäre der Fall, wenn die Förderung zweimal in die gleiche Sache geflossen wäre, aber das trifft hier nicht zu“, ergänzt Anwältin Widmann. Zudem gibt es die Kombination aus Prämie und Zuschlag bereits seit 2017. „Damals hatte die EU-Kommission keine Einwände, warum sollte sie es jetzt haben“; fragt sie.

4. Ist die Regelung verfassungskonform?

Auch hier kommt das Gutachten zu einer klaren Aussage: Wegen der teilweise vorliegenden, „echten Rückwirkung“ sei das Gesetz ganz klar verfassungswidrig. „Mit dem EEG 2021 wurden nachträglich die Spielregeln geändert, womit kein Betreiber rechnen konnte“, erklärt Widmann.

Wie geht es jetzt weiter?

Es gibt mehrere Szenarien, die derzeit möglich wären:

  • Es kommt zu einem „Reparaturgesetz“, bei dem zumindest die offensichtlich verfassungswidrigen Regelungen geändert werden, um einer Verfassungsklage aus dem Weg zu gehen, „Das wäre aber unbefriedigend, da die Regelung an sich nur entschärft, aber nicht aus der Welt geschaffen wird“, sagt von Bredow.
  • Eine kleine EEG-Novelle könnte sich an ein weiteres Gesetzgebungsverfahren anhängen.

Ob und wie der Gesetzgeber jetzt reagiert oder ob die Regierungsfraktionen eine EEG-Änderung als Verhandlungsmasse für mögliche Koalitionsgespräche nach der Bundestagswahl im Herbst in der Hinterhand behalten wollen, ist derzeit völlig offen. „Wir können nur an jeden Anlagenbetreiber appellieren, jetzt auf seinen Bundestagsabgeordneten zuzugehen und auf die Missstände hinzuweisen“, sagt Welteke-Fabricius.

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