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Die Kombination aus schwachem Stromnetz, fehlenden Abnehmern von Strom, vielen Windrädern und sehr gutem Windangebot sorgt dafür, dass Biogasanlagen immer häufiger abgeschaltet werden müssen. Wegen der rigiden Vorgaben des Netzengpassmanagements „Redispatch 2.0“, bei dem nicht zwischen Wind-, Solar- oder Biogasanlagen unterschieden wird, werden bei drohenden Netzengpässen alle Anlagen gleichermaßen abgeschaltet. Fatal bei Biogas, weil die Bakterien das Gas weiter produzieren. Viele Anlagenbetreiber müssen bei längerer Abschaltung Biogas ungenutzt abfackeln. „Im Februar 2022 gab es nur an drei Tagen keine Abschaltungen“, beklagt Manuela Beyer, Geschäftsführerin der Biogas Wittmund GmbH & Co. KG. Die Anlage im Landkreis Wittmund vergärt Abfälle und Gülle.
Drei benachbarte Anlagen
Weil der Ausbau der Stromnetze gerade im Norden Niedersachsens nicht mit dem Ausbau der Windkraft Schritt hält, rechnet sie mittelfristig nicht mit einer Änderung der Situation. Die Einschätzung teilen auch weitere Anlagenbetreiber. „Darum haben wir jetzt ein älteres Konzept wieder aus der Schublade geholt: Die gemeinschaftliche Produktion von Biomethan“, sagt Beyer.
Denn im Umkreis von 6 km liegen drei Anlagen:
die Anlage der Biogas Wittmund mit 2,3 MW elektrischer Leistung,
die Naturgas Ardorf mit 2,5 MW (el.) und die
Anlage von Andreas Mammen mit 1,6 MW (el.).
Alle drei Anlagen produzieren zusammen 2200 m³/h Rohgas. Ein Teil des Rohbiogases soll zukünftig an einem neuen Standort aufbereitet und eingespeist werden. Hintergrund ist, dass die EEG-Vergütung der Anlagen in absehbarer Zeit ausläuft und die Erzeugung von Biomethan einen langfristigen Anlagenbetrieb ermöglicht. „Mit der Biomethanerzeugung wollen wir auch die häufigen und unkalkulierbaren Abschaltungen der BHKW vermeiden“, sagt Beyer. Während das Konzept im Jahr 2015 schon einmal durchgerechnet und damals unwirtschaftlich war, haben die Gaskrise im vergangenen Jahr verbunden mit den gestiegenen Gaspreisen die Situation verändert.
Das Konzept der drei Anlagen
Zusammen haben die drei Anlagen die Gesellschaft BioMethan Wittmund GmbH gegründet. Das Konzept sieht jetzt so aus:
Die gemeinsame Gasaufbereitung steht in räumlicher Nähe zu Satelliten-BHKW der drei Anlagen. Das verkürzt die nötige Strecke für die Rohgasleitung zur Aufbereitungsanlage. Diese soll ca. 1,5 km südwestlich vom Stadtzentrum Wittmund entfernt im Außenbereich eines Mischgebietes installiert werden.
An der Aufbereitungsanlage werden zwei Gasspeicher mit einem Speichervolumen von bis zu 38.000 m³ installiert.
Die beiden Biogasspeicher werden durch eine Sammelleitung von den drei Biogasanlagen mit vorgetrocknetem und -entschwefeltem Rohbiogas gefüllt. Von den Biogasspeichern gelangt das Rohbiogas zur Biogasaufbereitungsanlage. Dort erfolgt die Entfernung von Kohlendioxid (CO₂), Spurengasen und Feuchtigkeit.
Bevor die drei Teilströme vor den Gasspeichern zusammengeführt werden, erfolgt jeweils eine Qualitäts- und Mengenmessung, auf deren Grundlage auch die Abrechnung durchgeführt wird.
Die Anlagen werden zunächst einen Teil des Gases aufbereiten und einspeisen. Bei Bedarf könnte auch mehr Biomethan ins Gasnetz verkauft werden.
Das abgetrennte CO₂ kann ggf. verflüssigt werden. Hierzu wird es auf Lebensmittelqualität (EIGA-Standard) aufbereitet und bei niedrigen Temperaturen und hohem Druck verflüssigt. Das flüssige CO₂ wird in Tanks zwischengelagert und per Lastzug abtransportiert.
Sie werden die vorhandenen Wärmenetze aufrechterhalten. „Wir sind jedenfalls froh, dann beide Optionen zu haben: Gasaufbereitung und -einspeisung sowie Strom- und Wärmeproduktion“, sagt Beyer.
Jede Anlage ist eigenständig betriebsfähig und verfügt über entsprechende Sicherheitseinrichtungen.
Ihrer Meinung nach wird künftig Strom und Gas gebraucht: Ohne Strom aus Biogasanlagen können die zeitlichen Lücken ohne Wind und Sonne schlecht geschlossen werden. Gas ist dagegen etwas, das nur Biogasanlagen herstellen können.